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Anpfiff gegen Antisemitismus – Ein Turnier zeigt klare Kante

Platzverweis für Antisemitismus (Foto: Oranje Berlin)

Ein Spiel zwischen zwei Berliner Vereinen im November 2022 zeigte den blanken Antisemitismus im deutschen Fußball. Viele Menschen und Vereine solidarisierten sich mit dem betroffenen TuS Makkabi Berlin. So auch Oranje Berlin 09. Sie widmen ihren diesjährigen FreedomCup den Geschehnissen rund um das Skandal-Spiel und möchten aufklären. Die Amadeu Antonio Stiftung förderte das Turnier.

von Lenard Luis Pfeuffer

Es ist der achte Spieltag in der Bezirksliga Berlin der A-Junioren. Der CFC Hertha 06 empfängt den jüdischen Verein TuS Makkabi Berlin. Es ist warm für einen Tag Mitte November. Das Spiel verläuft anfangs noch ruhig. Als ein Fan von Makkabi jedoch eine Israel-Flagge aufhängt, beschwert sich der Trainer von Hertha 06, sagt, seine Spieler fühlten sich provoziert. Obwohl das Aufhängen der Flagge gegen keinerlei Regeln verstößt, bitten Vertreter von Makkabi Berlin den Fan, die Flagge abzuhängen. Die Gemüter beruhigen sich wieder. Makkabi entscheidet das Spiel am Ende für sich und gewinnt deutlich mit 7:4.

Als der Fan schließlich ein Bild samt Flagge mit der Siegermannschaft machen möchte, eskaliert die Situation. “Ich verbrenne euch und eure dreckige Fahne, ihr Bastarde, so wie die Deutschen das gemacht haben”, schreit ein Hertha-Spieler vom Spielfeldrand, der noch von einem vorherigen Spiel mit einer roten Karte gesperrt ist. Dieser beleidigt später auch den Schiedsrichter, als dieser sich schützend vor die Makkabi-Spieler stellt, und sinniert über eine Bestechung des Schiedsrichters durch den jüdischen Verein. Jüdinnen*Juden, die mit Geld die Welt regieren – hier wird nichts anderes als eine uralte antisemitische Verschwörungserzählung auf den Platz getragen. Ein anderer Spieler von Hertha 06 zeigt mehrfach den Hitlergruß. Eine Zuschauerin beleidigt Spieler und Fans von Makkabi als “Drecksvolk”. Der Platzwart bittet die Spieler der Gastmannschaft, das Gelände zu verlassen, er könne nicht mehr für deren Sicherheit garantieren. Die Spieler von TuS Makkabi flüchten regelrecht aus dem Stadion.

Antisemitismus – auf und neben dem Platz

In einem Beitrag des WDR kommt auch der Vater des Spielers zu Wort, der den Schiedsrichter und die Spieler beleidigt hat. Ergün Cakir ist außerdem Vorsitzender des CFC Hertha 06. Was er im Folgenden sagt, bringt den Antisemitismus auf einen Höhepunkt. Er sagt, sein Sohn werde “die Juden sein Leben lang hassen” und dass Jüdinnen und Juden immer denken “sie haben recht” und zu keiner Diskussion bereit seien. Zudem fragt sich der Vorsitzende, wieso die “Deutschen so etwas mitmachen”. Selbstreflexion und Einsicht sehen anders aus.

Die verbalen antisemitischen Attacken haben Folgen:

Zwei Spieler, unter anderem der Sohn von Ergün Cakir, werden für zwei Jahre gesperrt. Auch mit Ergün Cakir beschäftigt sich später das Sportgericht. Ihr Urteil kommt einige Monate später: Auch er wird für zwei Jahre gesperrt. Es ist das bisher härteste Urteil gegen antisemitische Äußerungen im Fußball und sollte als Warnung verstanden werden, dass Antisemitismus im Fußball keinen Platz hat. Dass es jetzt endlich auch ein gerichtliches Urteil gibt, ist lange überfällig. Immer noch wird Antisemitismus viel zu selten thematisiert im deutschen Fußball. Denn für die Makkabi-Spieler ist dieser Hass trauriger Alltag. Bei einer deutschlandweiten Umfrage haben 68% aller Spieler von Makkabi, die nicht nur in Berlin vertreten sind, angegeben, schon einmal antisemitisch angefeindet worden zu sein.

Auch andere Umfrage und Zahlen kommen zu dem Ergebnis, dass antisemitische Straftaten auf einem Allzeithoch sind. “Der Fußball ist ein Brennglas unserer Gesellschaft, er zentriert, er konzentriert das Gute, aber auch das Hässliche unserer Gesellschaft”, sagt Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland. Genau deswegen ist das Turnier von Oranje Berlin so wichtig. Es ist ein Zeichen gegen den Hass und für die Vielfalt, denn bei aller Emotion und bei allem Wettbewerb dürfen Antisemitismus und Ausgrenzung niemals Teil des Spiels sein.

Der Freedom-Cup – viel mehr als “nur” Fußball

Der Freedom-Cup ist ein Fußballturnier, ausgetragen von Oranje Berlin, das seit letztem Jahr jährlich stattfindet. Jeweils acht Teams treten in zwei Turnieren (D- und E-Jugend) gegeneinander an. Der Fußball gibt sich immer gern divers und propagiert einen diskriminierungsfreien Sport, der verbindet. Doch so wie in der Gesellschaft gibt es auch im Sport Antisemitismus, Rassismus und andere Arten von Menschenfeindlichkeit – von antisemitischen Sprechchören über homofeindliche Transparente bis hin zu rassistischen Affenlauten gegenüber Spieler*innen.

Turniere wie der „Freedom Cup“ sind wichtig, um ein Zeichen gegen den Status Quo zu setzen. Mit einer aktiven Haltung, mit einer Meinung, die offen sagt, wofür sie steht – und was sie bekämpfen möchte. Beim FreedomCup ging es in erster Linie gegen Antisemitismus, aber das Turnier richtet sich auch gegen jede sonstige Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Der Banner “Kein Platz für Antisemitismus” hängt nicht nur während des Turniers dort, sondern darf im Gegenteil zu der israelischen Flagge auch nach dem Abpfiff hängen bleiben.

Aufmerksammachen und Stellung beziehen. Aufklären und Gegenmaßnahmen präsentieren. Darum geht es. Das Turnier bietet dem Thema eine Bühne, es stellt etwas, was oft verschwiegen wird, in den Mittelpunkt des Geschehens. Zum Beispiel hat der Verein im Vorfeld des Turniers Tafeln aufgehängt, auf denen Teilnehmer*innen Fragen bezüglich Antisemitismus stellen konnten. Auch gab es einen Workshop von einem Vertreter von “Culture on the Road”, der den Kindern die aktive Fußball-Szene sowie den Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus im Fußball kindgerecht näher gebracht hat. Manche nennen solche Turniere reine Symbolik. Wir nennen es ein wichtiges Zeichen. Ein Zeichen, dass Antisemitismus eben kein Heimrecht im Fußball oder sonst wo hat.

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