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Antisemitische Vorfälle in die Öffentlichkeit tragen

Eine Zukunft des Judentums in Deutschland erschien nach dem Holocaust unvorstellbar. Erfreulicherweise gibt es heute eine Renaissance jüdischen Lebens in deutschen Städten. Besorgniserregend ist, dass es 71 Jahre nach dem Holocaust regelmäßig zu antisemitischen Angriffen, Sachbeschädigungen und Beleidigungen kommt. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) sammelt diese Vorfälle und trägt diese in die Öffentlichkeit.

Von Niels Schaffroth

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) ist mehr als ein bloßes Projekt zur Auflistung von antisemitischen Vorfällen. Durch gezielte Kooperation mit jüdischen und nicht-jüdischen Organisationen bilden sie ein dichtes Netzwerk, an das sich Betroffene wenden können. Ziel des Projektes ist eine Ermutigung von Betroffenen oder Zeug_innen ihren Erlebnissen Gehör zu verschaffen. Besonders im Hinblick auf die steigende Anzahl an Vorfällen in Berlin ist eine Öffentlichkeit notwendig, die sich klar gegen Antisemitismus stellt.

Im vergangenen Jahr sind RIAS 401 antisemitische Vorfälle in Berlin bekannt geworden. Benjamin Steinitz, Koordinator von RIAS, stellt hierzu fest: „Die starke Zunahme an Meldungen seit der Bekanntmachung der neuen Meldemöglichkeiten zeigt lediglich, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben, um mehr über das Ausmaß von Antisemitismus im Alltag unserer Stadt zu erfahren. Auch wenn die Zahl von 401 Vorkommnissen erschreckend hoch ist, gehen wir immer noch von einer großen Dunkelziffer uns nicht bekannt gewordener Fälle aus.“

Drei Fälle aus Berlin geben einen guten Einblick darüber, wie konkret antisemitische Angriffe und Bedrohungen das Leben von vor allem jüdischen Menschen in Berlin beeinflusst.

Anfang März wurde ein 75 Jahre alter Rentner Opfer eines antisemitischen Angriffes. Am U-Bahnhof Walther-Schreiber-Platz im Berliner Stadtteil Friedenau wurde der Betroffene von einem 27-jährigen Mann zunächst antisemitisch beleidigt. Es fielen Beschimpfungen wie „Judensau“. Bevor er das Opfer mit einer Glasflasche angriff und am Kopf verletzte, zeigte er den Hitlergruß. Das Opfer musste durch Sanitäter eines Rettungswagens ambulant behandelt werden.  Der Täter wurde vorläufig festgenommen.

Seit Oktober 2015 kommt es in Berlin-Charlottenburg immer wieder zu antisemitischer und verschwörungstheoretischer Propaganda im öffentlichen Raum. Gezielt werden Zettel, in denen zum Beispiel vom „jüdischem Terror gegenüber der deutschen Bevölkerung“ die Rede ist, an PKWs oder auf Balkone von Israelis sowie Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde befestigt und hinterlegt. RIAS zählte sieben solcher Vorfälle im Zeitraum zwischen Oktober 2015 und Januar 2016.

Bei Spielen des jüdischen Fußballvereins TuS Makkabi Berlin kommt es immer wieder zu antisemitischen Angriffen, Bedrohungen und Beleidigungen gegenüber den Spielern. So kam es im vergangenen Jahr im Spiel gegen den 1.FC Neukölln zu Drohungen und einem tätlichen Angriff seitens der Spieler des 1.FC Neukölln. Claudio Offenberg, Sportlicher Leiter bei Makkabi, setzte die Ereignisse in Zusammenhang mit der sogenannten „Messer-Intifada“ in Israel. Gegenüber dem  Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) erläuterte er:  „‚Wir stechen dich ab!“ sowie „Warte ab, wir kommen hin und wir holen die Messer raus!‘ Das sind alles ganz klare Hinweise darauf, dass der Nahohst-Konflikt hier 1:1 angekommen ist.“

Die drei exemplarischen Fälle zeigen, in Verbindung mit den steigenden Zahlen von antisemitischen Vorfällen in Berlin, die enorme Wichtigkeit des Projektes.

Antisemitismus darf in seinen verschiedenen Formen nicht unwidersprochen bleiben.  Es ist wichtig, ein klares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Deshalb unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) seit Beginn ihrer Arbeit. Spenden machen es der Amadeu Antonio Stiftung möglich Initiativen wie RIAS finanziell zu fördern. Helfen Sie mit.

 

 

 

 

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