In diesem Jahr jährte sich die Befreiung Auschwitz zum 70. Mal. Aber nicht nur am 27. Januar, sondern auch an anderen Tagen im Jahr ist die Erinnerung an den Holocaust und die stete Auseinandersetzung mit aktuellen Formen von Antisemitismus wichtig. Das dachte sich auch die jüdische Gemeinde in Cottbus. Mit einem von der Amadeu Antonio Stiftung geförderten Rechercheprojekt werden Schüler motiviert, sich über mehrere Wochen hinweg intensiv mit der jüdischen Geschichte ihrer Stadt auseinanderzusetzen.
Erstmals seit der Wiedergründung der Jüdischen Gemeinde im Jahr 1998 beschäftigen sich im brandenburgischen Cottbus Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren mit der jüdischen Geschichte ihrer Stadt. Rund 80 Stolpersteine erinnern an das jüdische Leben, das am 9. November 1938 fast vollständig ausgelöscht wurde, als die Nationalsozialisten die Synagoge in Brand setzten. Knapp 400 Mitglieder umfasste die Gemeinde damals, nach Kriegsende waren noch 12 von ihnen am Leben.
Eine neue Synagoge wird eröffnet
Gemeinsam mit Geschichtslehrer/innen und Exkursionsleiter/innen haben sich nun Schülerinnen und Schüler auf Cottbus‘ Straßen begeben. In Bibliotheken und auf Friedhöfen suchen sie nach der jüdischen Vergangenheit ihrer Stadt. Ihr Anliegen: mögliche Zeitzeugen zu finden und mehr über das Schicksal von Angehörigen zu erfahren. „Mit großem Interesse und Begeisterung näherten sie sich Themen wie der Geschichte des Judentums in Cottbus und der Vertreibung der jüdischen Familien nach der Reichspogromnacht“, so Gennadi Kuschnir. Er ist Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Cottbus, welche die Idee für das Projekt hatte, das von der Amadeu Antonio Stiftung gefördert wird. Auch die Eröffnung der ersten Synagoge nach dem Holocaust in Cottbus – und damit auch der ersten Synagoge in ganz Brandenburg nach 1945 – wurde in das Projekt eingebunden. Die Feierliche Einweihung fand am 27. Januar 2015 statt, dem Internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Es ist ein Tag mit Symbolkraft. Ein Statement für ein neues lebendiges jüdisches Leben, das sich in Brandenburg wiederentwickelt.
Die persönlichen Lebensgeschichten machen die Geschichte greifbar
Die Schülerinnen und Schüler aus Cottbus werden sich aber nicht nur praktisch mit dem Thema auseinandersetzen. Sie werden ihre Ergebnisse auch zusammentragen und für alle Interessierten und Schulgruppen zugänglich machen. Im Rathaus, in Schulen und in der Stadtbibliothek wird es dann Infoschilder geben, erzählt Gennadi Kuschnir. Durch die direkte und bewusste Beschäftigung mit der Geschichte wird sie für die Jugendlichen greifbar. So gerät die jüdische Geschichte Cottbus nicht in Vergessenheit und die Teilnehmenden lernen, auch anderen das Thema nahe zu bringen.
Von Sarah Beck und Marie Becker
28.1.2015
Foto: depone (CC BY-NC-SA 2.0)