Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Aufwachsen ohne Abwertung und Ausgrenzung

Kinder lernen bereits in frühen Jahren, was als gesellschaftlich „anders“ gilt. Rassismus durchzieht unsere gesamte Gesellschaft, und macht auch vor den Spiel- und Lernräumen der Jüngsten nicht halt. Die Kinderladen-Initiative Hannover möchte sich mit Diskriminierung und Empowerment in der KiTa beschäftigen und lädt zu einem Impuls-Workshop am Mittwoch, 22.05. von 17:00 – 20:00 Uhr ein.

Von Henrike Koch

Kinder lernen bereits in frühen Jahren, was als gesellschaftlich „anders“ gilt. Spielzeuge, Bücher und Lieder sind dabei besonders wichtig, denn sie vermitteln Lebenswelten. Kinder lernen auf diese Weise schnell, was als gesellschaftliche Normalität, und was als Abweichung gilt. Sie lernen auch, welcher Platz und welche Möglichkeiten der Entfaltung ihnen in unserer Gesellschaft zugestanden werden – und welche nicht. Erfahrungen der Benachteiligung und des Ausschlusses – sei es aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder körperlicher Merkmale – sind in der frühen Lebensphase besonders prägend für die Identitätsentwicklung. Diskriminierungserfahrungen gefährden nicht nur das momentane, sondern auch nachhaltig das zukünftige Wohlergehen von Kindern.

2013 gab es in den Medien eine breite Debatte darüber, ob rassistische Begriffe wie das N-Wort in Kinderbuchklassikern ersetzt werden sollten. People of Color betonten, dass das N-Wort vor dem kolonialhistorischen Hintergrund Deutschlands sehr schmerzhaft und herabwürdigend sei. Das unterstrich auch die damals 9-jährige Ishema K. in einem Leser*innenbrief an die ZEIT. Einige meinten daraufhin, ihre Kindheitslieblinge wie „Pippi Langstrumpf“ oder „Die kleine Hexe“ vor „Zensur“ im Dienste einer „politischen Korrektheit“ bewahren zu müssen. Aufgrund des stark emotionalisierten Widerstands, den der Wunsch nach Streichung von rassistischen Wörtern auslöste, drehte sich die Debatte in erster Linie um die Verwendung von Begriffen. Das  ist bedauerlich – denn nicht nur Worte können verletzen, diskriminieren und herabwürdigen, sondern auch stereotypisierende Darstellungen von Figuren oder die normierende Darstellung bestimmter Lebensweisen. Wenngleich einige Verlage ankündigten, ihre Bücher zu überarbeiten, zeigte die damalige Debatte vor allem, dass die Auseinandersetzung mit Rassismus und dem Kolonialerbe Deutschlands noch in den Kinderschuhen steckt. Wem wichtig ist, dass die Jüngsten in unserer Gesellschaft in einem geschützten und stärkenden Umfeld aufwachsen können, in dem sie Gleichberechtigung und demokratische Werte lernen, der oder die sollte auch bei der Auswahl von Kindermaterialien besonders sorgfältig sein.

Der Kinderladen-Initiative Hannover ist bewusst, dass Rassismus auch in ihren Einrichtungen ein Thema ist. Sie hat Lust, den eigenen Blick für ein diskriminierungssensibles Spiel- und Lernumfeld zu schärfen. Also eines, dass Diskriminierungserfahrungen von Kindern ernst nimmt, diese zur Sprache bringt und ihnen zu begegnen weiß. Die Initiative hat die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ zum Anlass genommen, Verena Meyer und Ilinda Bendler einzuladen, die sich beruflich mit Rassismus in der Bildungsarbeit auseinander setzen und sich bei der ISD Hannover (Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland) engagieren. Die Beiden werden einige Kinderbücher im Gepäck haben. Sie möchten „inspirieren und Impulse setzen“, anstatt sich an Negativbeispielen abzuarbeiten. Zielführender sei es, sich bei gelungenen Kinderbüchern zu fragen: “Warum ist dieses Buch eigentlich gut, und was fördert das in der Entwicklung von Kindern, die von Diskriminierung betroffen sind?“ Diese Fragestellung sensibilisiere dafür, was man bei der Auswahl von Büchern und Spielzeug beachten könne.

Die Veranstaltung „Diverse Kindheiten – vielseitige Einrichtungen?“ beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Chancen einer Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung in der KiTa. Damit richtet sie sich vor allem an pädagogische Fachkräfte und Eltern. Welche Vorurteile haben wir selbst gelernt, und wie können wir professionell damit umgehen? Wie kann eine Arbeit in der KiTa aussehen, die alle Kinder mitdenkt und stärkt, also auf Empowerment setzt? Und wie könnte ein rassismussensibles Spiel- und Lernumfeld aussehen? Besonders wichtig ist es den Referentinnen, dass es viel Raum für Austausch und eigene Fragestellungen gibt. Am Ende möchten sie ihre Ideen vorstellen, wie mit Diskriminierungsvorfällen konkret umgegangen werden könnte.

Die Veranstaltung findet am Mittwoch, 22.05. von 17:00 bis 20:00 Uhr bei der Kinderladen Initiative Hannover e.V. statt (Goseriede 13). Die Veranstaltung ist kostenlos. Um vorherige Anmeldung unter info@kila-ini.de wird gebeten.

Referentinnen:  Ilinda Bendler ist Sozialwissenschaftlerin und Teil des Schwarzen Bildungskollektivs KARFI, welches rassismuskritische Bildungs- und Empowermentarbeit leistet. Hauptamtlich arbeitet sie als kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Sie ist unter anderem aktiv bei der ISD Hannover.

Verena Meyer ist Traumapädagogin sowie Trainerin, Beraterin und Multiplikatorin für Empowerment und rassismuskritische intersektionale Bildung. Darüber hinaus begleitet sie Organisationen bei institutionellen Öfnungsprozessen und ist unter anderem bei der ISD Hannover aktiv.

 

 

Weiterlesen

Roma Day 2024 Beitragsbild

Romaday: Ein Tag der Widerstandsfähigkeit von Sinti*zze und Rom*nja

Sinti*zze und Rom*nja sind eine seit mehreren hundert Jahren in Europa lebende Bevölkerungsgruppe und die größte Minderheit Europas. Ihre Geschichte ist auch eine jahrhundertelange Erfahrung von Ausgrenzung, Abwertung und Diskriminierung – und genauso langer Kämpfe um Gleichberechtigung und Anerkennung. Der Internationale Tag der Roma erinnert an die Anfänge der Bürgerrechtsbewegung mit dem ersten Welt-Roma-Kongress, der am 8. April 1971 in London stattfand.

image00004

„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.