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Hintergründe

Der Fall Franco A. – Ein mutmaßlicher Rechtsterrorist im Schafspelz?

Anzugweste, Männerdutt, kariertes Hemd: Der Bundeswehrsoldat Franco A. vor Gericht in Frankfurt am Main (Quelle: picture alliance/dpa/Pool/Boris Roessler)

Erinnern Sie sich noch an Franco A.? Ja genau, der Offenbacher Bundeswehroffizier, der sich als syrischer Geflüchteter ausgab, eine Pistole am Wiener Flughafen deponierte und mutmaßlich verschiedenste rechtsterroristische Anschläge, unter anderem auf die Amadeu Antonio Stiftung und ihre damalige Vorsitzende Anetta Kahane plante. Der Bundeswehrsoldat Franco A. wurde am 15 Juli 2022 wegen der Planung eines rechtsextremen Terroranschlags, wegen illegalem Waffen- und Munitionsbesitz und Betrug, zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Insgesamt 14 Monate und 39 Verhandlungstage lang beschäftigte der Prozess den Staatsschutzsenat des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. Doch aufgeklärt sind die Umstände des Komplexes um Franco A. nicht. Der Prozess hinterlässt offene Fragen zur konkreten Anschlagsplanung, den Waffenbeschaffungen, der Einbettung des Angeklagten in rechte Netzwerke in und außerhalb der Bundeswehr und zu anderen involvierten Personen.

Doch reicht ein einzelnes juristisches Verfahren, um Franco A.s Verbindungen in rechte Chatgruppen, zu Elitesoldaten, die sich auf „TagX“ vorbereiten, Prepperbewegung, der AfD und nach Russland auszuarbeiten? Vermutlich nicht. Die Verbindungen sind kompliziert, weitreichend und höchst gefährlich. Um den Fall ausreichend aufzuarbeiten, reicht ein juristisches Verfahren nicht aus. Vielmehr müssen auch die weiteren Verbindungen von Franco A. ins rechtsextreme Milieu tiefgehend untersucht werden; eine kritische zivilgesellschaftliche Prozessbeobachtung bleibt nach wie vor notwendig.

Verbindungen zum „Hannibal“-Netzwerk

Gründer des „Hannibal“-Netzwerks ist Ex-KSK-Soldat André S. (Chat-Name „Hannibal“). Er rief eine Vielzahl von weiteren Chatgruppen ins Leben, in denen sich Prepper auf einen sogenannten „Tag X“ vorbereiten, einem nicht weiter definierten Tag, an dem die staatliche Ordnung mit Waffengewalt zu Fall gebracht werden soll. Franco A. war bei mindestens zwei der Treffen der Gruppe dabei. Eine Recherche der taz zeigt 300 weitreichende Verbindungen in und um das „Hannibal“-Netzwerk auf. Das rechtsextreme Netzwerk verknüpft mehr als 90 Personen, Gruppen und Institutionen.
Aus dem „Hannibal“-Netzwerk gehen, analog zu den Wehrbereichen, die Preppergruppen Nord, Süd, Ost und West aus. Franco A. war seit 2015 Mitglied der Telegram Gruppe „Süd“ mit rund 60 Mitgliedern, die sich bei regelmäßigen Treffen auch in Persona austauschten. Die Chat-Gruppe wurde gelöscht, als Franco A. aufflog. Ein Zufall? Zudem gibt es dokumentierte Verbindungen zum Verein „Uniter e.V.“ – ein Verein mit Sitz in der Schweiz, der sich als NGO ausgibt, die Sicherheitskräfte vernetzen will.

Querverbindung zur AfD

Zudem gibt es eine Verbindung des ehemaligen Soldaten zur rechtsextremen AfD. Franco A. hatte engen Kontakt zu Maximilian T., der Mitglied der AfD ist und 2018 als Mitarbeiter im Bundestagsbüro des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte eingestellt wurde. Mit seinem Amt hatte T. Zugang zu Informationen und Unterlagen aus dem Verteidigungsausschuss des deutschen Bundestages, später fand man bei ihm Feindeslisten mit Namen von Politiker*innen und Personen des öffentlichen Lebens.

Verbindung zu Russland

Auch Franco A. hat – wie nicht wenige weitere rechtsextreme – gute Kontakte nach Russland. Er versuchte Natalija Narotschnizkaja, die europäische Statthalterin der russischen Stiftung „Institut für Demokratie und Zusammenarbeit“ in ihrem Büro in Paris zu besuchen. Ob es zu einem Treffen kam, ist bis Heute ungeklärt. Die Pariser Chefin des russischen Propaganda-Instituts gibt gerne Finanzspritzen an Rechtsextreme: 2014 vermittelte sie einen Kredit über neun Millionen Euro an die rechtsextreme Partei „Front NationaL“ von Marine Le Pen. Außerdem unterstützt sie Anti-EU und USA „Konferenzen“, die vom rechtsextremem Compact Magazin ausgerichtet werden. Prominente Redner sind dort unter Anderem Alexander Gauland, Thilo Sarrazin und Duma-Abgeordnete. Auch Maximilian T., Bundeswehrkamerad von Franco A. sowie sein Vorgesetzter, der AfD Politiker Jan Nolte pflegen gute Kontakte nach Russland. Der Vater von Maximilian T. leitet den stramm völkischen Verein „Deutsch-Russisches Friedenswerk e.V.“. Jan Nolte ist mit der Tochter eines russlanddeutschen Priesters verheiratet, Gesicht des Compact-Fernsehmagazins „Die Woche Compact“. Russische Geldgeber*innen finden sich auch in der deutschen Prepperszene wieder. In privaten Firmen von Mitgliedern der Gruppe „Nordkreuz“- eine Ausgliederung aus dem „Hannibal“ Netzwerk – fanden Expert*innen des Verfassungsschutzes Teilhaber*innen aus Russland. Es zeigt sich: Auch der russische Einfluss auf rechtsextreme Netzwerke bedarf weiterer Aufklärung.

Zum Fall Franco A.

Im Februar 2017 wird der damals 28-jährige Oberleutnant Franco A. am Wiener Flughafen von österreichischen Beamten festgesetzt. Zwei Tage zuvor hatte er auf einer Toilette des Flughafens eine geladene halbautomatische Pistole deponiert. Beim Versuch die Waffe, die inzwischen von einer Reinigungskraft entdeckt wurde, wieder an sich zu nehmen, wird er gefasst. Bereits kurz nach seiner Verhaftung wird Franco A. wieder freigelassen. Den Beamten fällt in diesem Zusammenhang allerdings auf, dass A.s Fingerabdrücke bereits unter dem Namen des in Bayern gemeldeten Geflüchteten „David Benjamin“ bekannt sind.

Am 26. April 2017 wird der gebürtige Offenbacher von deutschen Behörden erneut festgenommen, gleichzeitig durchsucht die Polizei 16 Orte in Frankreich, Deutschland und Österreich, findet Waffen, Sprengstoff, NS-Literatur und weiteres belastendes Material. Munition, Signal- und Sprengkörper wurden mindestens teilweise aus Bundeswehrbeständen entwendet. Der Fall wird bundesweit publik. Im Mai zieht der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Oberleutnant seit Dezember 2015 ein Doppelleben als syrischer Asylbewerber führte und bereits bei der Bundeswehr mit einer eindeutig rassistischen, von nationalsozialistischer Ideologie durchtränkten Masterarbeit aufgefallen war, jedoch ohne Konsequenzen. In der ebenfalls durchsuchten Wohnung von A.s Bundeswehrkameraden Maximilian T. finden die Ermittler*innen als Feindeslisten zu interpretierende Notizen, in denen die Namen bekannter Politiker*innen und politischen Aktivist*innen aufgeführt sind. Darunter Claudia Roth, Heiko Maas, auch die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane. Mehr noch: Selbst angefertigte Lageskizzen und Fotoaufnahmen aus der Tiefgarage unterhalb der Stiftungsbüros deuten auf konkrete Anschlagsplanungen hin.

Während der Ermittlungen befindet sich Franco A. auf freiem Fuß, nachdem er wegen unzulänglichem Tatverdacht im November 2017 aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Auch die Anklage wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat wurde Anfang Juni 2018 durch das zuständige Oberlandesgericht Frankfurt am Main zunächst abgewiesen. Erst am 20. Mai 2021, vier Jahre nachdem Franco A. erstmals festgenommen wurde, beginnt am Oberlandesgericht Frankfurt der Prozess gegen den mutmaßlichen Rechtsterroristen. Die Anklageschrift bezeichnet A. als einen „rechtsnationalistisch gesinnten Bundeswehrangehörigen“, dem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach §89a vorgeworfen wird. Im Februar 2022 wird A. nach einer verdächtigen Reise nach Straßburg in seiner Heimatstadt Offenbach erneut festgenommen. Die Ermittler finden NS-Devotionalien, 21 Mobiltelefone, 50 Prepaid-Karten, einen gefälschten Impfpass. Erstmals seit seiner Freilassung im Herbst 2017 sitzt A. wieder in Untersuchungshaft.

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