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Deutsches „Kaltland“

Cover des Buches "Kaltland", Foto: Verlag Rotbuch, c

Der Miteinander e.V. lud in Halle und Salzwedel zu einer Lesung des Buches „Kaltland“ ein. „Kaltland“ wirft einen Blick auf die Welle rassistischer Gewalt in den „Neuen Bundesländern“ vor, während und nach der Wendezeit. Ziel der beiden Veranstaltungen war es, die Bürger_innen vor Ort für das Thema Rechtsextremismus zu sensibilisieren und neue Akteure für zivilgesellschaftliches Engagement zu gewinnen. Die Amadeu Antonio Stiftung förderte das Vorhaben des Miteinander e.V.. 

Eine kritische Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Strukturen vor, während und nach der Wendezeit ist in der ostdeutschen Gesellschaft zum Teil nur sehr eingeschränkt zu Tage getreten. Ausgehend von dieser Feststellung organisierte der Verein Miteinander e.V. im Rahmen seiner politischen Bildungsarbeit am 16. April 2012 in Halle und am 18. April 2012 in Salzwedel eine Lesung mit Manja Präkels und Markus Liske, den Herausgeber_innen des Buches „Kaltland“. Mit den beiden Veranstaltungen verfolgt der Miteinander e.V. das Ziel, das regionale zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus und Alltagsrassismus zu stärken: „Eine kritische Aufarbeitung der rassistischen Realitäten der Nachwendezeit kann – und muss vielleicht sogar – eine wichtige Voraussetzung dafür sein, sich heute klar gegen jegliche Form von Rassismus und Neonazismus einzusetzen. In diesem Sinne hoffen wir Anstöße zu geben, sich kritisch mit dieser Vergangenheit auseinanderzusetzen, um die Gegenwart und die Zukunft anders zu gestalten“, sagt Martin Vesely von Miteinander e.V..

Die Schattenseiten der Wendezeit

Das Buch beschreibt in eindringlicher Weise – im Unterschied zu den vorwiegend positiven öffentlichen Auseinandersetzungen mit den Transformationsprozessen in den 1990er Jahren – die Schattenseiten der Wendezeit und ihre Folgen. Dabei werden unter anderem Aktivitäten von Neonazis in ländlichen Räumen der DDR und in Ost-Berlin beleuchtet. Ein Schwerpunkt liegt dabei vor allem auch auf der Welle der rassistischen Gewalt, die in der Nachwendezeit die „Neuen Bundesländer“ erfasste. In „Kaltland“ werden die erschreckenden Geschehnisse von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen genauso in den Blick genommen, wie der Alltagsrassismus, den viele Menschen in der Nachwendezeit erlebten, weil sie als „nicht-deutsch“ wahrgenommen wurden.

Ein von Sentimentalitäten geprägtes Gedenken an die Wiedervereinigung lässt oftmals diese Opfergruppen in den Hintergrund rücken. Denn eine kritische Auseinandersetzung mit der Nachwendezeit fordert auch eine Hinterfragung der Rolle der Politik und der sogenannten bürgerlichen Mitte in dieser Zeit. Der Sammelband „Kaltland“ versucht mit unterschiedlichen Essays und Reportagen diese inhaltliche Lücke zu schließen.

Pogrome in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen in den 1990er Jahren

Vor allem die Pogrome auf die Unterkünfte von Vertragsarbeiter_innen und Asylsuchenden in Hoyerswerda (1991) und Rostock-Lichtenhagen (1993) werfen viele unbequeme Fragen auf. Diese Angriffe „können dabei leider nur als Spitze des Eisbergs gelten. Das rassistische Klima war Anfang der 1990er Jahre bis weit in die Mehrheitsgesellschaft dominant. Der Staat reagierte 1993 mit der Änderung des §16 GG, was einer de-facto Abschaffung des Asylrechts gleichkam“, so Martin Vesely. Dass sich die Politik für eine derart restriktive Verschärfung der Asylgesetzgebung entschied und sich zeitgleich in einer populistischen Metaphorik der „Asylantenflut“, die Deutschland „überschwemme“, verlor, sandte ein fatales Signal an die Gesellschaft: Ließ die Politik mit dieser Entscheidung nicht den unumstößlichen Eindruck entstehen, sie sei vor den rechten Ausschreitungen und ihren aktiven und stillen Befürworter_innen eingeknickt und hat diese somit stillschweigend hingenommen?

So unbequem derartige Fragen sind, müssen sie aufgeworfen werden. Der Miteinander e.V. möchte mit der Lesung aus dem Buch „Kaltland“ auf diese noch unzureichend aufgearbeiteten Ereignisse in der jüngsten deutschen Geschichte aufmerksam machen und eine gesellschafts-politische Debatte anregen. „Dieser ‚andere‘ Blick auf die direkte Nachwendezeit ist im kollektiven Gedächtnis der BRD heute leider nur noch sehr eingeschränkt artikuliert. Diese Leerstelle wollen wir mit den Veranstaltungen wieder mit Inhalt füllen“, so Martin Vesely weiter.

Mit der Förderung des Projekts und der Unterstützung dieses Anliegens auch über den Förderzeitraum hinaus, will die Amadeu Antonio Stiftung Miteinander e.V. bei seiner Arbeit für eine Stärkung der demokratischen Kultur in Sachsen-Anhalt unterstützen.

Von Anna Brausam

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