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Editorial des Vorstands

Ein Marathon, kein Sprint

Tahera Ameer. (c) Peter van Heesen

25 Jahre – wenn das kein Grund zum Feiern ist! Doch wenn eine Stiftung, die sich von Tag eins ihrer Gründung an gegen Rechtsextremismus, gegen Gewalt und Hass stellt, Geburtstag feiert, dann ist das kein rein unbeschwertes Fest.

Tahera Ameer

Blicken wir auf das letzte Vierteljahrhundert zurück, sehen wir brennende Unterkünfte für Geflüchtete, Menschen, die durch Straßen gejagt werden, weil sie Schwarz sind oder Kippa tragen. Wir sehen Rechtsterroristen, die von Utøya, Christchurch bis Hanau morden, Trolle, die Threads und Timelines mit Hass fluten, und Neonazis, die wieder auf Parlamentsbänken sitzen.

Aber wir sehen auch Menschen, die sich all dem entgegenstellen. Die mutig aufstehen, wenn andere Hass sähen. Die sich engagieren und laut sind. Und die in ihrem Einsatz für demokratische Kultur oftmals einen hohen Preis zahlen. Was für fantastische Menschen, was für ein fantastisches Netzwerk!

Wir sind stolz auf 25 Jahre, in denen wir diejenigen unterstützen konnten, die vor Ort den Finger in die Wunde legen. Die hinsehen und handeln. Demokratische Kultur bemisst sich daran, wie eine Gesellschaft mit Hass und Gewalt gegen Minderheiten umgeht: Guckt sie hin? Schützt sie diejenigen, die Opfer dieser Gewalt werden und nimmt sie ihre Perspektive ein? Steht sie auf und leistet Widerstand? Oder schaut sie weg? Relativiert sie? Legitimiert sie? Rechte Gewalt passiert dort, wo es einen Resonanzraum dafür gibt. Da, wo man sich berechtigt und ermächtigt fühlt, im Namen einer schweigenden und damit zustimmenden Mehrheit.

Eine Antwort auf die 1990er Jahre

Die Gründung der Amadeu Antonio Stiftung ist die Antwort auf die 1990er Jahre, in denen ein Brandanschlag den nächsten jagte, in denen es unzählige Todesopfer rechter Gewalt gab. Eine Zeit, in der die Brand-Sätze in den Parlamenten Hand in Hand gingen mit den Brandsätzen, die in Unterkünfte und Wohnhäuser geschmissen wurden. Eine Zeit, in der das Grundrecht auf Asyl angegriffen und massiv eingeschränkt wurde und damit diejenigen gewannen, die in Wort und Tat Hass und Gewalt verbreiteten. 1998, das Gründungsjahr der Amadeu Antonio Stiftung, war auch das Jahr, in dem das Kerntrio des NSU untertauchte, bevor sie neun Menschen aus rassistischem Motiv ermordeten und drei Sprengstoffanschläge verübten.

Und heute? Rechtsextreme der „Identitären Bewegung“ verbreiten Hetze über Computerspiele, Verschwörungsgurus finden auf Telegram ein Millionenpublikum und der Kreml sät Desinformation in den sozialen Medien, um westliche Demokratien zu destabilisieren. Doch vieles bleibt beim Alten: Immer noch vergeht kein Tag, an dem Jüdinnen*Juden mit antisemitischem Hass konfrontiert sind. Immer noch wird gegen Schutzsuchende gehetzt. Immer noch müssen wir neue Namen in unsere Chronik der Todesopfer rechter Gewalt aufnehmen, aktueller Stand seit dem Fall der Mauer: 219.

Gemeinsam einen Unterschied machen

Die Herausforderungen, vor denen wir aktuell stehen, sind vielfältig und fordernd. Und der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ist kein Sprint, er ist ein Marathon. Was wir brauchen, ist der unermüdliche Einsatz, die Entschlossenheit und die Ausdauer der Menschen, die sich dagegen stellen. Es sind diejenigen, die in den sozialen Netzwerken Hass und Hetze widersprechen, die den Kampf gegen Rassismus ebenso zu ihrem Anliegen machen wie den Kampf gegen Antisemitismus, die sich vor Ort engagieren und ihrer Geschichte widmen.

Die 25 vergangenen Jahre haben uns gezeigt, dass es sehr viele Menschen gibt, die sich für demokratische Kultur einsetzen. Sie stellen sich gegen Verleugnung und Verdrängung, gegen Vereinfachung und Vergessen. Sie schützen Menschen, die bedroht werden. Sie machen jeden Tag den Unterschied. Aber sie brauchen Wertschätzung, Unterstützung, Ermutigung. Und das beginnt mit Ihrer Spende.

In diesem Geiste haben wir uns 1998 gegründet – und werden auch in den nächsten 25 Jahren nicht nachlassen, im Kampf für eine inklusive, gerechte und weltoffene Gesellschaft. Für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Antisemitismus. Ohne Wenn und Aber.

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Kommentar

Aus „Wir werden sie jagen“ werden Taten und wir alle sind mitgemeint — der Angriff auf Matthias Ecke

Am Freitagabend wurde der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Matthias Ecke, in Dresden beim Plakatieren für die Europawahl angegriffen und so schwer verletzt, dass er nicht ansprechbar war. Unsere Gedanken und unsere volle Solidarität sind bei Matthias Ecke und seinen Angehörigen. So erschüttert wir über den extremen Angriff sind, so wenig darf er uns überraschen. Es ist die logische Konsequenz aus “Wir werden sie jagen”, der von Alexander Gauland nach der Bundestagswahl 2017 vorgegebenen Stoßrichtung. Rechtsextremer Hass und Hetze fallen auf fruchtbaren Boden.

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