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„Es kann nicht sein, dass so etwas nun dazugehört“ – Newsletter Mai 2021

In eigener Sache

Liebe Leserinnen und Leser,

 

es scheint, als habe die Pandemie die Hassgesellschaft befeuert. Ob es daran liegt, dass die Leute mehr Zeit als früher an ihren Bildschirmen verbringen oder gelangweilt aggressiv mit der anstrengenden Situation von Lock-Down und Beschränkungen umgehen, werden wir sicher irgendwann in Studien erfahren. Fakt ist aber, dass Hass als Rhetorik und als Instrument vermeintliche Gegner fertigzumachen, zugenommen hat. Inzwischen weiß so ziemlich jeder, dass es gefährlich sein kann, Ziel von Hasstattacken zu werden. Denn die Folgen können verheerend sein. Inzwischen gibt es rechtsextreme misogyne und rassistische Hassgruppen, die es sich zum Programm gemacht haben, ganz bestimmte Menschen zu doxen, zu bedrohen und systematisch zu verfolgen. Und das nicht nur online. Gerade ist wieder ein Fall bekannt geworden. Die Schwarze Aktivistin Jasmina Kuhnke wurde belagert, rassistisch bedroht, ihr und ihren Kindern wurde aufgelauert - ein angstmachender Nervenkrieg gegen die Familie. Sie musste aus ihrer Wohnung fliehen und schließlich überstürzt umziehen.

 

Einige Initiativen, Künstler und Freunde haben daraufhin zu einer Spendenaktion aufgerufen, um die erheblichen Kosten zu überbrücken, die Frau Kuhnke entstanden sind. Diese Aktion geht aber über den Fall hinaus. Es ist ein Fonds entstanden, der gerade mutige Frauen unterstützen soll, die sich laut gegen Rechtsextremismus engagieren und in Folge dessen angegriffen werden. Sie sind keine Opfer, sagen die Initiatorinnen des Fonds, sondern eigentlich Heldinnen, weil sie sich engagieren, obwohl sie wissen, dass sie dann im Fokus von Angriffen stehen könnten. Deshalb heißt dieser Fonds „Sheroes“ – eine Verbindung der Wörter „she“ und „heroes“. Der Begriff und auch das Konzept des Helden klingt im Deutschen nicht gut. Aber „Sheroes“ trifft es gut. Es sind viele Spenden eingegangen, so dass Jasmina Kuhnkes Kosten bezahlt werden konnten und genug übrig ist, um anderen „Sheroes“ zu unterstützen. Ich danke Ihnen für dieses unbezahlbare Zeichen der Solidarität und für Ihr Vertrauen. Die Amadeu Antonio Stiftung wird diesen Fonds für viele andere betroffene Frauen einsetzen.

 

Es gab noch eine weitere Spendenaktion für eine jüdische Aktivistin, die einen besonders geschmacklosen antisemitischen Vorfall zur Anzeige brachte und damit selbst zum Ziel juristischer Attacken wurde. Jenny Havemann stieß auf ein weit verbreitetes Video, in dem ein junger deutscher ein Blech in einen Backofen schob und diesen Vorgang fröhlich mit den Worten kommentierte, das Blech möge doch Anne Frank Grüße bestellen. In der Auseinandersetzung bezeichnete Jenny Havemann den Mann als ‚Nazi‘ und muss nun deshalb vor Gericht. Für den antisemitischen Kommentar aber gab es keinerlei Entschuldigung oder Erklärung.

 

Solche Dinge geschehen jeden Tag. Das Netz ist voll mit Hass, Diffamierungen, rassistischen und antisemitischen Attacken. Gewiss beeinflusst diese Stimmung auch die Angriffe auf den Straßen. Journalisten werden auf Corona-Demos bedroht, Menschen werden rassistisch beleidigt und geschlagen, sogar Kinder und Jugendliche. Lokalpolitikerinnen stehen unter Dauerbeschuss. Gebäude werden beschmiert, Flugblätter mit Drohungen landen in Briefkästen, das alles geschieht überall in Deutschland. Besonders dicht sind die Vorfälle aber dort, wo es traditionell rechtsextreme Strukturen gab und heute die AfD viel Zulauf hat. Das sind vor allem die Ostdeutschen Bundesländer. Die Frequenz der Attacken ist hier besonders hoch, die staatliche Sicherheit dagegen besonders lückenhaft.

 

Dass trotz dieser Entwicklung so viele Menschen gegen Rassismus und Antisemitismus, gegen völkische Ideologien und Verschwörungsmythen aktiv sind, braucht ziemlich viel Mut und bedeutet Hoffnung. Die Menschen, die sich darauf einlassen, gerade junge Leute, gerade Frauen, sind ein Vorbild für alle in Zeiten des Hasses. Auf der Straße oder im Netz, die Bedrohungen sind enorm. Die zivile Gesellschaft darf diese Entwicklung nicht akzeptieren. Es kann nicht sein, dass so etwas nun „dazugehört“ wenn Menschen sich für demokratische Kultur engagieren. Deshalb ist es für uns politisch und auch moralisch wichtig, dass sich mehr Menschen trauen, sich nicht einschüchtern lassen und nicht zurückweichen. Die Amadeu Antonio Stiftung ist an ihrer Seite.

 

Herzliche Grüße
Ihre Anetta Kahane

Anetta Kahane. Foto: © Peter van Heesen

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