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Freedom roads! weist den Weg

Ronald Krüger, Berlin Postkolonial, c


Die deutsche Kolonialgeschichte gerät immer mehr in Vergessenheit oder wird verdrängt. Berlin Postkolonial möchte das Gedenken aufrecht erhalten. Vom 28. August bis zum 03. Oktober wird die von der Amadeu Antonio Stiftung geförderte Wanderausstellung „freedom roads!“ in Berlin gezeigt. Sie thematisiert nach Kolonialherren benannte Straßen und regt die Umbenennung nach Personen des afrikanischen Widerstandes an.

Die Spuren der Kolonialvergangenheit ziehen sich durch viele europäische Stadtlandschaften in Form von Straßennamen, die an eroberte Gebiete und koloniale Akteure erinnern. Durch zahlreiche Initiativen wurden in den letzten Jahren in vielen europäischen Städten endlich die Weichen für eine kritische Auseinandersetzung mit kolonialen Bezeichnungen gestellt. Doch in Berlin sind Straßen, die nach kolonialen Akteuren benannt sind, bis heute präsent. „Petersallee“, „Lüderitzstraße“ und „Nachtigalplatz“ heißen drei Straßen, welche ein breites Bündnis von Organisationen und Einzelpersonen umbenennen möchte. Sie befinden sich im „Afrikanischen Viertel“ im Berliner Stadtteil Wedding, welches bereits vor dem ersten Weltkrieg gebaut wurde. Im angrenzenden Vorlkspark „Rehberge“ plante der Hamburger Zoobesitzer Carl Hagenbeck, der nicht nur exotische Tiere, sondern in so genannten „Völkerschauen“ auch Menschen präsentierte, die Errichtung eines großen Tierparks. Die drei Straßen wurden nach den Begründern deutscher Kolonien in Afrika, Carl Peters, Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal benannt.

Freedom roads! weist den Weg

Für Berlin Postkolonial gibt es gleich mehrere Anlässe mit „freedom roads!“ eine Ausstellung genau dieses Jahr in Berlin zu präsentieren. Der 125te Jahrestag der Berliner Afrika-Konferenz von 1884/1885 und die damit verbundene „Aufteilung Afrikas“ sowie der deutsche Einstieg in die Kolonialpolitik ist das erste, unerfreuliche Jubiläum. Das positive Jubiläum ist das sogenannte „Afrikanischen Jahr“1960, in welchem 17 Kolonien in Afrika ihre Unabhängigkeit errangen. 2010 feiern diese 17 afrikanischen Staaten den 50ten Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Unter ihnen befinden sich mit Kamerun und Togo auch zwei der ehemaligen deutschen Kolonien. Tansania wird im nächsten Jahr feiern und Namibia begeht 2010 sein 20jähriges Bestehen.

Berlin Postkolonial möchte einen Beitrag zur antirassistischen kolonialkritischen Erinnerungskultur leisten. Die Ausstellung „Freedom roads!“ geht auf die verheerenden Hinterlassenschaften der Kolonialakteure Peters, Lüderitz und Nachtigal ein und berichtet über die Hintergründe ihrer Ehrung in Berlin. Durch den Bezug zu konkreten Straßen und Ereignissen in Berlin wird globales Wissen lokal vermittelt. Bei der Suche nach potenziellen neuen Namensgeberinnen und Namensgeber liegt der Schwerpunkt auf Frauenbiografien, die bisher kaum erforscht und bekannt geworden sind. Als positives Beispiel dient die Umbenennung des „Gröbenufer“ in „May-Ayim-Ufer“ im Februar dieses Jahres. Das „Gröbenufer“ war nach dem Mitbegründer der Kolonie Groß-Friedrichsburg im heutigen Ghana, Otto Friedrich von der Gröben, benannt. May Ayim war eine Berliner Dichterin und Pädagogin, die sich mit der Geschichte des Kolonialismus und mit Rassismus auseinandersetzte.

Keine Verdrängung, Auseinandersetzung!

Weiteres Anliegen der Ausstellung ist die Vermittlung von Wissen über die Befreiung der afrikanischen Länder vom europäischen Kolonialismus. Durch filmische Portraits und Interviews mit afrikanischen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die eindrücklich ihre ganz persönlichen Erinnerungen an den die Zeit schildern, wird die Aufbruchsstimmung zu Beginn der 1960er Jahre lebendig vermittelt. Durch eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialerbe soll „freedom roads!“ zu einem Dialog führen, der nach Möglichkeiten transkultureller Erinnerung sucht und zu einem respektvollen Miteinander von Menschen afrikanischer und europäischer Herkunft beiträgt.

Berlin Postkolonial erhofft sich mit „freedom roads!“ Leute aus diversen sozialen Kontexten und verschiedenen Altersgruppen anzusprechen. Unter ihnen sind Jugendliche, die im Rahmen von schulischen Projekttagen zur Ausstellung eingeladen werden. Mit eigenen Medienprojekten werden sie zu dem Thema arbeiten. Auch Studierende werden angesprochen, da man sich von ihnen eine stärkere Integration postkolonialer Themen in ihre Forschungsarbeiten wünscht. Lehrerinnen und Lehrer sollen mit Unterrichtsmaterialien ausgestattet werden. Vor allem aber sollen Mitglieder der afrikanischen Communities sowie Anwohnerinnen und Anwohnern vor Ort zur Beteiligung an Debattte und Ausstellung eingeladen werden.

Die Botschaft wird weitergetragen

Entstanden ist die Ausstellung in enger Zusammenarbeit mit der Hamburger Künstlerin HM Jokinen und zahlreichen Expertinnen und Experten aus Deutschland und Afrika. Dass Berlin nicht der einzige Ausstellungsort sein wird, steht bereits fest. In Städten wie Hamburg, München, Weimar, St. Gallen/Zürich und Frankfurt/Main besteht jetzt schon konkretes Interesse. Die Ausstellung soll von 2010 bis 2012 durch die Schweiz und Deutschland wandern und um Informationen über koloniale Straßennamen in diesen Städten angereichert werden. 2012 wird „freedom roads!“ erneut in Berlin präsentiert. Durch die Anreicherung erhofft sich Berlin Postkolonial, dass „freedom roads!“ 2012 einen bundesweiten Überblick zur Straßenthematik geben kann. Als Abschluss des Wanderausstellungsprojektes wird es ein internationales Treffen postkolonialer Initiativen zur Thematik kolonialer Straßennamen geben.

von Johanna Eisenhardt

Freedom roads!
Galerie August Bebel Institut im Kurt-Schumacher-Haus
Müllerstraße 163, Berlin-Wedding
Datum: 28.08.2010 – 03.10.2010

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„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

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