Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Lass die Erinnerung wachsen

Flyer zum Projekt "Fontanepromenade 15"

Nur durch Zufall wurde eine engagierte Bewohnerin des Berliner Stadtteils Kreuzberg auf die Geschichte eines Hauses in der Nachbarschaft aufmerksam. Aus der ersten Recherche entstand mit Förderung der Amadeu Antonio Stiftung ein eindrucksvolles Stadtteilprojekt.

Ab Mai 2013 sollen wilde Sonnenblumen im Stadtteil Kreuzberg wachsen und an die Vorgeschichte des Hauses in der Fontanepromenade 15 erinnern. Dieses diente 1938-1945 als „Zentrale Dienststelle für Juden des Arbeitsamtes Berlin“. Hier wurde über Zwangsarbeit und später auch über Deportationen von Berliner Juden entschieden.

Der Mitmach-Teil des Erinnerungsprojektes „Fontanepromenade 15“ startete Anfang April 2013. Von den Projektträgern wurden Kitas, Schulen, Jugend- und Nachbarschaftseinrichtungen, Märkte und Kulturzentren in der Umgebung des Gebäudes aufgesucht, um über die Geschichte der Fontanepromenade 15 zu erzählen. An alle besuchten Orte und in der Nachbarschaft wurden Postkarten zusammen mit einem Tütchen Sonnenblumensamen verteilt, die in die Vorgärten und öffentlichen Grünanlagen im Umkreis gepflanzt werden können. Das Pflanzen steht als Zeichen der aktiven Teilnahme am Erinnerungsprojekt für eine große Anzahl an Menschen und das gemeinsame Sichtbarmachen dieser Geschichte.

„Die Idee der Sonnenblumen rührt daher, dass die angrenzende Kita auf der Rückseite des Hauses der Fontanepromenade 15 viele große Sonnenblumen gemalt hat. Im Bezug darauf möchten wir die Blumen in die Nähe des Gebäudes und ins nähere Umfeld pflanzen“, so Markus Runge vom Nachbarschaftshaus Urbanstraße.

Die Präsentation der „Judenbank“

Am 23. Mai 2013 ab 16 Uhr wird vor der Fontanepromenade 15 eine Eröffnungsfeier stattfinden. Eine Erinnerungssäule und eine gelbe Parkbank werden dann auf die Geschichte des Orts hinweisen. Eine weitere Litfaßsäule mit Dokumentation und Biographien wird auf die Aktion schon im Vorfeld aufmerksam machen und für die Dauer von 6 Monaten am U-Bahnhof Südstern aufgestellt sein. Die Litfaßsäule ist eine Kooperation mit den Kulturprojekten Berlin, die das Themenjahr “Zerstörte Vielfalt. Berlin 1938 – 1945” koordinieren, in dem das Projekt integriert ist.

Das Umstreichen der Parkbank in die Farbe Gelb verweist auf die sogenannten „Judenbänke“ der NS-Diktatur. Ab 1938 wurden spezielle Parkbänke für Juden in öffentlichen Grünanlagen Berlins aufgestellt. Diese waren mit der Aufschrift “Nur für Juden” und einem mattgelben Farbanstrich versehen. Dies war auch der Fall im Bereich der Fontanepromenade 15. Anwohner und Anwohnerinnen hatten sich beschwert, dass die Menge vor dem Arbeitsamt Wartenden die Bänke zum Sitzen und Warten nutzen würden und ihnen dadurch ihre Verweilmöglichkeit streitig machten. Die Stadt setzte deshalb diese gelb gestrichenen Bänke ein, um die Nachbarschaft und die NSDAP-Ortsgruppe „Urban“ zu befrieden.

Weiterhin wird eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Haus und seiner Geschichte im Nachbarschaftshaus zu sehen sein. Unter anderem gibt es Fotografien von Martin Albrecht, eines Schülers der Fotoschule Ostkreuz, eine Filmarbeit von Liane Lang, einer Londoner Künstlerin der Royal Academy, und einen Film mit der Kurzdokumentation der Geschichte von Christina Voigt und Stella Flatten. Außerdem findet ein Klavierkonzert der britisch-jüdischen Pianistin und Komponistin Julie Sassoon statt. Die deutschstämmige Familie der bekannten Jazz-Pianistin floh 1939 von Nazi-Deutschland nach England. Die Veranstaltungen bieten eine offene Austauschmöglichkeit mit und für Nachbarschaft und Interessierte.

Geschichte bewusst machen – über Zusammenleben nachdenken

Markus Runge sagt: „Unser Anliegen ist es, dass viele Menschen an der Erinnerungsveranstaltung teilnehmen. Wir wollen aber auch, dass die Menschen in der Nachbarschaft sich überhaupt der Geschichte der Fontanepromenade 15 bewusst sind und dass sie miteinander ins Gespräch kommen über das Zusammenleben heute. Wir hoffen auf viel Begegnung.“

Dank der Arbeit Arbeit und intensiven Recherche einer Anwohnerin entstand ein eindrucksvolles Stadtteilprojekt mit einer Vielzahl Projektbeteiligter. Die Amadeu Antonio Stiftung fördert die Projektumsetzung, weil es eine sichtbare Form der Erinnerungskultur erprobt und ein breites gesellschaftliches Umfeld dabei einbezieht.

Wir laden Sie am 23.5. herzlich ein zur großen Erinnerungsveranstaltung zum Gebäude in der Fontanepromenade 15, bei der auf die Vergangenheit dieses historischen Ortes aufmerksam gemacht werden soll.
Weitere Infos zum Ablauf der Veranstaltung finden Sie hier.

Von Jessica Lütgens

Weiterlesen

Nickolas(3)
Interview

Schule, aber rechts: Was tun gegen rechtsextreme Schüler*innen und Eltern?

Vor wenigen Tagen warnten die Schülervertretungen aller ostdeutschen Bundesländer vor wachsenden Rechtsextremismus. Inzwischen belegen auch Zahlen aus den Ländern diesen Eindruck: Nicht nur
im Osten haben sich rechtsextreme Vorfälle an Schulen vervielfacht. Rechtsextreme Cliquen auf dem Schulhof, Hakenkreuzschmierereien im Klassenzimmer und überforderte Lehrer*innen mittendrin. Was tun? Unser Kollege Benjamin Winkler klärt auf.

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.