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„Lauingers. Eine Familiengeschichte aus Deutschland“

© LSVD

Ein Leben zwischen Nationalsozialismus, Swing und § 175: Er war ein so genannter „Halbjude“, Swingbube und schwul. Drei Gründe für die Gestapo, Wolfgang Lauinger zu verfolgen. Die Amadeu Antonio Stiftung förderte seine autobiographische Lesung .

Sein Vater Artur Lauinger wird 1937 als vermutlich letzter jüdischer Journalist in Deutschland entlassen. Dreißig Jahre lang hatte er für die renommierte Frankfurter Zeitung gearbeitet. Als er 1939 zur Emigration nach London gezwungen wird, lässt er seinen damals 20jährigen Sohn in Deutschland zurück, damit dieser „dem Vaterland“ – sprich: der Wehrmacht – diene. 1940 wird Wolfgang Lauinger als „Halbjude“ aus der Wehrmacht entlassen. In Frankfurt schließt er sich einer Gruppe von Swingjugendlichen an, die sehr schnell die Aufmerksamkeit der Gestapo auf sich zieht. Doch auch nach der Befreiung ist die Verfolgung für ihn nicht zu Ende. 1950 wird er in der Bundesrepublik wegen des Verdachts, gegen den § 175 verstoßen zu haben, verhaftet. Die beeindruckende Lebensgeschichte erzählt Bettina Leder in „Lauingers. Eine Familiengeschichte aus Deutschland“.

Vergangenes Wochenende fand im Berliner Centrum Judaicum die Buchpremiere statt – Eine gemeinsame Veranstaltung des LSVD, der Amadeu Antonio Stiftung, der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Hentrich & Hentrich und der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Mit dabei der nun mehr 96-jährige Wolfgang Lauinger.

Er berichtete von seinem Überleben im Dritten Reich und der Anklage wegen Verstoßes gegen den § 175 im Jahr 1950. Anders als 75 Beklagte wurden er und 24 weitere mangels Beweisen frei gesprochen. Die Gestapo hatte bereits 1941 /42 gegen ihn ermittelt. Erfolglos, was vor allem dem Schweigen des damals 16-jährigen Franz Kremer zu verdanken war: Auch unter Folter hatte er nicht gegen Wolfgang Lauinger ausgesagt. Allerdings ist Wolfgang Lauinger davon überzeugt, dass 1950 den Ermittlungsbehörden die Akten aus 1941/42 vorlagen — denn im Verhör wurde er auf die Vorgänge 1941 angesprochen. Obwohl ihm nichts nachgewiesen werden konnte, saß er 1950 / 51 8 Monate in Untersuchungshaft.

Für homosexuelle Männer galt die 1935 unter den Nationalsozialisten verschärfte Version noch bis 1969. Obwohl die Alliierten die nationalsozialistische Gesetzgebung entschärfen wollten, bestanden Konrad Adenauer und sein Familienminister Franz-Josef Würmeling auf der Diskriminierung, um die Restauration des christlichen Familienbildes befördern. Diese konservative Traditionslinie scheint bei der Union noch immer zu wirken, wenn sie die gleichgeschlechtliche Ehe weiter verhindert. Auch die 50.000 nach § 175 verurteilten Männer sind weiterhin nicht rehabilitiert. Die Profilierung Konservativer auf Kosten von Minderheiten dauert an. Das stellten auch Volker Beck und Andreas Pretzel in der anschließenden Gesprächsrunde heraus.

Der LSVD fordert die Rehabilitierung der verurteilten Männer. Eine Ablehnung aus formalen Erwägungen ist vorgeschoben. Es sind Scheinargumente. Diese Strafbestimmungen waren von Anfang an grundgesetzwidrig. Die auf verfassungswidrigen Grundlagen ergangenen Urteile können aufgehoben werden. Sie müssen aufgehoben werden, und zwar schnell, damit Verfolgten noch zu ihren Lebzeiten Gerechtigkeit widerfährt.

Von Helmut Metzner, LSVD-Bundesvorstand
Der Artikel erschien zuerst auf
www.lsvd-blog.de, mit freundlicher Genehmigung

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