Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Hier wirkt Ihre Spende

Laut, entschlossen und hartnäckig: die Omas gegen Rechts halten beim ersten Bundeskongress in Erfurt dagegen

Es grenzt an ein Wunder, eine Demokratiebewegung, mit der niemand gerechnet hat und auf einmal waren sie da: Seit 2018 bilden sich bundesweit immer mehr Regionalgruppen der Omas gegen Rechts. Ihr gemeinsames Ziel: der rechtsextremen Normalisierung in Deutschland etwas entgegenzusetzen.  Unter dem Motto „Demokratie gemeinsam schützen: Jetzt!“ fand, unterstützt von der Amadeu Antonio Stiftung, der erste Bundeskongress vom 2. bis 4. August 2024 im Erfurter Landtag statt. 

Von Vera Ohlendorf

Mit bunten Hüten, großen Plakaten und kreativen Protestliedern sind sie auf jeder Kundgebung gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Menschenhass anzutreffen, selbst im ländlichen Räumen ist auf sie Verlass: Die Omas gegen Rechts sehen sich selbst als die größte Frauenbewegung der Gegenwart und zählen bereits über 30.000 Mitglieder. 300 von ihnen sind zum ersten Bundeskongress in den Thüringer Landtag gekommen und haben auch Opas, Kinder und Enkel mitgebracht. Sie alle eint das Ziel, sich endlich außerhalb von Zoom-Konferenzen kennenzulernen, sich zu vernetzen und auszutauschen.

Vor den Thüringer Landtagswahlen über Folgen rechtsextremer Politik aufklären 

„Wir sind vor allem hier, um Energie zu tanken“, sagen zwei Omas, die aus Dresden und Döbeln nach Erfurt gekommen sind. Viel Energie ist nötig, um bei den wachsenden Zustimmungswerten für rechtsextreme Parteien nach wie vor deutlich und sichtbar gegen Hass und Hetze einzutreten. Die Thüringer Landtagspräsidentin Birgit Pommer bringt es in ihrem Grußwort auf den Punkt: „Sie tun diese Arbeit nicht für sich, Sie tun es für Ihre Kinder und Enkel, die nicht in Zeiten des Rechtsextremismus oder in einer Autokratie leben sollen!“. Die Zeit des Nationalsozialismus dürfe sich weder in Deutschland noch anderswo wiederholen. Wie bei der Klimagerechtigkeitsbewegung geht es um zukünftige Generationen, um Weitsicht und eine politische Vision für ein gutes Leben für alle Menschen.

Der Thüringer Landtag ist als Ort des ersten Bundeskongresses nicht zufällig gewählt: Im angrenzenden Gebäude, in dem die Abgeordneten ihre Büros haben, befindet sich eine ehemalige Haftzelle der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei des Nationalsozialismus, die heute als Gedenkort öffentlich zugänglich ist. Im Beethovenpark, der neben dem Landtag liegt, wurde erst im Juni 2024 ein Mahnmal für die Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU eingeweiht. Die Omas wollen mit Blick auf die kommenden Landtagswahlen gerade hier ein deutliches Zeichen für den Erhalt der Demokratie setzen. Die Landtagsverwaltung hatte im Vorfeld des Kongresswochenendes mehrere Anfragen von AfD und CDU erhalten, die die Wahl des Veranstaltungsortes kritisch sehen. Denn die Omas sind durchaus unbequem und streitbar, im besten demokratischen Sinn. Das merkt man auch beim Bundeskongress.

Platz nehmen, wo sonst auch die AfD und Björn Höcke sitzt – die Omas gegen Rechts übernehmen den Thüringer Landtag.

Energie und Lebenserfahrung teilen

Im voll besetzten Plenarsaal stießen Vorträge und eine Podiumsdiskussion auf großes Interesse. Prof. Andreas Zick vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung nahm in seinem Input Bezug auf die Ergebnisse der Bielefelder “Mitte-Studie”, die eine zunehmende Zustimmung zu rechtsextremen Ideologien und menschenfeindlichen Einstellungen in der Gesamtbevölkerung nachweist. Die Stärke der Omas gegen Rechts bestehe darin, dass sie selbst Unentschlossene erreichen könnten, die noch kein gefestigt rechtsextremes Weltbild vertreten. Im persönlichen Gespräch gelingt es den Omas oftmals, die Konsequenzen rechtsextremer Politik aufzuzeigen, etwa für Frauen, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder für Rentner*innen. Dort, wo sich Angebote der politischen Bildung nach wie vor schwer tun, setzen die Omas an. Mit viel Empathie und Demokratie.

Das kommt bei den Omas gut an: „Ich bin erschüttert, dass so viele Menschen Gewalt als legitimes Mittel ansehen, um politische Ziele durchzusetzen“, so Renate Wanner-Hopp von den Omas gegen Rechts Erfurt, die den Bundeskongress mitorganisiert hat. „Aber wir sind es, die die positiven Geschichten der Demokratie erzählen können, weil wir sie miterlebt haben. Wir machen anderen Mut“, so Wanner-Hopp weiter. Anna aus Baden-Württemberg, die damals am 27. Januar 2018 die erste Gruppe der Omas gegen Rechts in Deutschland gegründet hat, bekam aufgrund ihres Engagements bereits Morddrohungen. „Aber wir dürfen uns keine Angst machen lassen! Zusammen sind wir stärker!“, sagt sie.

Für eine lebendige Demokratie streiten, in der Menschenrechte nicht verhandelbar sind

Stark und kreativ: Die Omas gegen Rechts organisieren nicht nur Demonstrationen und Kundgebungen. Viele Gruppen arbeiten mit Schulklassen und klären mit unterschiedlichen politischen Bildungsformaten über Rechtsextremismus, Antifeminismus und Rassismus auf. Andere organisieren Infostände und suchen das direkte Gespräch mit Passant*innen und Nachbar*innen. Den unterschiedlichen Formen der Beteiligung sind keine Grenzen gesetzt. Die Omas gegen Rechts in Erfurt etwa haben den lokalen Ort der nationalsozialistischen Bücherverbrennung 1933 recherchiert und konnten durch ihre geschickte Öffentlichkeitsarbeit und Beharrlichkeit den Stadtrat davon überzeugen, der Errichtung eines interaktiven Gedenk- und Lernorts zuzustimmen. Der Erinnerungsort soll nun im kommenden Herbst eingeweiht werden.

Von wegen Silver Surfer, die Omas erobern auch das Internet

Um ihre Expertisen zu vertiefen und neue Ideen zu entwickeln, nahmen die Omas an insgesamt 14 Workshops zu Argumentations- und Kommunikationstechniken, zur Bildung von Partner*innenschaften zwischen west- und ostdeutschen Oma-Gruppen, zu völkischen Siedler*innen oder zum Umgang mit Hass im digitalen Raum teil. Außerdem entwickelten sie gerade Konzepte, um die Präsenz ihrer Demokratiearbeit auf TikTok zu erhöhen. Das geht dann auch generationsübergreifend und schafft wichtige Brücken.

Zum Abschluss des Kongresses taten die Omas das, was sie am besten können: Demonstrieren, Präsenz zeigen und deutlich machen, dass Demokratie nicht verhandelbar ist. Für die Abschlussdemonstration, die durch die Erfurter Innenstadt zog, konnten so mehr als 800 Menschen mobilisiert werden. Nach dem Kongress sind sich die Omas sicher: Sie bleiben in Kontakt und am Ball. Ein zweiter Bundeskongress ist für 2025 in Nordrhein-Westfalen geplant. Außerdem wollen sie einen Dachverband gründen, denn: Widerstand statt Ruhestand – Diese Omas braucht das Land!

Ganz egal woher die verschiedenen Regionalgruppen aus ganz Deutschland angereist waren, fest steht am 1. September, bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg blicken alle Omas gegen Rechts nach Osten.

Weiterlesen

1(2)

Ostdeutschland am Scheideweg: Wie weiter nach der “Schicksalswahl” in Thüringen und Sachsen?

Die Ergebnisse stehen nicht für ein gemeinsames Signal gegen Rechtsextremismus, sondern ein Hinterherrennen hinter Themen der AfD mit fatalen Folgen: Die Brandmauer gegen Rechts schwindet, es kommt zu fatalen Diskursverschiebungen bei Schlüsselthemen der AfD und zu einem Gewöhnungseffekt an eine regressive Politik. Ein populistischer Wahlkampf demokratischer Parteien auf dem Rücken von Minderheiten zahlt letztlich auf das Konto der AfD ein.

TMYXXTQJ25C4LEP7VHDCM4CDVQ
Hintergründe

Rechtsgutachten stärkt sächsischen Vereinen den Rücken: Auch wer staatliche Fördermittel erhält darf vor rechtsextremer Politik warnen

Welche Verpflichtungen erwachsen Organisationen der Demokratie- und Jugendarbeit als Empfängern von Fördermitteln? Ein neues Gutachten zum Neutralitätsgebot stärkt Vereine in Sachsen! Auch wer staatliche Fördermittel erhält, darf vor der Politik rechtsextremer Parteien warnen und muss sie nicht in Formate einbeziehen, wenn das eigenen Zielen widerspricht.

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.