Der Antrag „Staatliche Finanzierung der Amadeu Antonio Stiftung aus Bundesmitteln beenden“, den die AfD-Fraktion im Bundestag eingebracht hat, ist inhaltlich schwach, abgeschrieben aus dem Transparenzregister des Bundestages und keine besondere investigative Leistung der AfD – aber dennoch politisch brandgefährlich.
Die AfD will der Stiftung finanziell die Grundlage entziehen – um uns zum Schweigen zu bringen und vor allem um unsere Arbeit zu verhindern. Dazu bringt sie einige altbekannte Vorwürfe gegen die Stiftung ins Feld, die jeder Grundlage entbehren. Wir erklären, warum sie an den Haaren herbeigezogen sind:
Vorwurf Nr. 1: Angeblich „fehlende parteipolitische Neutralität“
Rechtsextreme haben das sogenannte „Neutralitätsgebot“ zum Kampfbegriff gemacht. Seit Jahren bringt die AfD es gegen Vereine, Verbände oder Stiftungen in Stellung, die ihnen unliebsame Haltungen vertreten, gegen menschenverachtende Aussagen und Rechtsextremismus Stellung beziehen. Dabei ist die Behauptung, diese Träger müssten sich „neutral“ verhalten und dürften sich nicht positionieren, schlicht falsch, durch juristische Gutachten und in Praxishandreichungen widerlegt.
Das Gemeinnützigkeitsrecht verlangt nicht Neutralität gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen, sondern die Förderung demokratischer Strukturen. Die kritische Auseinandersetzung mit Tendenzen, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung gefährden, ist daher nicht nur rechtlich zulässig. Sie ist sogar notwendig für die Erfüllung des Stiftungszwecks, insbesondere zur Prävention von Rechtsextremismus und Antisemitismus.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist die Basis für alle gemeinnützigen Initiativen – das gilt auch für die Amadeu Antonio Stiftung. Wir arbeiten im Einklang mit demokratischen Werten: Achtung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Gewaltenteilung, Volkssouveränität und einem starken Mehrparteiensystem.
Ein solches Neutralitätsgebot für die Zivilgesellschaft existiert juristisch nicht. Das Grundgesetz ist nicht neutral gegenüber den Feinden der Demokratie. Und wer es verteidigt, kann und darf es auch nicht sein.
AfD-Lüge Nr. 2: „Mögliche Zweckentfremdung von Mitteln“
Die staatlichen Zuwendungen der Amadeu Antonio Stiftung fließen in bundesweit wirksame Präventions- und Bildungsarbeit. Der Antrag der AfD listet akribisch alle Projektmaßnahmen auf, für die die Stiftung zweckgebundene Zuwendungen der öffentlichen Hand erhält. All diese Informationen sind im Transparenzregister des Bundestags öffentlich einsehbar und alles andere als ein Geheimnis, das die AfD enttarnt.
Die Stiftung bewirbt sich, wie andere Träger auch, mit pädagogischen Konzepten auf Ausschreibungen im Rahmen von Förderprogrammen. Die Anträge werden von Expert*innen nach einem standardisierten Verfahren begutachtet. Der Projektverlauf wird durch wissenschaftliche Einrichtungen evaluiert und die Projekte dabei nach wissenschaftlichen Kriterien und Verfahrensweisen bewertet.
Auch die sachgerechte Verwendung der Mittel wird gründlich geprüft: von den Mittelgeber*innen genauso wie vom Finanzamt. Nachdem die AfD bereits vor zwei Jahren versucht hat, uns die Gemeinnützigkeit aberkennen zu lassen, hat das Finanzamt Berlin uns nach eingehender Prüfung anstandslos bestätigt, dass die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung den Anforderungen der Gemeinnützigkeit entspricht.
Weil die AfD auf diesem Weg gescheitert ist, bringt sie die „Causa Rammstein“ ins Spiel: Dabei geht es um eine Spendenaktion der Amadeu Antonio Stiftung: Sie sammelte auf eine Initiative Prominenter Spenden für Kosten von Anwält*innen- und Therapiekosten von Frauen, die sich im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den Sänger der Band als Betroffene gemeldet hatten. Dank der überwältigenden Unterstützung konnte die Stiftung die Einrichtung des Fonds Tilda zur Unterstützung von Betroffenen geschlechtsspezifischer Gewalt ermöglichen. Die Stiftung informierte darüber völlig transparent sowohl die Öffentlichkeit als auch alle Spender*innen – die die Möglichkeit hatten, ihre Spende zurückzufordern, wenn sie mit der Verwendung nicht einverstanden waren.
Egal ob Spenden oder staatliche Zuwendungen: Die Mittelverwendung der Amadeu Antonio Stiftung ist transparent und wird unabhängig geprüft.
Aber erinnert ihr euch noch an die Spendenskandale der AfD, bei denen es immer wieder um illegale Parteispenden ging?
Tatsachenverdrehung Nr. 3: „Kritische Haltung gegenüber den Grundwerten unserer Gesellschaft“
Die Amadeu Antonio Stiftung steht für die Verteidigung der Grundwerte unserer Gesellschaft: Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Das bedeutet, dass wir Missstände offen benennen, auf gesellschaftliche Gefahren hinweisen und Menschen stärken, die sich aktiv für eine offene Gesellschaft einsetzen.
Wenn die AfD dies als „kritische Haltung gegenüber den Grundwerten“ darstellt, verkennt sie nicht nur unsere Arbeit, sondern offenbart gleichzeitig ihre eigene Agenda: Wer die Verteidigung demokratischer Prinzipien als Problem ansieht, hat selbst die Grundwerte unserer Gesellschaft nicht verinnerlicht.
Eine Demokratie lebt von kritischen Stimmen, von Debatte, von Aufklärung und freier Meinungsbildung. Wer kritische Stimmen mundtot machen will, wie es die AfD mit ihrem Antrag gegen die Stiftung beabsichtigt, will die Meinungsfreiheit einschränken und die Demokratie in ihren Grundfesten angreifen. Welche Grundwerte die AfD vertritt, lässt sich im Gutachten des Verfassungsschutzes zur Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ nachlesen.
Verleumdung Nr. 4: „Verbindungen in ein politisch extremes Umfeld“
Die AfD wirft der Stiftung „Verbindungen in ein politisch extremes Umfeld“ vor – und das ist vor allem eine Aussage über die Rechtsextremen selbst. Die Stiftung ist extrem demokratisch und vernetzt in eine bundesweite Landschaft des Engagements gegen Rechtsextremismus und für Demokratie.
Es wundert nicht, dass das die AfD stört, ist sie doch selbst der parlamentarische Arm eines gewaltbereiten Rechtsextremismus, mit Verbindungen ins Reichsbürger-Milieu bis hin zum Rechtsterrorismus. Im März 2024 ergaben Recherchen des Bayerischen Rundfunks, dass die Partei im Bundestag mehr als 100 Personen aus Steuermitteln beschäftigt, die von deutschen Verfassungsschutzämtern als rechtsextrem eingestuft werden.
Die regelmäßige Diffamierung und Verleumdung der Amadeu Antonio Stiftung durch Rechtsextreme hat konkrete Folgen: Die Stiftung und ihre Mitarbeiter*innen sind seit Jahren regelmäßig Ziel von Hass und Bedrohungen bis hin zu Morddrohungen, wie BKA und LKA bestätigen. Die Stiftung und die langjährige Vorsitzende Anetta Kahane standen auf rechtsextremen Feindeslisten; der rechtsextreme Bundeswehroffizier Franco A. hatte die Büros der Stiftung ausgespäht und als potenzielles Anschlagsziel ins Auge gefasst.
Pseudo-Skandal Nr. 5: „Staatliche Alimentierung von Denunziantentum“
In ihrem Antrag bringt die AfD die Meldestelle Antifeminismus ins Spiel, die im Rahmen einer staatlichen Förderung ins Leben gerufen wurde. Die Anlaufstelle verfolgt das Ziel, Betroffenen Unterstützungsangebote zu vermitteln und Erfahrungen und Perspektiven sichtbar zu machen. Alle Meldungen und Daten werden anonymisiert. Damit kommt die zivilgesellschaftliche Erhebung einem Bedarf nach, den bereits 2021 die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bekämpfung von geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten“ formulierte. Denn antifeministische Vorfälle wurden bisher nicht systematisch erfasst. Die Meldestelle unterstützt so Rechtsstaat und Politik, verbessert den Opferschutz und trägt dazu bei, dass Bedrohungen und Gewalt gegen Frauen, queere Personen und geschlechtliche Minderheiten auf empirischer Basis ernst genommen werden. Seit 2025 ist die Meldestelle bei einem neuen Träger mit einer weiterentwickelten Konzeption aufgehangen.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die AfD gegen ein angebliches „Denunziantentum“ wettert, während sie selbst mit ihrem Portal „Neutrale Schule“ zum Melden von Lehrkräften aufruft, die vermeintlich gegen das Neutralitätsgebot verstießen, sowie das „Meldeportal – Gewalt an Schulen“.
Skandalisierung Nr. 6: Die Vergangenheit von Anetta Kahane
Unter den „Skandalen“, die die AfD der Stiftung zuschreibt, listen die Rechtsextremen auch die Vergangenheit der Stiftungsgründerin Anetta Kahane auf. Ihre frühere – und längst aufgearbeitete – Tätigkeit für die Staatssicherheit der DDR mache sie und die von ihr gegründete Amadeu Antonio Stiftung unglaubwürdig im Einsatz für Demokratie und Menschenrechte. Kahane wurde als Jugendliche in der DDR vom Ministerium für Staatssicherheit erpresst, eine Zusammenarbeit einzugehen, die sie aus eigenem Entschluss mehrere Jahre vor dem Ende der DDR beendete – mit erheblichen persönlichen und beruflichen Konsequenzen. Seither setzt sich Kahane unermüdlich für Demokratie, Minderheitenschutz und jüdisches Leben in Deutschland ein. Als Jüdin und Vorkämpferin gegen Rechtsextremismus wurde sie unter Rechtsextremen zur Projektionsfläche, zum Feindbild Nummer 1. schlechthin und wird bis heute systematisch angefeindet, auch als Symbolfigur einer angeblichen „jüdischen Weltverschwörung“, einer zutiefst antisemitischen Erzählung. Nach 1989 hat sie ihre Geschichte offen aufgearbeitet und ein unabhängiges Gutachten über ihre Stasi-Akte veröffentlichen lassen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass aus der Stasi-Tätigkeit Anetta Kahanes niemandem persönliche Nachteile entstanden sind.
Anetta Kahane hat den Vorsitz der Stiftung 2022 abgegeben. Bis heute wird sie genau wie die Stiftung mit der Stasi-Vergangenheit konfrontiert, obwohl diese vollumfänglich aufgearbeitet wurde.
Es ist schon verwunderlich, dass gerade die AfD eine Stasi-Vergangenheit so sehr in den Fokus rückt. Denn die AfD hat selbst mehrere hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter in den eigenen Reihen und sogar in Landesparlamente und den Bundestag gesetzt. Und das, obwohl sie diese Tätigkeit teils bis zum Ende der DDR ausgeübt und nie aufgearbeitet haben.
Maßlose Übertreibung Nr. 7. „Stiftung ist immer wieder in Skandale verwickelt“
All die oben genannten Vorwürfe lässt die AfD in ihrem Antrag in ein pauschales Urteil über die Stiftung münden: Die Amadeu Antonio Stiftung sei „immer wieder in Skandale verwickelt, die eine Förderung aus Bundesmitteln für die Zukunft ausschließen“. Inwiefern die leicht zu entkräftenden Tatsachenverdrehungen der Rechtsextremen einen solchen Ausschluss begründen, lassen sie offen.
Die vermeintlichen Skandale inszeniert im Wesentlichen die AfD selbst. Unterstützt werden die parlamentarischen Angriffe von einem Netzwerk rechts-alternativer Medien, die Fakten verzerren und irreführende Informationen verbreiten.
Trotz der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ fließen weiterhin gewaltige Summen staatlicher Gelder an die Partei und ihre Kader. Mehr als 120 Millionen an Steuermitteln zahlt der Bund Jahr für Jahr an eine Partei, deren Verfassungsmäßigkeit in Frage steht, die Grundsätze des Rechtsstaats und Menschenrechte in Frage stellt und die Demokratie angreift – und das nur für ihre Wahlerfolge auf Bundesebene. Eine gewaltige Finanzspritze für die rechtsextreme Landnahme und die Finanzierung ihres Vorfelds.


