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Neonazinest Storkow?

Foto: tuxbrother via flickr, cc

Das Brandenburgische Storkow sieht sich mit einer wachsenden Neonazi-Szene konfrontiert. Weil das Problem kaum thematisiert wird, veranstalten einige Engagierte die „Aktionswochen gegen Rechts“ mit Unterstützung der stern-Aktion „Mut gegen Rechte Gewalt“.

Von Robert Lüdecke

Die Aktivitäten von Neonazis in Storkow sind in der öffentlichen Wahrnehmung kaum bekannt, denn auch in Storkow selbst wird über das Problem kaum gesprochen. Im Umfeld der Stadt wohnen inzwischen zahlreiche NPD-Kader, unter anderem zog es Bundesgeschäftsführer Klaus Beier hierher. Die Stadt rückte damit auch als Wahlkampfgebiet in das besondere Interesse von Neonazis. Seither sind bei jedem Dorffest Neonazis präsent, um mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Längst haben sich Neonazi-Strukturen in der Region gefestigt und eine neonazistische Szene in Storkow etabliert.

Auf dem rechten Auge blind

Dass es soweit kommen konnte, liegt laut den Veranstaltern der Aktionswochen, den Bildungsbanden e.V., unter anderem am Mangel an Freizeitangeboten für Jugendliche. Einer von zwei Jugendclubs wurde letztes Jahr geschlossen, der andere liegt am Stadtrand, und ist nur umständlich zu erreichen. „Der Jugendclub wird vor allem von Kindern besucht, Jugendliche kommen nur aus der direkten Umgebung dahin“, sagt Sebastian von den Bildungsbanden. So fehlen diesen nicht nur Freiräume für die persönliche Entfaltung, auch gebe es kaum Bildungs- und Aufklärungsangebote. Für die Gefahren, die von Neonazis ausgingen, seien sie daher kaum sensibilisiert. Die Linksjugend Solid hat nach der Schließung ein Konzept für eine Weiternutzung des Jugendclubs vorgelegt, doch die Stadt hielt ein weiteres Angebot für überflüssig.

Bei den Kommunalwahlen 2008 erreichte die NPD 7,3 Prozent der Stimmen, die DVU 0,8 Prozent. Mit einem nationalen Schullandheim und einem Schulungszentrum versuchte die NPD ihren Einfluss in Brandenburg zu verstärken. 2007 kaufte die Partei das Gut Johannesberg im Storkower Umland. Dank Formfehlern konnte der Kauf für ungültig erklärt werden. Im Mai 2010 konnten die neuen Eigentümer dann endlich die Räumung gegen die Neonazis, die sich auf dem Gelände niedergelassen hatten, erwirken. Doch auch die Zivilgesellschaft in Storkow wird von Neonazis unterwandert. So sind beispielsweise NPD-Kader Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, einem der wenigen Angebote, in dem sich Jugendliche neben dem Sportverein noch engagieren können.

Keine Energie für Toleranz

Den Höhepunkt der Präsenz von Neonazis in der Stadt bildete eine Demonstration der NPD im Juli 2009. Angemeldet wurde diese wiederum als Reaktion auf ein Fußballfest unter dem Motto „Mit Energie für Toleranz“. Der FSV Germania aus Storkow bemühte sich schon lange um ein Spiel gegen den Bundesligisten Energie Cottbus, um auf das wachsende Problem der Neonazi-Szene aufmerksam zu machen. „Wir wollten mit dem Fußballfest den Nazis etwas entgegensetzen“, sagt Peter Witzke, Geschäftsführer der Fischerei Köllnitz in Storkow und Sponsor von Germania. Die Neonazis fühlten sich durch das Motto der Veranstaltung offenbar provoziert und schickten einen Drohbrief an den Präsidenten von Germania Storkow. Man würde die Demo absagen, wenn das Motto des Fußballfestes geändert würde, versuchte die NPD die Veranstaltenden zu erpressen. Diese blieben von den Drohungen jedoch unbeeindruckt und hielten an ihrem Vorhaben fest.

Weniger Mut bewies der FC Energie Cottbus, der seine Teilnahme am Spiel absagte. Der Grund hierfür seien in erster Linie Sicherheitsbedenken, wenn nur 200 Meter vom Spielfeld entfernt die NPD aufmarschiere. Ein weiterer Grund: „Wir wollten Fußball spielen und keine politische Lehren erteilen“, so Energie-Sprecher Ronny Gersch. Dass der Verein, der sich seit Jahren unter dem Motto „Wir zeigen Rassismus die Rote Karte“ für Toleranz einsetzt, damit durch die Neonazis hat instrumentalisieren lassen, schien ihn nicht zu stören. Ein Erfolg, den die NPD ausgiebig feierte. Dank des SV Babelsberg 03, der ersatzweise einsprang, konnte das Fußballfest am Ende zwar wie geplant stattfinden. Doch parallel dazu machte auch die NPD ihre Ankündigung wahr und marschierte durch Storkow. Mutige Bürgerinnen und Bürger stellten ein „Fest für Demokratie“ auf die Beine, um den Neonazis die Stadt nicht ohne Gegenprotest zu überlassen. Als die 150 Neonazis durch Storkow marschierten, standen ihnen zwei Dutzend Gegendemonstrierende gegenüber, der Rest der Stadt sah lieber Fußball.

Aktionswochen ein erster Anfang

Erschrocken von der Tatsache, dass auch zahlreiche Jugendliche aus der Region in den Reihen der Neonazis zu finden waren, entstand die Idee zu den „Aktionswochen gegen Rechts“, die unter dem Motto „Storkow Nazinest?!“ stehen. Die Bildungsbanden setzen dabei vor allem auf Information. Vom 18. bis zum 30. Oktober werden Vorträge und Diskussionen zu unterschiedlichen Themen der Neonazi-Problematik verschiedene Altersgruppen für das wachsende Problem in der Region sensibilisieren. Die Workshops von Fachreferentinnen und -referenten verschiedener Projektpartnerorganisationen finden allesamt im Friedensdorf statt, einem ehemaligen Integrationsprojekt für Migrantinnen und Migranten. Zwar konnten verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure mit ins Boot geholt werden, doch auf die Aktion aufmerksam zu machen, gestaltete sich für die Veranstaltenden schwierig. So sei von Seiten der Stadt schon das Aufhängen von Plakaten behindert worden. „Die ganze Stadt hängt voller Ankündigungen, aber uns wurden nur 20 Plakate genehmigt, angeblich weil sie den Verkehr beeinträchtigen würden“, bemängelt Sebastian von den Bildungsbanden.

Nach einer Reihe von Veranstaltungen zu Auftreten und Argumentation von Neonazis werden die Aktionswochen mit einem Konzert am 30. Oktober ihren Höhepunkt finden. Vor allem den Jugendlichen aus Storkow und Umgebung, denen sonst so wenige Angebote offen stehen, wird hiermit ein Gegenpol zur neonazistischen Szene geboten. Neben Information und Unterhaltung werden die Aktionswochen aber auch den Rahmen bilden, andere zu ermutigen, sich ebenfalls zivilgesellschaftlich zu engagieren. Die stern-Aktion „Mut gegen Rechte Gewalt“ unterstützt die Initiatoren der Aktionswochen, weil sie vor Ort auf ein Problem aufmerksam machen, das ansonsten kaum beachtet wird. „Wir wollen das Thema Neonazis öffentlich machen,“ sagt Sebastian, „wir wollen die Leute sensibilisieren und über die Gefahren aufklären, die von Neonazis ausgehen.“ Vielleicht nimmt sich dann auch die Stadt endlich des Problems an und unterstützt ebenfalls das vor Ort entstandene Engagement.

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Kommentar

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