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Gegen Rassismus und Antisemitismus – Ohne Wenn und Aber

Mit der Kampagne „Gegen Rassismus und Antisemitismus – ohne Wenn und Aber“ positioniert sich die Amadeu Antonio Stiftung klar gegen rechte Vereinnahmungsversuche auf der Frankfurter Buchmesse. Und erfährt dafür viel Zuspruch.

von Franziska Schindler

„Ich brauche ganz, ganz viele Sticker“, sagt Jenny Haas. „In meiner Straße gibt es einiges zu überkleben“. Jenny Haas ist bei Aufstehen gegen Rassismus in einer süddeutschen Kleinstadt aktiv. „Meine ganze Straße ist voll mit Stickern der Identitären Bewegung. Die wissen, dass ich hier wohne, und versuchen, mich einzuschüchtern. An meinem Briefkasten klebte auch schon einer.“ Aber Jenny Haas lässt sich nicht einschüchtern. Stattdessen organisiert sie eine Stolperstein-Putzaktion mit über 500 Schüler*innen aus der gesamten Region.

Auf solche Anliegen sind wir vorbereitet. Aus unserem Lagerraum holen wir jede Menge „Kein Ort für Neonazis“-Aufkleber und geben ihr so viele mit, wie sie tragen kann. Was wir sonst noch dabeihaben? Unsere neuesten Broschüren, die von Antisemitismus und Israelkritik über die Genderdimension beim NSU-Komplex bis hin zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Kita, ein breites Themenspektrum abdecken. Einen Flyer zum Umgang mit der Neuen Rechten auf der Buchmesse. Postkarten, Lesezeichen, Aufkleber und Jutebeutel zu unserer Kampagne „Gegen Rassismus und Antisemitismus – ohne Wenn und Aber“. Die Besucher*innen sind begeistert.

Da ist die Lehrerin, die mit ihren Klassen über Hate Speech reden möchte. Die Jugendlichen, die ganz stolz mit unseren „Ohne Wenn und Aber“-Jutebeuteln über die Buchmesse spazieren. Der Verleger, der uns Süßigkeiten bringt, damit wir uns für den langen Tag auf der Messe stärken können.

Ohne wenn und aber
Weswegen wir wiedergekommen sind? Wegen ihnen. Wegen all dieser Geschichten, wegen der Menschen, die sich in ihren Orten weiterhin engagieren, sich nicht einschüchtern lassen. Und klar zeigen: ohne wenn und aber gegen Rassismus und andere menschenfeindliche Ideologien. Menschen, die sich etwas trauen und eine Vision haben: in ihrem Ort entschieden für ein Klima der Gleichwertigkeit eintreten.

Diese Alltagsheld*innen haben uns durch die letztjährige Frankfurter Buchmesse getragen. Sie haben uns viel Mut gemacht und Kraft gegeben: wir lassen uns nicht kleinkriegen! Sie haben uns auch gezeigt: einen Raum für Austausch und Gespräche zu haben, tut unglaublich gut. Ihnen, die sie oft in kleinen Orten ziemlich allein mit ihrem Einsatz sind. Einfach mal zu erzählen, wie es so ist und was da los ist, dafür gibt es oft viel zu wenig Gelegenheit. Uns, die wir vor lauter Beschäftigung mit all den schweren Themen manchmal fast vergessen, wie viele Held*innen es da draußen gibt. Das baut auf und motiviert, weiterzumachen. So ein Raum für Gespräche ist aber auch gerade wichtig für die Diskussion mit denen, die uns kritisch gegenüberstehen. So wird die Buchmesse zu einem Ort des Austauschs.

Zugegeben, letztes Jahr gab es immer wieder Momente, in denen wir überfordert waren. Uns manchmal vom Hass einfach nur überrollt fühlten. Nach fünf Tagen Messe waren wir schlichtweg traurig und zutiefst besorgt: was würde das nächste Jahr bringen, wenn so viel rassistische, abwertende und antisemitische Gedanken in den Köpfen der Menschen stecken? Wohin bewegt sich unsere Gesellschaft?

Es hat sich etwas verändert
Das politische Klima ist nicht besser geworden. Aber auf der Buchmesse hat sich etwas verändert. Mit unserer Kampagne „Gegen Rassismus und Antisemitismus – ohne Wenn und Aber“ setzten wir ein unmissverständliches Zeichen und erfuhren von Verlagen, Autor*innen und Besucher*innen viel Zuspruch. Deutlich klarer als im letzten Jahr positionierte sich die Messeleitung mit ihrer Kampagne: „I‘m on the same page“ gegen rechte Vereinnahmungsversuche. In der Berichterstattung wurde deutlich, dass Journalist*innen dazugelernt haben und sensibler damit umgehen, welche Folgen ihre Arbeit hat und ob sie der Selbstdarstellung und Opferinszenierung der Neuen Rechten damit in die Hände spielen. Um genau diese Thematik zu bespielen, haben wir im Vorfeld ein Pressegespräch zu Medienstrategien im Umgang mit der Neuen Rechten veranstaltet. Journalist*innen wurden eingeladen, um mit Katja Böhne, der Pressesprecherin der Buchmesse, Matthias Quent, dem Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, und Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, zu diskutieren. Auf der Buchmesse selbst fand an unserem Stand die „Sprech- und Brechstunde“ des Zusammenschluss „Verlage gegen Rechts“ statt, bei dem Mitglieder des Bündnisses Autor*innen und Verlagen ganz gezielt Antworten darauf geben konnten, wie sich Literaturschaffende gegen Rassismus und Rechtsextremismus positionieren können. Mit zwei Veranstaltungen, „Mit Rechten reden – ein Mythos“ und „Gesellschaftlicher Zusammenhalt – ein Selbstläufer?“ in Kooperation mit dem Land Thüringen stießen wir auf reges Interesse der Besucher*innen und konnten zwei Themen ansprechen, die uns sehr am Herzen liegen. Und last but not least: unser Stand wurde dieses Mal nicht über mehrere Stunden am Tag von Mitgliedern der Identitären Bewegung und der Jungen Freiheit durch anhaltende Präsenz blockiert. Wir konnten unsere Zeit damit verbringen, mit Menschen zu sprechen, die Lust hatten, sich bei uns zu informieren, zu erzählen, zu diskutieren. So lautet unser Fazit: Gut, dass wir wiedergekommen sind.

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Kommentar

Kommentar: Lohnt sich Demokratieförderung überhaupt?

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