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Amadeu Antonio Stiftung mit neuem Vorstand: Anetta Kahane gibt Vorstandsvorsitz ab und widmet sich neuen Aufgaben

Anetta Kahane, Timo Reinfrank, Tahera Ameer, Lars Repp (v.l.n.r.). Foto: Peter van Heesen
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Berlin, 31.03.2022. Nach fast 25 Jahren gibt die Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, das Amt der Vorstandsvorsitzenden ab und widmet sich verstärkt ihren Aufgaben als Publizistin. Der neue Vorstand übernimmt die Leitung der Stiftung zum 1. April 2022 und besteht aus Timo Reinfrank, Tahera Ameer und Lars Repp.

Anetta Kahane hat die Amadeu Antonio Stiftung 1998 gegründet und war bis zuletzt Vorsitzende des Vorstands. Lange bevor Politik und Öffentlichkeit Rechtsextremismus und Demokratiefeindschaft als dauerhafte Herausforderungen erkannten, warnte sie vor der Gefahr und scheute dabei keine Konflikte: Von Anfang an ging Anetta Kahane dahin, wo es weh tat, suchte Gleichgesinnte und gründete Netzwerke. Ihr Ziel war es, dort aktiv zu werden, wo politisches Handeln versagt und wo Demokratie und Menschenrechte gefährdet sind – eine Vision, die sie mit der Gründung der Amadeu Antonio Stiftung verwirklichte.

“Mit der Amadeu Antonio Stiftung wollte ich einen Ort schaffen, der alle Menschen vorbehaltlos schützt und unterstützt, die von Demokratiefeinden angegriffen werden und das durch eine offen gelebte demokratische Kultur. Das war nicht immer einfach: Am Anfang hatten wir noch Mühe, die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass Rechtsextremismus ein großes Problem vor Ort ist. Dafür wurden wir oft als Nestbeschmutzer und Panikmacher beschimpft. Inzwischen ist das Problem zwar anerkannt, doch erst langsam verstehen Gesellschaft und Politik, wie schwierig und wichtig das Engagement gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ist”, fasst Anetta Kahane zusammen. “Demokratie muss tatsächlich jeden Tag aufs Neue gelebt und verteidigt werden. Das geht nicht ohne Konflikte. Als Stiftung haben wir uns immer wieder neuen Herausforderungen gestellt, auf aktuelle Entwicklungen reagiert und die Konflikte nicht gescheut – so haben wir oft sehr frühzeitig auf Erscheinungen reagiert und dabei eine Vorreiterrolle eingenommen. Ich bin froh, dass die Amadeu Antonio Stiftung mit ihren Aufgaben gewachsen ist und übergebe den Vorstand der Stiftung nun der nächsten Generation. Ich werde auch weiter die Arbeit der Stiftung begleiten und an den Themen Demokratie und Menschenrechte arbeiten. Ich bin nun Mal ein jüdisches Kind der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Shoa und die Folgen der deutschen Teilung haben mich geprägt. Und das wird immer meine Perspektive auf Unrecht und den Schutz von Minderheiten bestimmen.”

Anetta Kahane. Foto: Ivo Mayr / Correctiv

Anetta Kahane ist eine Vorkämpferin der demokratischen Zivilgesellschaft, ihr Kampf gegen Ungerechtigkeiten speist sich aus ihrer eigenen Biografie. Als Tochter jüdischer Kommunisten prägte sie die Erfahrung der NS-Verfolgung ebenso wie der alltägliche Antisemitismus und Rassismus in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland.

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Stiftung, würdigt die Errungenschaften von Anetta Kahane:

“Anetta Kahane hat mit der Amadeu Antonio Stiftung, aber auch als wichtige öffentliche Stimme, den Kampf gegen Rechtsextremismus in Deutschland geprägt und Pionierarbeit geleistet. Mit ihrer Klarheit und Kompromisslosigkeit auch im Umgang mit Antisemitismus und Rassismus hat Anetta Kahane die Stiftung geprägt. Diesen Kurs wird der neue Vorstand verantwortungsvoll weiter verfolgen. Die Unterstützung von Initiativen vor Ort, die tagtäglich für Demokratie einstehen, ist und bleibt Kern der Stiftung. Und trotzdem werden wir auch weiter den Finger in die Wunde legen und die Politik in die Verantwortung nehmen. Anetta Kahane wurde für ihr Engagement immer wieder angefeindet, wurde zur Hassfigur der rechten Szene. Mich hat immer beeindruckt, wie sie das als Ansporn und nicht als Rückschlag empfunden hat. Aus dieser Erfahrung war es der Stiftung immer wichtig, dass niemand mit Anfeindungen und Diskriminierungen allein gelassen werden darf. Deshalb steht die Stiftung auch weiter vorbehaltlos an der Seite der Betroffenen.
Anetta Kahane ist eine unerschütterliche Optimistin und weiß wie niemand sonst, andere zu motivieren und zu begeistern. Deshalb bin ich froh, dass sie sich auch zukünftig als starke Stimme für die Demokratie einsetzt.”

Tahera Ameer, Programmleiterin der Stiftung, ergänzt:

“Anetta Kahane hat sehr früh verstanden, dass man sich vernetzen muss und dauerhaft und gemeinsam gegen alle Formen von Menschenfeindlichkeit vorgehen muss, auch dann, wenn es Widerstände gibt oder sie erstmal allein ist mit ihrer Perspektive. Wo andere Hürden sahen, fand Anetta Kahane immer auch Möglichkeiten und Chancen etwas zu ändern. Dabei war und ist die Perspektive von Minderheiten immer ihr Maßstab. Ihr war es immer wichtig zu handeln, statt über Probleme nur zu reden. Ich habe von ihr gelernt, dass gesellschaftlicher Wandel nur durch Konflikte und Aushandlung stattfinden kann und dass Handeln immer das Moment der Hoffnung in sich trägt. Die Amadeu Antonio Stiftung wird auch zukünftig dort aktiv, wo sonst niemand hinschaut. Dabei bleibt es für die Stiftung wichtig, alle Themen und Herausforderungen immer zusammen mit Betroffenen und Engagierten vor Ort anzugehen. Die von Anetta Kahane vertretene Überzeugung, dass Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nur durch eine gelebte demokratische Kultur eingedämmt werden können, ist und bleibt der Grundgedanke der Amadeu Antonio Stiftung.”

Lars Repp, Verwaltungsleiter der Stiftung, fügt hinzu:

“Mit über 120 Beschäftigten an vier Standorten ist die Amadeu Antonio Stiftung die größte zivilgesellschaftliche Organisation im Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland. Die Feinde der Demokratie haben sich professionalisiert. Die zivilgesellschaftlichen Initiativen dürfen dem in nichts nachstehen. Gerade Initiativen, die wie die Amadeu Antonio Stiftung so viele Feinde haben, brauchen eine solide Grundlage. Darauf hat Anetta Kahane immer gedrängt. Deswegen werden wir weiter an einer gut aufgestellten Stiftung arbeiten. Im Hinblick auf diese Herausforderungen sehe ich es auch als unsere Aufgabe, weiter an der Wirkungsorientierung in der Zivilgesellschaft zu arbeiten.”

Der neue Vorstand übernimmt die Leitung der Stiftung ab dem 1. April und besteht aus Timo Reinfrank (Geschäftsführung), der bereits seit 2017 neben Anetta Kahane Vorstandsmitglied ist, Tahera Ameer (Programm und Innovation) und Lars Repp (Verwaltung, Organisation und Finanzen).

Timo Reinfrank, Tahera Ameer, Lars Repp (v.l.n.r.). Foto: Peter van Heesen

Anetta Kahane ist aufgewachsen in Ost-Berlin und arbeitete als Lateinamerikawissenschaftlerin in der DDR. Als erste und einzige Ausländerbeauftragte des Magistrats von Ost-Berlin warnte sie eindrücklich vor den Gefahren des Rechtsextremismus. 1991 gründete sie die RAA e.V. (Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie) für die neuen Bundesländer. 1998 gründete Kahane die Amadeu Antonio Stiftung, deren Kuratoriumsvorsitzende sie zunächst war. Seit 2003 ist sie hauptamtliche Vorsitzende der Stiftung. Im Sommer 2002 wurde Anetta Kahane mit dem Moses-Mendelssohn-Preis des Landes Berlin ausgezeichnet. Kahane veröffentlichte mehrere Bücher. Zuletzt erschien im Dezember 2021 der von ihr mit herausgegebene Sammelband “Juden in der DDR. Jüdisch sein zwischen Anpassung, Dissidenz, Illusionen und Repression” im Verlag Hentrich & Hentrich.

Timo Reinfrank hat in Berlin und Bonn Politik- und Sozialwissenschaften studiert und ist seit 2001 bei der Amadeu Antonio Stiftung u.a. bei der Umsetzung von Demokratieprogrammen für das Bundesfamilienministerium tätig, seit 2017 als ihr Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender der Stiftung. Er berät zivilgesellschaftliche Initiativen, Politik und Verwaltung in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und für demokratische Kultur. U. a. hat er die Zivilgesellschaft bei der Anhörung des Kabinettsausschusses der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Rassismus vertreten. Kommunal engagiert er sich im Vorstand der Bürgerstiftung Barnim-Uckermark in Eberswalde.

Tahera Ameer hat Literaturwissenschaft, Philosophie und Hispanistik in Tübingen, Barcelona und Berlin studiert. Seit 2005 arbeitet sie in der Amadeu Antonio Stiftung zu Antisemitismus und Rassismus, zuletzt als Bereichsleiterin für beide Themenfelder. Darüber hinaus war sie im Wissenschaftsmanagement der Freien Universität Berlin, als Geschäftsführerin von Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern e.V. und freiberuflich in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung tätig. Ehrenamtlich war Tahera Ameer Vorstand der Stiftung Zurückgeben, sie gehört dem Stiftungsrat der Stiftung Nord-Süd-Brücken an und ist in mehreren Vereinen für Erinnerungskultur, kulturelle Bildung und migrantischen Feminismus aktiv.

Lars Repp arbeitet seit 2020 als Verwaltungsleiter in der Amadeu Antonio Stiftung. Er hat in St. Gallen, Seoul und Cambridge Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach seinem Studium beriet er zivilgesellschaftliche Organisationen in Fragen des Wirkungsmanagements. Zudem war er Berater einer internationalen Managementberatung, wo er Unternehmen, öffentliche Institutionen und Non-Profit-Organisationen, u.a. in Deutschland, Großbritannien und Dänemark, mit den Schwerpunkten Strategieentwicklung, Organisations- sowie Krisenmanagement beriet. Er ist ausgebildeter systemischer Coach.

 

Über die Amadeu Antonio Stiftung:
Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent und überparteilich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse. In 2021 hat die Stiftung über 150 Initiativen und ihre Projekte gefördert sowie über 100 Einzelpersonen finanziell unterstützt, die Opfer von Hasskriminalität und rechter Gewalt wurden.

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