Weiter zum Inhalt

Rechte Straftaten auf Rekordniveau – Hass und Gewalt sind zum Flächenbrand geworden

«Rechte Gewalt kann jeden treffen» steht auf einem Aufsteller geschrieben, aufgenommen am 28.02.2009 in Berlin. Foto: Rainer Jensen/dpa
|

Berlin, 21.05.2024. Rechtsextreme Straftaten steigen seit Jahren kontinuierlich an und haben im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit ihrer Erfassung erreicht. Rechte Gewalt ist damit die größte Bedrohung für den sozialen Frieden in Deutschland und zeigt, dass demokratische Grundsätze nicht mehr gewährleistet sind. Die rechtsextreme Landnahme wirkt. Die Amadeu Antonio Stiftung erwartet eine weitere Verschärfung der Bedrohungslage und eine zunehmende Enthemmung, vor allem durch die anstehenden Wahlen, von der sich Rechtsextreme ein Fanal auf dem Weg der Überwindung des demokratischen Systems erhoffen.

Die Zahl der behördlich erfassten rechtsextrem motivierten Straftaten stieg um ca. 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreicht mit 28.945 Straftaten ein Rekordhoch seit Beginn der Erfassung. 1.270 dieser Straftaten waren Gewaltdelikte, das entspricht einer Steigerung um 8,6 Prozent gegenüber 2022. Auch flüchtlingsfeindliche Gewalt erreicht einen neuen Höchststand, für 2023 melden die Behörden 2.488 Straftaten gegen Asylbewerber, darunter 321 Gewalttaten.

Aus „Wir werden sie jagen“ werden Taten

„Wer sich den Verlauf über die letzten Jahre ansieht, kann nicht leugnen, dass der Anstieg von rechten Straf- und Gewalttaten eindeutig mit dem Erstarken des parteiförmigen Rechtsextremismus zusammenhängt, mit demokratiefeindlichen Protestbewegungen auf der Straße, mit Hass und Hetze im Netz, in Talkshows und Desinformation in Chat-Messengern.  Hass und Gewalt sind zum Flächenbrand geworden, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. „Im Windschatten des Höhenflugs der AfD fühlen sich Menschen offenbar dazu ermutigt, eine rechtsextreme Gesellschaftsvorstellung selbst umzusetzen, auch mit Gewalt. Wenn Politiker*innen zusammengeschlagen werden, nur weil sie Wahlplakate aufhängen, dann müssen wir von rechtem Straßenterror sprechen. Betroffene erleben jetzt die konkreten Folgen des Credos ‘Wir werden sie jagen’, mit dem Alexander Gauland den Kurs der AfD bei deren Einzug in den Bundestag vorgab.“

Wer dachte, dass die Baseballschlägerjahre eine zurückliegende Episode der 1990er sind, irrt. Die einst von Björn Höcke ausgegebene Strategie einer Politik der „wohltemperierten Grausamkeit“ wird von Rechtsextremen auf der Straße bereits umgesetzt. Angriffe auf Jugendclubs, Journalisten, Vereine, aber auch nach wie vor Geflüchtete, sind das Ergebnis einer ideologischen und verbalen Enthemmung, die unmittelbar zu Taten anleitet.

Systematische Anfeindungen und Gewalt

Rechtsextreme erhoffen sich durch die Wahlen politische Mandate in bisher ungeahntem Maße und damit eine Landnahme in der Breite, mit der die demokratische Kultur vor Ort und damit der letzte Schutzwall unserer Demokratie abgebaut werden soll. Es ist zu befürchten, dass Rechtsextreme diesen Wandel selbst durch Gewalt herbeiführen, wenn der erhoffte Systemwechsel durch Wahlen ausbleibt. Eine Eskalation der Gewalt ist zu befürchten.

Schon jetzt erleben demokratische Politiker ein nie da gewesenes Klima der systematischen Anfeindung und Gewalt. Ob bei Brandanschlägen auf Wahlkreisbüros, Wohnhäuser von Politikern oder beim Plakatieren: Es gibt keine Grenze mehr. Egal, wer sich für diese Demokratie einsetzt – von Politiker*innen, über Kulturschaffende, bis hin zu engagierten Unternehmer*innen – soll das Signal verstehen, dass dieses Engagement gefährlich ist. Angriffe richten sich gegen Politiker*innen und Zivilgesellschaft, doch gemeint ist die Demokratie in Gänze. Insbesondere Angehörige von Minderheiten und politische Gegner bekommen diese Enthemmung bereits jetzt in vollem Maß zu spüren.

“Unsere Demokratie war selten so fragil wie heute. Zwar gibt es nach wie vor eine resiliente demokratische Zivilgesellschaft, doch diese droht endgültig alleine gelassen zu werden, denn zum Jahresende laufen viele Förderprogramme aus”, erklärt Timo Reinfrank. “Angesichts des traurigen Rekords rechter Straftaten braucht es nicht weniger, sondern mehr finanzielle Unterstützung für Projekte, die Straftaten durch erprobte präventive Ansätze verhindern, genauso wie für Opferberatungsstellen. Ohne die Rückendeckung der Bundespolitik wird es nicht gehen.“ Ein neuer Kabinettsschuss Rechtsextremismus, in dem Ressort- und Ministerienübergreifend an ganzheitlichen Ansätzen gearbeitet wird, ist dringend geboten, wenn es die Bundesregierung ernst meint mit ihrer Aussage, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die innere Sicherheit ist.

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.