Weiter zum Inhalt

Ankündigung: Fachtag „Opferschutz und Opferhilfe: Wissensdialog und Betroffenenperspektive bei rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt“

|

Lücken im Versorgungssystem: Perspektiven der Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt

Am 15. November 2024 findet erstmals der Fachtag „Opferschutz und Opferhilfe: Wissensdialog und Betroffenenperspektive bei rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt“ statt. Diese Veranstaltung, initiiert von den Betroffeneninitiativen in Zusammenarbeit mit der Amadeu Antonio Stiftung (AAS) und dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), bringt erstmals die Perspektiven der Betroffenen Gewalt in den Fokus eines öffentlichen Dialogs. Die Veranstaltung wird im Rahmen des Projektes „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus gefördert.

Der Fachtag wird unterschiedliche Betroffenenperspektiven aus mehreren Jahrzehnten rechter Gewalt thematisieren – von den Erfahrungen der 1980er Jahre und den Brandanschlägen der 1990er Jahre über den NSU-Terror, OEZ-München, Halle, Hanau und vielen weiteren Vorfällen. In Diskussionen und Austauschformaten werden Versorgungslücken und der Umgang der Behörden mit Betroffenen aus Betroffenenperspektive beleuchtet und bewertet.

Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus: „Wer Opfer rassistischer, antisemitischer und rechtsextremer Gewalt wird, darf nicht alleine gelassen werden. Der Staat muss ihnen zur Seite zu stehen, mit schneller, verlässlicher Unterstützung. Vieles wurde dafür bereits erreicht, auch mit dem neuen Sozialen Entschädigungsgesetz, aber viele Betroffene stehen weiter vor bürokratischen Hürden, stoßen auf Leerstellen oder Unverständnis, wissen nicht, an wen sie sich nach einem Angriff oder Anschlag wenden können. Unser Land hat beim Opferschutz noch viel zu tun, ganz entscheidend ist, dass wir das Fachpersonal bei Polizei, in Gerichten und Ämtern schulen, um Betroffenen immer mit der nötigen Sensibilität zu begegnen und vor Retraumatisierung zu schützen.“

Tahera Ameer, Vorständin der Amadeu Antonio Stiftung:
„Seit jeher steht die Amadeu Antonio Stiftung solidarisch an der Seite der Betroffenen, dazu verpflichtet unser Name. Mit diesem Fachtag bekräftigen wir ihre Forderungen: Die Stimmen der Betroffenen müssen gehört werden und ihre Perspektiven in die aktuelle Umsetzung von Entschädigung, Aufklärung und Anerkennung einfließen.“

Hintergrund: Aktuelle Situation für Betroffene und die Reform des Opferentschädigungsrechts (OEG zu SGB XIV)

Seit 1990 zählt die Amadeu Antonio Stiftung mehr als 200 Todesopfer rechter Gewalt. Das Dunkelfeld rechter Gewalt seit 1945 ist viel größer als die dokumentierten Fälle, es ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Betroffenen und ihrer Angehörigen im vierstelligen Bereich bewegt. Staat und Gesellschaft haben gegenüber diesen Menschen das Versprechen auf Schutz und Sicherheit bisher nicht ausreichend eingelöst. Sie haben ein Recht auf Aufklärung, Gerechtigkeit und Entschädigung.

„Die Anträge von mir und meiner Frau Julia waren bei etwa sechs Beratern und zehn Ämtern, und immer werden die gleichen Fragen gestellt,“ berichtet Niculescu Păun, Hinterbliebener des Attentats in Hanau.

Obwohl das Soziale Entschädigungsrecht mit Schaffung des SGB XIV zum 1. Januar 2024 reformiert wurde, um schnellere und bedarfsorientierte Zugänge zu ermöglichen, stehen viele Betroffene weiterhin vor großen Hürden. Studien (u.a. Geschke et al., 2023 und TASBAH-Evaluation 2024) zeigen, dass die Betroffenen nicht nur unter schwersten Gewalt- und Verlusterfahrungen und den langfristigen materiellen und immateriellen Folgen leiden, sondern auch unter sekundärer Viktimisierung, wenn sie ihre Rechte durchsetzen oder Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen wollen.

Ziele und Forderungen des Fachtags

Der Fachtag verfolgt das Ziel, die staatliche und institutionelle Unterstützung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zu betrachten und mit der Praxis abzugleichen. Im Zentrum der Veranstaltung steht der direkte Dialog mit den Betroffenen, deren Perspektive oft zu wenig in Entscheidungsprozesse einfließt. In diesem Sinne zielt der Fachtag darauf ab, den Wissensaustausch zwischen Behörden, Ministerien, Zivilgesellschaft und den Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt zu stärken, um gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes zu entwickeln und bestehende Lücken zu schließen.

Aufbauend auf dem Empfehlungskatalog, den der VBRG in Zusammenarbeit und auf Grundlage der wissenschaftlichen Evaluation von TASBAH bereits im September dieses Jahres formuliert hat, ergeben sich die wichtigsten Forderungen für den Fachtag:

  • Einbeziehung der Betroffenen in die Gestaltung von Maßnahmen: Ein regelmäßiger Austausch und eine transparente Kommunikation zwischen den Ministerien auf Bundes- und Landesebene sowie den Betroffenen sind notwendig, um gezielte und wirksame Maßnahmen zu entwickeln.
  • Bedingungslose Grundrente: Eine bedarfsorientierte Grundrente für Hinterbliebene und Überlebende, um ein Leben in Würde zu ermöglichen.
    Schnelle und unbürokratische Hilfe und ein betroffenensensibles Verfahren: Sensibilisierte und geschulte Fachkräfte in Polizei, Justiz und Sozialdiensten, um erneute Viktimisierung zu verhindern.
  • Praxisleitfaden: Ein praxisorientierter Leitfaden für Behörden und Beratungsstellen mit Best-Practice-Beispielen zur Qualitätssicherung der Opferhilfe.
    Humanitäres Bleiberecht: Ein bedingungsloses humanitäres Bleiberecht für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, das Sicherheit und Zugang zu Unterstützungsleistungen sicherstellt.
  • Stärkung der Beratungsstellen: Finanzielle und personelle Unterstützung von Beratungsstellen, um nachhaltige Unterstützung für Betroffene zu gewährleisten.

Besondere Gelegenheit: Die Perspektiven der Betroffenen hören

Der Fachtag bietet die einzigartige Gelegenheit, die Perspektiven der Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt direkt zu erfahren. Ihre Erfahrungsberichte sollen den Wissensdialog bereichern und zur Entwicklung wirksamer Maßnahmen beitragen. Die Veranstaltung schafft damit eine Plattform, auf der Veränderungen angestoßen und konkrete Lösungsansätze gemeinsam entwickelt werden können.

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.