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Bundeswehroffizier soll Anschlag auf die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung Anetta Kahane und weitere Personen geplant haben

Symbolbild Bundeswehr. Von: 7th Army Training Command (CC BY 2.0)
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Am Donnerstag, 20.05.2021, beginnt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. die Hauptverhandlung gegen den 32-jährigen Oberleutnant Franco A. Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihm unter anderem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Er soll Anschläge auf Personen des öffentlichen Lebens vorbereitet haben – möglicherweise auch auf die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane.

Der Angeklagte soll laut Generalbundesanwaltschaft die Liegenschaft der Amadeu Antonio Stiftung ausgekundschaftet und den Namen ihrer Vorsitzenden auf einer möglichen „Feindesliste“ notiert haben.

Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, erklärt zum Prozessaufktakt: ”Ich hoffe, dass der Prozess aufklären kann, wie rechtsextreme Strukturen in den Sicherheitsapparat eindringen konnten. Das Gericht ist in der Verantwortung, die Hintergründe zu beleuchten. Es ist klar, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Rechtsextreme Strukturen im KSK, das Hannibal-Netzwerk, sich wiederholende Meldungen über entwendete Munition: Wir dürfen diese Vorfälle nicht bloß schulterzuckend zur Kenntnis nehmen und als zu akzeptierende Skandälchen verharmlosen. Der Prozess sollte als Chance begriffen werden, bewaffnete Netzwerke aufzudecken und restlos auszuheben. Leider sind unsere Erwartungen nach all den Erfahrungen der letzten Jahre aber sehr gering.”

Im Sommer 2016 soll der Oberleutnant Franco A. die Kennzeichen der in der Tiefgarage unter den Büroräumen der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin geparkten Autos fotografiert und eine Skizze der umliegenden Straßen gefertigt haben. In einem Notizbuch finden Beamte des BKA später neben den Namen des vormaligen Bundesjustizministesr Heiko Maas und der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth auch den von Anetta Kahane. Franco A. bewegte sich in einem rechtsextremen Chat-Netzwerk namens „Hannibal“, einem Netzwerk von Gruppen, in denen sich Soldaten und Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden organisierten. Sie bereiteten sich auf einen „Tag X“ vor, an dem die Staatsordnung zusammenbrechen würde, legten Waffenlager an, sammelten Informationen über Politiker und „linke Aktivisten“ und trainierten gemeinsam an der Waffe.

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, sagt dazu:
„Dass ein Rechtsextremer wie Franco A. so lange Teil der Bundeswehr sein konnte, lässt mich fassungslos zurück. Es war lange bekannt, dass er mit seiner Masterarbeit eine antisemitische und rassistische Hetzschrift vorgelegt hat. Hier haben offenbar alle Sicherheitssysteme versagt. Die Gefahr durch bewaffnete rechtsterroristische Strukturen in der Bundeswehr wurde viel zu lang unterschätzt und noch immer wird viel zu wenig gegen rechtsextreme Netzwerke getan.”

Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren, sehen sich seit Jahren massiven Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt. Das gilt in besonderem Maße auch für die Amadeu Antonio Stiftung und ihre Vorsitzende Anetta Kahane, die seit Jahren erhebliche antisemitische Hetze erlebt und zum zentralen Feindbild der rechten Szene wurde.

„Die jahrelange Hetze gegen engagierte Demokratinnen und Demokraten hat dazu geführt, dass gewaltbereite Rechtsextreme sich ermächtigt fühlen, die tausendfach im Netz verbreiteten Gewalt- und Mordfantasien in die Tat umzusetzen. Wir erwarten von der Politik, die Bedrohungslage endlich ernst zu nehmen und für einen ausreichenden Schutz von zivilgesellschaftlich Engagierten zu sorgen“, fordert Reinfrank.

 

Zum Hintergrund:
Im Dezember 2017 reicht die Generalbundesanwaltschaft Anklage wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gegen Franco A. ein. Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main kommt zu dem Ergebnis, dass dieser „die Anwendung von Gewalt einschließlich der Tötung eines hochrangigen Politikers und […] einer Menschenrechtsaktivistin ernsthaft in Betracht gezogen“ habe, aber ein hinreichender Tatverdacht fehle. Die Generalbundesanwaltschaft hat Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Im November 2019, fast zwei Jahre später, lässt der Bundesgerichtshof die Terroranklage zu.

Über die Amadeu Antonio Stiftung:
Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent und überparteilich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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