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Fall Franco A. ist Teil einer rechtsextremen Schattenarmee und kein Einzelfall – Aufarbeitung des Falls darf mit Gerichtsurteil nicht enden

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Berlin, 14.07.2022. Am Freitag wird das Urteil im Prozess gegen den rechtsextremen Bundeswehroffizier Franco A. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erwartet. Die Amadeu Antonio Stiftung erhofft sich ein abschreckendes Urteil, das der Relevanz des Falles Rechnung trägt. Der Fall Franco A. vereint rechtsextreme Elitesoldaten, rechte Chatgruppen, Prepperbewegung und Querverbindungen bis in die AfD. In ihm kulminiert alles, was Rechtsterrorismus in Deutschland kennzeichnet, deshalb darf er nicht zum Einzelfall bagatellisiert werden. Zudem ist er wohl der größte öffentlich bekannte rechtsextreme Vorfall in der Bundeswehr.

Seit Mai 2021 steht der Oberleutnant Franco A. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihm unter anderem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Franco A. soll Anschläge auf Personen des öffentlichen Lebens vorbereitet haben, darunter auch auf die damalige Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane. Franco A. hatte die Liegenschaft der Amadeu Antonio Stiftung ausgekundschaftet, in der Tiefgarage des Bürogebäudes Fotos angefertigt und den Namen der Vorsitzenden auf einer mutmaßlichen „Feindesliste“ notiert.

“Wir gehen davon aus, dass die Amadeu Antonio Stiftung und Anetta Kahane für Franco A. in seiner rechtsextremen Gesinnung als politische Gegner galten, die es zu beseitigen galt. Wir hoffen, dass das Gericht diese Bedrohungslage ernstnimmt und Franco A. mit einer Strafe belegt, die dem Rechnung trägt. Wer von Rechtsextremen bedroht wird, ist damit in der Regel völlig allein gelassen, wird von den Behörden kaum informiert und muss sich zu allem Übel seinen Schutz selbst organisieren. Eine Verurteilung in diesem Fall wäre ein dringend notwendiges Signal, dass Bedrohungslagen durch Rechtsextreme und der Schutz von zivilgesellschaftlich Engagierten staatlich ernst genommen werden”, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Von Beginn des Prozess an nutzte der Angeklagte den Prozess als Bühne, um sich als vermeintlichen Investigativ-Aktivisten darzustellen, der Missstände im Asylsystem aufdecken wollte und der sich als politisch interessierter Mensch mit aktuellem Geschehen und Personen des öffentlichen Lebens auseinandersetzen wolle.

“Das Gericht darf dieser Inszenierung nicht auf den Leim gehen. Wer Feindeslisten erstellt und Reiserouten und Waffenbeschaffung organisiert, sucht nicht nach Dialog, sondern erweckt den Eindruck, Menschen töten zu wollen. Franco A.s Planungen und seine Tarnidentität als syrischer Flüchtling belegen das kriminelle Potenzial dieses Mannes. Diese Tat darf nicht ohne das Weltbild des Rechtsextremismus und seiner Feindbilder betrachtet werden”, führt Reinfrank aus.

Der Fall Franco vereint alles, was den modernen Rechtsextremismus ausmacht. Franco A. war eng bekannt und gut vernetzt mit rechtsextremen Kreisen innerhalb der Bundeswehr. Er war aktiv in einem Netzwerk rechtsextremer Chatgruppen aus Elitesoldaten, dem Hannibal-Netzwerk, und nahm persönlich an konspirativen Treffen teil. In diesen Kreisen bereiten sich rechtsextreme Soldaten mit einer Prepper-Einstellung auf einen “Tag X” vor, an dem sie bewaffneten Widerstand leisten würden, stellen Feindeslisten zusammen, legen Vorräte an und bereiten Immobilien vor.

“Man sollte sich hüten, Franco A. als Einzelfall zu begreifen. Er ist tief verstrickt in ein gewaltbereites rechtsextremes Milieu, das sich auf den bewaffneten Widerstand vorbereitet und das man wohl als Teil einer rechtsextremen Schattenarmee bezeichnen muss. Man hätte sich das ganze weit verzweigte Netzwerk innerhalb der Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr anschauen müssen, dafür reicht das juristische Verfahren gegen A. nicht aus. Die Aufarbeitung des Falls Franco A. darf mit einem Gerichtsurteil nicht enden; es darf kein Schlussstrich gezogen werden”, fordert Timo Reinfrank.

Bis heute ist unklar, wo die Waffen sind, deren Erwerb durch A. bezeugt ist, die aber nie gefunden wurden. Die Frage nach Franco A.s Netzwerken und Mitwissern ist ebenfalls nicht geklärt. Die rechtsextremen Kreise rund um das Hannibal-Netzwerk müssen ermittelt, restlos zerschlagen und strafrechtlich verfolgt werden. In der Bundeswehr werden immer wieder rechtsextreme Vorfälle und Strukturen bekannt, die von Verteidigungsministerium und MAD konsequenter verfolgt werden müssen. Die Informationspolitik der Sicherheitsbehörden gegenüber Betroffenen von Feindeslisten und Anschlagsplänen muss dringend verbessert werden und in konkrete Schutzmaßnahmen münden, die letztendlich auch vom Staat organisiert und finanziert werden.

Zu den Hintergründen des Falls:

Im Februar 2017 wird der damals 28-jährige Oberleutnant Franco A. am Wiener Flughafen von österreichischen Beamten festgesetzt. Zwei Tage zuvor hatte er auf einer Toilette des Flughafens eine geladene halbautomatische Pistole deponiert. Beim Versuch die Waffe, die inzwischen von einer Reinigungskraft entdeckt wurde, wieder an sich zu nehmen, wird er gefasst. Bereits kurz nach seiner Verhaftung wird Franco A. wieder freigelassen. Den Beamten fällt in diesem Zusammenhang allerdings auf, dass A.s Fingerabdrücke bereits unter dem Namen des in Bayern gemeldeten Geflüchteten „David Benjamin“ bekannt sind.

Am 26. April 2017 wird der gebürtige Offenbacher von deutschen Behörden erneut festgenommen, gleichzeitig durchsucht die Polizei 16 Orte in Frankreich, Deutschland und Österreich, findet Waffen, Sprengstoff, NS-Literatur und weiteres belastendes Material. Munition, Signal- und Sprengkörper wurden mindestens teilweise aus Bundeswehrbeständen entwendet.

Schriftliche Notizen des Oberleutnants Franco A. skizzieren einen Anschlagsplan und legen nahe, dass Franco A. mit seinem Motorrad von Offenbach nach Berlin fahren wollte, dann ins Elsass nach Frankreich und von dort zurück nach Bayern. Ein Komplize sollte ihm eine Schrotflinte per Bahn nach Berlin bringen. Nach der Tat wollte A. in die Kaserne bei Straßburg zurückkehren, um von dort mit einem Auto über Bayreuth nach Kirchdorf bei Erding zu fahren. Hier lebte er in seiner Zweitexistenz als syrischer Flüchtling unter dem Namen David Benjamin in einer Asylunterkunft.

Sein potenzielles Ziel war Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. A. hatte am 22. Juli 2016 die Tiefgarage unter dem Gebäude ausspioniert, in der die Stiftung ihren Sitz hat. Franco A. fotografierte Autos, die er für Autos von Stiftungsmitarbeitenden hielt. Die Notizen die bei Franco A. gefunden werden, stammen aber nicht nur aus der Feder von A., sondern teilweise auch von Offizier Maximilian T. Dieser wurde ab April 2018 durch den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte als Mitarbeiter seines Bundestagsbüros beschäftigt. Damit erhielt T. Zugang zu Informationen und Unterlagen aus dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, der sich mit dem Fall befasste, Nolte war Vertreter der AfD in diesem Ausschuss. Trotz der Rechtsextremismus-Vorwürfe lehnten die AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland und Alice Weidel eine Entlassung T.s ab. Das Ermittlungsverfahren gegen Maximilian T. als Komplize von Franco A. wurde im November 2018 eingestellt.


Über die Amadeu Antonio Stiftung:

Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent und überparteilich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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