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Kommunalwahlen Thüringen: Rechter Kipppunkt schon vor den Landtagswahlen

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Berlin, 23.05.2024. Trotz juristischer Urteile und etlicher Skandale ist mit einem flächendeckenden Erfolg rechtsextremer Kräfte bei den Kommunalwahlen in Thüringen zu rechnen. Es droht eine substanzielle Gefährdung für die Demokratie und das gesellschaftliche Zusammenleben. Rechtsextreme erhoffen sich ein Fanal der rechtsextremen Landnahme und weiteren Auftrieb für die bevorstehenden Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern.

++ Digitales Pressegespräch mit Wahlanalysen am 29. Mai 2024 um 14 Uhr ++

Bei den Kommunalwahlen am 26. Mai in Thüringen sind insgesamt 7464 Sitze zu vergeben, davon über 1000 Bürgermeisterposten und 13 Landräte. Trotz verschiedener bundespolitischer Skandale und juristischen Urteilen zur Demokratiefeindlichkeit, die den Wahlkampf der Rechtsextremen ausgebremst haben, ist von breiten Wahlerfolgen Rechtsextremer in der Fläche auszugehen. Diese Entwicklung ist nicht nur ein politisches Signal, von dem sich Rechtsextreme aller Couleur weiteren Aufwind mit Blick auf die Landtagswahlen in den drei ostdeutschen Bundesländern im September erhoffen. Die fortschreitende rechtsextreme Landnahme im Kommunalen birgt bereits jetzt ernsthafte Risiken für die Demokratie und das gesellschaftliche Zusammenleben auf lokaler Ebene.

“Während ganz Deutschland bangt, ob es nach dem September einen rechtsextremen Ministerpräsidenten in Thüringen gibt, wird der rechte Kipppunkt schon mit den Kommunalwahlen erreicht. Wir müssen von einer rechten Landnahme in der Kommunalpolitik ausgehen, die in letzter Konsequenz ein fundamentaler Angriff auf unsere Demokratie bedeutet. Über eine Brandmauer brauchen wir dann nicht mehr reden.”, warnt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Die Gewöhnung wirkt

Thüringen war das erste Bundesland, in dem die AfD im März 2020 als rechtsextremer Verdachtsfall und ein Jahr später als gesichert rechtsextrem eingestuft worden ist. Trotzdem legt die Partei in Wahlumfragen seither kontinuierlich zu, insbesondere in Thüringen verfügen die Rechtsextremen über eine starke Personaldecke und eine breite, gefestigte Sympathisantenschaft.

“Die Skandale um die mutmaßlichen Verflechtungen Rechtsextremer mit den Regimen in China und Russland werden möglicherweise den ein oder anderen Direktkandidaten Stimmen kosten, doch die Rechtsextremen können auf ihre langjährige Etablierung und eine Stammwählerschaft bauen”, erklärt Timo Reinfrank. “Die Überzeugten lassen sich davon nicht beeindrucken, weil sie eben nicht aus Protest wählen, sondern eine ressentimentgeladene Politik wollen. Entscheidend werden mögliche Stichwahlen. Nur wenn sich die Parteien auf einen demokratischen Kandidaten einigen, kann die weitere rechte Landnahme aufgehalten werden. Es braucht eine systematische Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien und Kräfte, vor allem mit Blick auf die Landtagswahlen im September.”

Absehbare Schäden für die demokratische Kultur

Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsextremen mit einer breiteren kommunalen Verankerung versuchen werden, mit größerem Nachdruck etablierte demokratische Institutionen und Verfahren zu untergraben. Damit werden nicht nur Stabilität und Funktionalität lokaler Verwaltungen beeinträchtigt, sondern auch das Vertrauen in das demokratische System insgesamt geschwächt. Wenn Rechtsextreme nicht nur die kommunalen Spitzenämter besetzen, sondern auch die stärkste Fraktion stellen, muss beispielsweise mit erheblichen Kürzungen in der Jugendarbeit, der Streichung von Gleichstellungsbeauftragten oder auch der Abwehr von Geflüchtetenunterkünften mit allen Mitteln gerechnet werden.

 

Rechtsextremismus droht Standortfaktor zu werden

Mit einem Rekordhoch vom behördlich erfassten 28.945 rechtsextrem motivierten Straftaten erleben wir bereits jetzt die Konsequenzen, einer Politik der „Wohltemperierten Grausamkeit“, mit der Björn Höcke, Thüringer AfD-Vorsitzender, die programmatische Richtung der rechtsextremen Landnahme vorgab. Angriffe auf demokratische Politiker*innen, zivilgesellschaftliche Initiativen und Geflüchtete sind insbesondere in Ostdeutschland alltäglich geworden. Selbst straffällige Neonazis wie Tommy Frenck, Thorsten Heise oder der verurteilte Rechtsterrorist Patrick Wieschke aus dem Umfeld der Neonazi-Gruppe Knockout 51 drohen nun in den Kreistag gewählt zu werden.

“Wenn rechtsextreme Gewalttäter in die Kommunalpolitik gewählt werden, ist das nichts anderes als eine Pervertierung unserer Demokratie. Damit droht eine rechtsextreme Alltagskultur zum politischen Programm zu werden. Rechte Angriffe auf Minderheiten und politische Gegner werden zunehmen und Rechtsextreme können aus den Institutionen heraus die Demokratie bekämpfen. Wenn Rechtsextreme Demokrat*innen jagen, ist unsere Antwort, sie zu wählen”, appelliert Timo Reinfrank.


Thüringen Wahlen 2024 – Analysen vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft
Einladung zum digitalen Pressegespräch am 29. Mai 2024 um 14 Uhr

Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringen begleitet die Wahlen mit analytischen Auswertungen vor dem Hintergrund des Abschneidens von Kandidat*innen und Listen von rechtsextremen Parteien und Bündnissen und den Konsequenzen für die Zivilgesellschaft vor Ort.

Das erste Gespräch mit zentralen Befunden zur Auswertung der Kommunalwahlen findet statt am: Mittwoch, 29. Mai 2024 um 14 Uhr via Zoom.

Sie erhalten einen Link zum Pressegespräch nach Anmeldung unter kathy.kursawe@idz-jena.de


 

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