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Szene der Corona-Maßnahmen-Gegner radikalisiert sich rasant – offener Antisemitismus normalisiert sich

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Berlin, 24.11.2020. In den letzten Monaten ist eine Normalisierung von Antisemitismus und eine Radikalisierung der Corona-Maßnahmen-Gegner zu beobachten. Diese Entwicklungen sind eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für potentielle Opfer von Hassgewalt, wie Jüdinnen und Juden oder von Rassismus Betroffene. Sie sind zugleich eine gesundheitspolitische Gefahr angesichts des Infektionsgeschehens inmitten der Zweiten Welle der Corona-Pandemie. Die Amadeu Antonio Stiftung fordert deshalb, Deradikalisierung und Antisemitismusprävention als Teil des Infektionsschutzes zu verstehen. Projekte und Maßnahmen zu diesen Themen müssen angemessen gefördert werden.

 

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Deradikalisierung heißt Infektionsschutz

Die jüngsten Demonstrationen der Corona-Maßnahmen-Gegner*innen in Berlin und Leipzig haben erneut das enorme Gewaltpotenzial der Szene gezeigt. Ihre Radikalisierung drückt sich im Schulterschluss unterschiedlicher Milieus mit der extremen Rechten aus. Sie ist gefährlich für Jüdinnen, Juden und von Rassismus Betroffene wie für die Demokratie. Denn die Demonstrationen schaffen antidemokratische Angsträume und No-go-Areas, insbesondere für von Rassismus und Antisemitismus Betroffene. Der Brandanschlag auf das Robert Koch-Institut und die zahlreichen Angriffe auf Pressevertreter*innen und Gegendemonstrant*innen zeigen die gesunkene Hemmschwelle zur Gewalt. Zudem stellen die Massendemonstrationen in der Corona-Pandemie auch eine gesundheitspolitische Gefahr dar.

Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, stellt fest: „Antisemitische Vorfälle auf den Massendemonstrationen häufen sich. Diese Szene wird so zum Motor einer Normalisierung von Antisemitismus in die gesamte Gesellschaft. Dabei zieht sich ein Netz aus Antisemitismen zusammen und eine Wand baut sich auf. Das ist gefährlich, das ist neu in der deutschen Nachkriegszeit. Antisemitismus, wie er jetzt aus den verschiedensten Ecken laut wird, wächst langsam zusammen und es entsteht diese neue Qualität. Daher ist es wichtig hier Einhalt zu gebieten und die Szene zurückzudrängen; zum Schutz der Demokratie und der Gesundheit.”

Eine klare Abgrenzung zu diesem Milieu ist dringend geboten. Die Amadeu Antonio Stiftung fordert ein konsequentes staatliches Vorgehen gegen die Demonstrationen. Außerdem muss die Zivilgesellschaft dringend in ihrem Kampf gegen die Radikalisierung angemessen unterstützt werden. Gesundheitspolitisch sollte medizinisches Personal verstärkt und gestärkt, besser geschützt und im Umgang mit potenziell gewaltbereiten Corona-Leugner*innen geschult werden.

Verschwörungsmythen legitimieren Gewalt

So unterschiedlich die Demonstrant*innen sein mögen, so geeint sind sie nicht nur in der Ablehnung der Maßnahmen der Regierung, sondern auch im Antisemitismus, der als gesellschaftlicher Kitt funktioniert und verschiedenste politische Milieus verbindet. Judenhass zeigt sich bei diesen Demonstrationen in Verschwörungsmythen, Shoah-Relativierung und Vergleichen mit dem Nationalsozialismus. Dabei werden altbekannte antisemitische Erzählungen aktualisiert: Hinter dem Virus stecke angeblich eine „jüdische Weltverschwörung“; die Legende von „Ritualmorden“ wird etwa von der QAnon-Erzählung aufgegriffen. Diese Verschwörungsmythen generieren eine Erzählung, die zur Notwehr aufruft und Gewalt legitimiert. Hier beobachten wir eine brandgefährliche Radikalisierung und Normalisierung.

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein, betont: „Ein Drittel der Bevölkerung glaubt inzwischen an geheime Mächte. Rechtsextreme nutzen solche Verschwörungsmythen zur Mobilisierung, die Gewaltbereitschaft in der Corona-Leugnungsszene steigt. Judenfeindschaft ist dabei ein großer gemeinsamer Nenner. Dieser normalisierte Antisemitismus bedroht unsere Demokratie als Ganze.“

Über alledem darf aber nicht vergessen werden, dass die Corona-Leugner-Szene eine laute und schrille Minderheit ist. Sie radikalisieren sich, aber sie sind bei weitem noch nicht in der Mehrheit. Kevin Kühnert, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD, dazu: „Diese laute Minderheit ist nicht wegen ihrer zahlenmäßigen Stärke gefährlich. Die ist überschaubar. Sie ist gefährlich, weil ihre Vertreter andere einschüchtern oder gefährden und demokratische Abläufe verächtlich machen. Bund und Länder müssen ihr Augenmerk in der Pandemie daher deutlich stärker auf Deradikalisierungsstrategien richten. Die breite demokratische Mehrheit in unserer Gesellschaft muss mit aller Kraft dabei unterstützt werden, sich der Angriffe auf sie erwehren zu können. Dafür müssen wir auch durch Forschung besser verstehen lernen, wer unsere offene Gesellschaft da herausfordert und wie kluge Demokratiestärkung dem entgegenwirken kann.“

 

Über die Amadeu Antonio Stiftung:

Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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