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Verfassungsschutzbericht 2019: Amadeu Antonio Stiftung fordert bundesweite Strategie zur Bekämpfung von Rechtsextremismus

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Berlin, 9. Juli 2020. Laut Verfassungsschutz gibt es 32.080 Rechtsextreme in Deutschland, 13.000 davon sind gewaltbereit. Anlässlich der heutigen Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2019 fordert die Amadeu Antonio Stiftung eine bundesweite Strategie gegen Rechtsextremismus.

Der Anstieg des „rechtsextremen Personenpotenzials“ von 24.100 auf 32.080 ist darauf zurückzuführen, dass die ca. 7.000 Mitglieder des völkischen AfD-„Flügels“ nun als Rechtsextreme  zählen. Im März 2020 wurde die AfD-Organisation dann als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingestuft. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremen erhöht sich laut Verfassungsschutz um 300 auf 13.000. Zudem verzeichnet das Bundesamt einen Anstieg antisemitischer Straftaten auf mehr als 2.000.

“Mit seiner Einschätzung zum aktuellen Rechtsextremismus folgt der Verfassungsschutz nun allmählich den Analysen von Journalisten und Zivilgesellschaft”, kommentiert Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, den Bericht. “Trotzdem bleibt besonders die rechtsextreme Vernetzung im digitalen Raum ein riesiges Dunkelfeld. Dort muss dringend hingeschaut und ein Frühwarnsystem installiert werden, sonst bleiben ein weiteres Halle oder Hanau zu befürchten.”

Die Amadeu Antonio Stiftung fordert, Fälle rechter Gewalt und rechten Terrors nicht weiter als Einzelfälle zu verharmlosen. “Durch Deutschland geht ein rechtsextremes Grundrauschen. Die rechtsextremen Netzwerke in Deutschland sind weit verzweigt und reichen bis in Polizei und Bundeswehr. Diese Netzwerke müssen restlos aufgedeckt und zerschlagen werden”, so Kahane. “Jedes weitere Zögern gibt Rechtsextremen das Gefühl, dass sie nichts zu befürchten haben. So werden sie zu immer weiteren Anschlägen motiviert.”

Amadeu Antonio Stiftung formuliert zentrale Maßnahmen zur kurzfristigen Umsetzung

In Reaktion auf den Anschlag in Halle im Oktober 2019 kündigte die Bundesregierung ein umfangreiches “Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität” an. Doch der jüngst verabschiedete Gesetzesentwurf konzentriert sich vor allem auf Hass im Netz und delegiert die Verantwortung an die Betreiber Sozialer Netzwerke. Zu begrüßen sind vereinfachte Melderegistersperren für Menschen, die von Rechtsextremen bedroht werden und der besondere Schutz von Politiker*innen, medizinischem Personal und NGO-Arbeit.

Das Gesetz wird das Problem Rechtsextremismus jedoch allein nicht lösen. Anstelle vereinzelter Maßnahmen hilft nur eine bundesweite ressortübergreifende Strategie von Bundesregierung und Sicherheitsbehörden zur Rechtsextremismusbekämpfung. Die Amadeu Antonio Stiftung hat zentrale Maßnahmen formuliert, die der kürzlich eingesetzte Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus angehen sollte:

  • Frühwarnsysteme zur Erkennung von Radikalisierungsprozessen einführen: Die Analyse und Erfassung des Rechtsextremismus muss an die veränderten Strukturen und Radikalisierungsprozesse angepasst werden. Zur Erfassung von Gefährdern sollten Erfahrungen aus der Bekämpfung von islamistischem Terror stärker auf Rechtsterrorismus übertragen werden.
  • Forderungen der NSU-Untersuchungsausschüsse umsetzen: Insbesondere mit Blick auf eine effektive Strafverfolgung rassistisch motivierter Straftaten braucht es einen Mentalitäts -und Strukturwandel bei Polizei und Justiz. Schwerpunktstaatsanwaltschaften zu Hasskriminalität müssen dringend eingerichtet werden.
  • Betroffene schützen und ihre Perspektive berücksichtigen: Polizei und Justiz müssen verstärkt die Perspektive von Betroffenen rechter Gewalt einbeziehen. Wenn es Erkenntnisse zu konkreten Gefahren gibt, sind potenzielle Opfer rechter Gewalt umgehend zu informieren.
  • Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, Gemeinnützigkeitsrecht reformieren: Die Bekämpfung von Rechtsextremismus kann langfristig nur durch die nachhaltige Förderung der Rechtsextremismusprävention gelingen. Demokratieprojekte drohen durch die ständige Befristung ihrer Finanzierung auszubrennen. Ein Demokratiefördergesetz, das die Projekte absichert, wurde lange angekündigt, doch bislang liegt nicht einmal ein Entwurf vor.

 

Über die Amadeu Antonio Stiftung:

Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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