Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

„Das N-Wort steht für die Diskriminierung schwarzer Menschen“

Diskussionsteilnehmende Jean-Alexander Ntivyihabwa, Dr. Sabine Schiffer und Saskia Barthel im Gespräch (Foto: F. Frintrop)

Welche Verantwortung tragen die Medien bei der Verbreitung rassistischer Stereotype und Vorurteile? Und was können sie tun, um rassistische Darstellungen zu vermeiden? Diese Fragen wurden auf einer Podiumsdiskussion in Leipzig gestellt.

Diskussionsteilnehmer*innen waren Dr. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung in Erlangen, Saskia Barthel, Redakteurin beim MDR-Fernsehen, und Jean-Alexander Ntivyihabwa, Gründungsmitglied von „Der braune mob e.V.“, der ersten deutschen Media Watch Organisation schwarzer Deutscher. Die vom Antidiskriminierungsbüro e.V. organisierte Veranstaltung fand im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus statt und wurde von der Amadeu Antonio Stiftung gefördert.

Medien lassen uns an Ereignissen teilhaben, die wir selbst nicht miterleben. Die Auswahl dessen, über was und auf welche Weise berichtet wird, lenkt und strukturiert unsere Wahrnehmung. Wie aber wird gegenwärtig über Menschen mit Migrationshintergrund und schwarze Deutsche in den Medien berichtet?

Während der Diskussion wurde immer deutlicher, dass es erschreckend häufig zu Rassismus in den Medien kommt. So verwendete beispielsweise das ZDF kürzlich erst wieder in einer Berichtserstattung den Begriff „farbig“, obwohl dieser Begriff schon alleine wegen der kolonialen Konnotationen nicht mehr benutzen werden sollte. Außerdem impliziert „farbig“ immer, dass Weiß die Norm sei. Auch wird häufig in Zeitungsartikeln über Straftaten explizit darauf hingewiesen, dass der Täter ein „Pole“, „Schwarzafrikaner“ oder auch „Türke“ gewesen sei, obwohl die Angabe der Nationalität keinerlei Informationsgehalt in sich trägt.

Was bewirken meine Worte?

Viele Lesende haben durch solche Hinweise das Gefühl, selbst nicht betroffen zu sein und sich klar von den Täter*innen abgrenzen zu können – wegen dessen (vermeintlich) anderer Nationalität. Es findet eine Ethnisierung von Konflikten statt. Journalist*innen haben zwar eine Informationspflicht, die sie erfüllen müssen, wie diese jedoch ausgelegt wird, ist interpretierbar. Journalist*innen, die in ihren Texten explizit über polnische oder türkische Täter*innen schreiben, wissen in der Regel genau, dass sie auf diese Weise ihre Quoten steigern können. „Sie peppen den Artikel durch Rassismus auf“, so die MDR-Redakteurin Saskia Barthel. Oft wüssten sie jedoch gar nicht, dass sie sich rassistisch äußern und reagieren auf Kritik mit Sätzen wie: „Wir tun doch nichts Böses!“ Laut Jean Alexander Ntivyihabwa hingegen müsse, wer publizistisch arbeitet, sich Gedanken darüber machen, was Worte bewirken. Unwissenheit schütze hier nicht. Einigkeit herrschte darüber, dass Journalist*innen sensibilisiert werden müssen, um rassistische Äußerungen in den Medien zu vermeiden. Hierzu gibt es beispielsweise die „Informationen für Journalisten zu diskriminierungsfreier Sprache“ auf der Internetseite des „braune mob e.V.“ (www.derbraunemob.de/shared/download/warum_nicht_schwarzafrikaner.pdf; www.derbraunemob.de/shared/download/warum_keine_farbigen.pdf)

Der Gebrauch des N-Wortes

Doch nicht nur in den Tagesmedien kommt es zu rassistischen Aussprüchen. 2007 kam trotz der Proteste schwarzer und weißer Menschen gegen die unreflektierte Verwendung des N-Wortes und die Reproduktion rassistischer Stereotype bereits der zweite Band „Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück” von Axel Hacke heraus. Die Bücher bestehen aus einer Sammlung von „Verhörern”. Unklar bleibt, warum ausgerechnet „Der weiße Neger Wumbaba” (ursprünglich „der weiße Nebel wunderbar” aus „Der Mond ist aufgegangen” von Matthias Claudius) als Coverbild und Titel herhalten muss. Laut Jean Alexander Ntivyihabwa müsse daher davon ausgegangen werden, dass es hierbei ausschließlich um einen reißerischen Aufhänger geht: „Das N-Wort ist eine Beleidigung, die für die Entmenschlichung, Misshandlung, Herabwürdigung und Diskriminierung schwarzer Menschen steht“. Es könne, so Ntivyihabwa, daher nicht zur Unterhaltung und Belustigung weißer Menschen benutzt werden, egal, ob damit Einzelne direkt oder eine Gruppe indirekt benannt werden (wie im Falle des weißen N`s).

Ist Pippi Langstrumpf eine Rassistin?

Auch in Kinderbüchern gibt es Fälle von Rassismus. Ein Auszug aus dem ersten Band von Astrid Lindgren´s Pippi Langstrumpf: „… Pippi war ganz sicher, dass ihr Vater eines Tages zurückkommen würde. Sie glaubte überhaupt nicht, dass er ertrunken sein könnte. Sie glaubte, dass er auf einer Insel an Land geschwemmt worden war, wo viele Neger wohnten, und dass ihr Vater König über alle Neger geworden war und jeden Tag eine goldene Krone auf dem Kopf trug …“ Ist Pippi Langstrumpf rassistisch? Die Verlagsgruppe Oetinger, die für die deutschsprachigen Ausgaben von Astrid Lindgren verantwortlich ist, verweist auf eine Stellungnahme des schwedischen Verlegers: Das N-Wort sei in den 1940er Jahren „die übliche Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Haut“ gewesen und habe seinen negativen Beiklang erst später bekommen. Ein Austausch des Begriffs sei „nicht so einfach“ zu bewerkstelligen. Zudem könne man „nicht sehen, dass Pippi irgendwo in den Büchern Vorurteile hegt“.

In der Tat wäre es völlig verfehlt, aus Astrid Lindgren eine Rassistin zu machen. Die historische Erklärung des Verlegers ist sicherlich richtig. Aber hilft sie weiter? Das Problem ist, dass Pippi-Langstrumpf-Bücher nicht nur von Literaturinteressierten mit Faible für historische Originaltexte gekauft werden, sondern zum Beispiel auch von Eltern, die ihren Kindern daraus vorlesen möchten.

Rassismus ist ein Problem, mit dem sich viele nicht-weiße Menschen auf unterschiedlichen Ebenen täglich konfrontiert sehen und ist niemals harmlos. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt die gerade laufenden Internationalen Wochen gegen Rassismus. Sie sind eine wichtige Einrichtung, um Rassismus einmal im Jahr in den Fokus der Öffentlichkeit und der Medien zu rücken.

Friederike Frintrop

Sie möchten Projekte gegen Rassismus unterstützen? Helfen Sie mit einer Spende an die Amadeu Antonio Stiftung. Online Spenden

 

Weiterlesen

image00004

„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.