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Rechtsextreme Kampagne gegen den Pride Month: Der „Stolzmonat“

Foto der Pride Flag von Raphael Renter | @raphi_rawr auf Unsplash, Bildmontage: Amadeu Antonio Stiftung

Diffuser „Heimatstolz“ statt der Zelebrierung queerer Lebensrealitäten und Errungenschaften? Genau das ist das Ziel des sogenannten „Stolzmonats“, einer rechtsextremen Kampagne, die seit 2023 gezielt versucht via Social Media den Hass auf LGBTQIA+ Menschen zu schüren.

Von Una Titz

In 2023 rufen Rechtsalternative und Rechtsextreme aus dem Dunstkreis der sogenannten „Honigwabe“, einer rechtsextremen Online-Troll-Community, den „Stolzmonat“ auf X (ehemals Twitter) als Gegenentwurf zum Pride Monat aus. Damit wollen Internettrolle ihren Hass auf LGBTQIA+ Menschen zum Ausdruck bringen und nationalistisch einfärben. Hinter der Kampagne steckt ein metapolitischer Social Media-Kaperungsversuch, welcher den Pride Monat gezielt untergraben möchte, um dadurch queere Menschen zu verhöhnen und weiter zu marginalisieren.

Stilistisch greift auch der Stolzmonat auf die Ästhetik der Regenbogenfahne zurück. Visuell ähnlich codiert ist auch die „neue“ Flagge des Stolzmonats, die mit einem schwarz-rot-goldenen Farbverlauf in sieben Abstufungen arbeitet. Zur gleichen Zeit verbreiten sich auf allen großen Social-Media-Plattformen neben unzähligen verhöhnenden Memes auch Stolzmonat-Profilbildkacheln mit der schwarz-rot-goldenen Flaggeneinfärbung der rechtsextremen Kampagne. Der Einschüchterungsversuch wirkt. Was aus queerfeindlichen Online-Communities letztes Jahr propagiert wird, etabliert sich schnell als Markenzeichen einer rechtsalternativen Bewegung, die bis in AfD-Kreise hineinwirkt. Denn nur wenig später ändern auch AfD-Abgeordnete wie Björn Höcke die Bilder ihrer Social Media Profile. Die extreme Rechte entdeckt den „Heimatstolz“ für sich und versucht, den Pride Monat für ihre menschenfeindlichen Inhalte zu nutzen. Auch öffentliche Kanäle der AfD beziehen auf X (ehemals Twitter) dazu Stellung und erklären die Deutschlandfahne für „bunt genug“. Eine klare, queerfeindliche Positionierung im von der extremen Rechten immer wieder gebetsmühlenartig beschworenen Kulturkampf.

Die Größe der Kampagne lässt sich unschwer erkennen. So zeigt eine Analyse der Universität Münster zusammen mit Marcus Bösch, dass es AfD-Mitgliedern auf TikTok gelang, sich sowohl mit regierungsfeindlichen sowie prorussischen Propaganda-Accounts zusammenzutun, um gezielt Stolzmonat-Propaganda auf der Plattform zu verbreiten. Allein auf TikTok verzeichnet der Hashtag #Stolzmonat in 2023 14 Millionen Views. Es ist kein Vorbeikommen, kaum öffnet man die App und scrollt ein wenig durch die „For-You-Page“, werden einem „Stolzmonat“-Inhalte ausgespielt.

2024: Stolzmonat geht in die nächste Phase

„Trage deutschen Stolz im Herzen und auf der Straße – zusammen mit Dr. Maximilian Krah! ⚽️ Es ist Europameisterschaft und #Stolzmonat. Und weil uns das pinke EM-Trikot nicht gefällt, haben wir alternativ für den Stolzmonat ein Stolz-Trikot produziert,“ lautet der diesjährige Appell zum Stolzmonat. Vorgetragen vom ehemaligen Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl. Aktuell versuchen rechte Aktivist*innen und selbsternannte TikTok-Guerilleros, den Stolzmonat zu verdichten und mit anderen Trendthemen, wie etwa EM, zu verflechten. Die rechtsextreme Mobilisierung fällt in Anbetracht von Party-Patriotismus und einem sich bereits jetzt ankündigenden Gefühl von „wir sind wieder wer“ auf fruchtbaren Boden. Dafür stehen schon jetzt Download-Server mit bereits vorproduzierten Memes zur Verfügung und ganze Posting-Handbücher für die erfolgreiche metapolitische Unterwanderung. Rechte Internetstrategen verfassen derweil auf Telegram und Co. Anleitungen zur Verbreitung des Stolzmonats und verlosen dafür Samsung oder iPhone Handys bzw. „Stolztrikots“ für denjenigen, dem es gelingt, die meisten Inhalte auf den Plattformen zu platzieren. Dabei werden ganze Textblöcke, Hashtags, Memes, Videos und Sounds bereitgestellt, die dafür sorgen sollen, dass sich die Kampagne über den eigenen Dunstkreis hinaus trägt. Social-Media Kits für organisierte Menschenfeindlichkeit. Und sie trägt sich: Erschreckend viele Nutzer*innen erklären sich bereit, über Sockenpuppenaccounts (Fake Profile) „Stolzmonat“ Inhalte zu posten.

Der Stolzmonat 2024 steht ganz im Zeichen der Europameisterschaft, die auch Rechtsextremen online zu „verweichlicht“ vorkommt. Weg von pinken Trikots und zurück zu schwarz-rot-goldenen Alternativen. Dabei wird auch aktiv durch handsignierte Shirts von Maximilian Krah versucht, den Stolzmonat vom digitalen Raum nach offline zu übertragen. Ziel: Das queerfeindliche, nationalistische Grundrauschen zu normalisieren, um die öffentliche Meinung, im selbst heraufbeschworenen Kulturkampf, damit gezielt zu polarisieren und den „Stolzmonat“ als eigenständiges Event im Juni zu etablieren. Gleichzeitig versuchen LGBTQIA+ Aktivist*innen, den Begriff im Sinne der Pride Month erneut umzudeuten – so wie Fabian Grischkat, der sich die Markenrechte am Begriff „Stolzmonat“ gesichert hat. Ob sich der Begriff Stolzmonat jedoch von seiner rechtsextremen Schöpfung noch loslösen lässt, bleibt abzuwarten. Denn schon jetzt reagieren rechtsextreme Trolls auf das Copyright von Grischkat mit einer Begriffsabwandlung – „STLZMNT“ – und versuchen weiter, nationalistisch zu polarisieren.

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