Rechtsextreme beeinflussen mit Wortschöpfungen den politischen und gesellschaftlichen Diskurs: Eingängige, wohlklingende und leicht von der Zunge gehenden Begriffe, hinter denen nichts als harmlos verpackter Hass steckt.
Und das hat schlimme Folgen. Während es für Politiker*innen – nicht nur rechtsextreme, auch demokratische – schwer zu erklären ist, in Talkshows das Grundrecht auf Asyl in Frage zu stellen, wird es mit Populismus und Framing deutlich leichter:
Das Sprechen von „Sozialtourismus“ beispielsweise relativiert die Gründe und die tatsächliche Realität einer Flucht. Denn Menschen verlassen ihre Heimat – folgt man diesem Narrativ – nicht wegen Kriegen, Verfolgung und bitterer Armut, sondern sie wollten lediglich Sozialleistungen abgreifen. Das Wort soll eine Erzählung aufmachen, die Schuldzuweisungen – „Flüchtlinge, die dem Staat unberechtigt auf der Tasche liegen“ – mit Leidtragenden verbindet: „der deutsche Steuerzahler“. Schon ist das simple Feindbild gestrickt, das einfache Lösungen verspricht: „Grenzen dicht“.
Und über diesen „Sozialtourismus“ lässt sich dann auch ganz offen in Talkshows sprechen – gemeint ist trotzdem das uneingeschränkte Grundrecht auf Asyl. Nicht umsonst wurde das Wort 2013 zum Unwort des Jahres gekürt. Die Jury begründete: „Dies diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu.“ Das Unwort bekam im Zuge der Migration aus der Ukraine neue Konjunktur – und wurde 2022 prompt wieder als Unwort des Jahres ausgezeichnet.
Mit solchen Wortschöpfungen platzieren Rechtsextreme ihre Positionen geschickt auf Titelseiten, in Stammtischdiskussionen, Kommentarspalten und in parlamentarische Debatten. Menschen- und demokratiefeindliche Postionen sickern so in den allgemeinen Sprachgebrauch. Und von dort sind sie schwer wieder loszuwerden. Das aktuelle Beispiel und Unwort 2023 ist „Remigration“.
Unwort des Jahres 2023: „Remigration“
Was mit „Remigration“ gemeint ist, wurde durch eine aktuelle correctiv-Recherche deutlich: Im November 2023 trafen sich führende Köpfe der AfD, der neu-rechten und rechtsextremen Szene in einer Villa in Potsdam. Sie planten die „Remigration“, die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland.
„Remigration“ ist ein Paradebeispiel für die verschleierte Sprache der Rechtsextremen: Remigration bezeichnet wissenschaftlich die Rückkehr in die Herkunftsgesellschaft am Ende der Migrationsbewegung eines Menschen. Als politisches Ziel formuliert, macht der Begriff den Eindruck, als handele es sich zunächst um eine Maßnahme im Zuge einer Migrations-Politik.
Hinter dem beschönigenden Begriff steckt ein ungeheuerlicher Plan, der sich gegen das Grundgesetz und die Gleichwertigkeit und Würde aller Menschen richtet: Rechtsextreme teilen Menschen nach Hautfarbe und Herkunft in wertvolles und weniger wertvolles Leben ein – und die AfD will willkürlich Menschen abschieben, auch wenn sie Deutsche sind. Es geht nicht um Migration: Es geht um Rassismus, Menschen zu sortieren, Menschen unter Zwang auszuweisen und zu deportieren.
Aus den Reihen der AfD wird die Berichterstattung über die „Remigrations“-Pläne nicht einmal mehr versucht – wie sonst so oft – zu erklären, zu rechtfertigen oder zu relativieren. Seit der Veröffentlichung der correctiv-Recherche bekräftigen führende AfD-Politiker*innen die Vorhaben. Die AfD-Landtagsfraktion aus Baden-Württemberg wirbt mit einem „Abschiebekalender“, ein Bundestagsabgeordneter fordert dazu auf, sich mit Abzeichen in sozialen Netzwerken zum „Team Remigration“ zu bekennen, und Björn Höcke bedauert öffentlich, dass er bei dem Treffen nicht dabei war.
Auf dem Treffen zählte der Rechtsextreme Martin Sellner auf, welche drei Gruppen nach seiner Auffassung Deutschland verlassen sollten: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“. Anders gesagt: Für bestimmte Menschen sollen die Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Rechtsextremes Framing hat schlechte Tradition
Als Unwort des Jahres 2023 reiht sich „Remigration“ in eine lange Reihe von Unwörtern ein, die eine Geschichte rechtsextremen Framings zeigen:
- Remigration (2023)
- Klimaterroristen (2022)
- Sprachpolizei (2021)
- Corona-Diktatur (2020)
- Umvolkung (2019)
- Klimahysterie (2019)
- Anti-Abschiebe-Industrie (2018)
- Genderwahn (2017)
- Volksverräter (2016)
- Gutmensch (2015)
- Lügenpresse (2014)
- Sozialtourismus (2013)
Ohne Wiederholung funktioniert das Framing nicht
Jedes Wort trägt zwangsweise einen Deutungsrahmen – sprachwissenschaftlich „Frame“ genannt –, der bestimmte, geschichtlich geprägte Bedeutungen und Assoziationen beinhaltet. Unser Verständnis der Wirklichkeit, woran wir bei Dingen denken und sie bewerten, wird durch diese Frames sprachlich „umrahmt“. Wenn durch Framing Begriffe neu definiert werden, erklären sie die Wirklichkeit auf eine andere Weise. Begriffe werden neu oder anders besetzt – und wir denken dann andere Dinge. Entscheidend für den Erfolg von Framing ist die stetige Wiederholung.
Grund genug, den Begriff „Remigration“ nicht einfach so zu wiederholen, als wäre es ein ganz normales Wort. Sondern immer klar zu benennen, dass es sich dabei um die faschistische Fantasie dreht, willkürlich Menschen zu sortieren und zu deportieren.