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Schutz und Begegnung für Frauen mitten in der “Stadt des NSU”

Haus der Frauen e.V. in Zwickau, (c) Frau Kaplan.

Zwickau: In der “Stadt des NSU” gibt es Hoffnung auf Diversität und eine blühende Demokratie: Das Haus der Frauen e.V. schafft erstmalig ein Safe Space für Frauen mit Migrationsgeschichte in der Stadt, von der aus unzählige rassistische Morde geplant wurden. Denn Zwickau ist auch das Zuhause von engagierten Frauen, die sich für eine starke Demokratie einsetzen: Das Haus der Frauen e.V. kämpft im Spannungsfeld zwischen Solidarität und Rassismus, und wird dabei von der Amadeu Antonio Stiftung unterstützt. 

von Charlotte Sauerland 

„Es gibt viele Frauen in Zwickau, die ohne Familie da sind. Die isoliert und einsam sind.“ schildert Frau Kaplan, die das Haus der Frauen in Zwickau mitgegründet hat. Bei ihrem hauptamtlichen Job als Integrationskoordinatorin hat sie viele Frauen mit Migrationsgeschichte im Landkreis kennengelernt:Gemeinsam wurde sich ausgetauscht und Zeit verbracht. Fehlende Sprachkenntnisse und Diskriminierungserfahrungen in Kita, Schule oder bei der Wohnungssuche machen es schwer für die Frauen, am sozialen und kulturellen Leben in Zwickau teilzuhaben. „Es gibt keinen Ort für sie“, erzählt Frau Kaplan. „Die Frauen sind immer zu hause und langweilen sich.“ 

So entstand die Idee in Zwickau einen Ort für Frauen zu gründen. Ein Ort sollte das sein, an dem sich Frauen mit Migrationsgeschichte über Alltägliches austauschen können wo sie sich wohlfühlen, Anschluss finden und sich zugehörig und sicher fühlen können. „Da sind so tolle Frauen mit so viel Potenzial, aber sie wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Es braucht Raum für Austausch.“ ist Frau Kaplan überzeugt. Das Haus der Frauen soll außerdem ein Ort sein, an dem Begegnungen auch zwischen Frauen mit und ohne Migrationsgeschichte stattfinden können. 

Gesagt, getan: der Verein Haus der Frauen e.V. wurde gegründet, Überzeugungsarbeit geleistet, Netzwerkpartner:innen gesucht, eine Satzung erstellt. Nachdem auch eine erste Finanzierung durch die Amadeu Antonio Stiftung gesichert war, konnte die Suche nach Räumlichkeiten losgehen. „Es war sehr schwierig ein Haus zu finden,“ erklärt Frau Kaplan. Viele Vermieter:innen lehnten ab. „Einen Frauenverein wollten wohl einige nicht in ihren Räumen haben, manche konnten sich vielleicht nichts darunter vorstellen und einige haben gefragt, ob es dann laut würde mit vielen Kindern.“ Nach einem halben Jahr hat es dann endlich geklappt: der Verein konnte seine neuen Räumlichkeiten, fast im Zentrum von Zwickau beziehen.

Großes Engagement und Solidarität

Die Elektrizität musste neu verlegt werden, der Putz erneuert, die Räume renoviert und gestrichen werden. Das verlangte großes ehrenamtlichem Einsatz von Frau Kaplan und vielen Helferinnen. „Aber jetzt haben wir Tische, Stühle, eine Küche mit Besteck und sogar einen Weihnachtsbaum“, freut sich Frau Kaplan. 50 Frauen aus verschiedenen Ländern, wie Afghanistan, Syrien, Libanon, Türkei, Polen, Ungarn und Tschechien sind mittlerweile mit dem Haus der Frauen assoziiert und haben sich digital vernetzt. 

Bei der großen Eröffnungsveranstaltung im November haben sie Essen und Tee gekocht, haben dekoriert, geputzt und Musik gemacht. Der Tag  war ein voller Erfolg, auch mit begrenzter Teilnehmendenzahl aufgrund der Pandemie. Nach längerer Diskussion, entschieden sich die Frauen, nur Frauen einzuladen, keine Ehemänner und keine Kinder. „Ich hatte das Vorurteil, dass keine Frau kommt, wenn die Kinder zuhause bleiben. Das stimmte überhaupt nicht.“, berichtet Frau Kaplan. Die Frauen haben viele Ideen, was sie im Haus der Frauen machen möchten: Sportkurse, Schwimmen und Yoga zum Beispiel. Auch Angebote für Kinder und Veranstaltungen zu Frauenrechten sollen hier stattfinden, wenn das pandemiebedingt wieder möglich ist. Wir erleben viel Solidarität. Viele tolle Menschen unterstützen uns.“, erzählt Frau Kaplan. Viele Bürger:innen spendieren Spielzeug und Bücher. Das Kulturbüro Sachsen und der Verband binationaler Familien standen dem Verein begleitend zur Seite. Bei der Eröffnungsfeier war auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Zwickau vor Ort.

Unsicherheit: Rassismus und Weiterfinanzierung

Doch leider erleben die Frauen nicht nur Solidarität, sondern machen auch negative Erfahrungen. Frau Kaplan erlebt immer wieder Alltagsrassismus, feindliche Blicke und hemmungslose Äußerungen. Am Fenster des Vereins klebten bereits mehrmals rechtsextreme Sticker. „Ich habe mich erschrocken,“ beschreibt Frau Kaplan ihr Gefühl, als sie die Aufkleber entdeckte. „Es macht mich unsicher, da ich nicht einschätzen kann, inwieweit sie für uns gefährlich sein können. Wird es bei den Stickern bleiben oder gehen sie weiter? Und wie sollen wir unsere Ziele erreichen, sichtbar werden und zur Gesellschaft gehören, wenn wir Angst haben und uns ‘verstecken’ müssen?“. 

Eine langfristige Finanzierung hat das Haus der Frauen derzeit noch nicht gefunden. „Ich führe Gespräche mit einzelnen Frauen darüber, wie es weitergehen soll.“, berichtet Frau Kaplan. Die organisatorische Arbeit hat Frau Kaplan bisher neben ihrem Job ehrenamtlich gemacht. Sie schreibt Projektanträge, kümmert sich um Anforderungen von Behörden an den Verein und beantwortet E-Mails. Langsam wird sie müde, sagt sie. „Aber wir geben nicht auf. Wir brauchen diesen Raum für Austausch. Das ist einfach notwendig.“

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