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„Entscheidende Momente der Menschlichkeit“ – Heike Kleffner über Anetta Kahane

"Meterdicke Mauern der Abwehr, des Verschweigens und der Verharmlosung zum Einstürzen gebracht."

Der Abschied von Anetta Kahane aus der Amadeu Antonio Stiftung ist ein willkommener und langer überfälliger Anlass um Anetta und ihr Lebenswerk zu würdigen: Ihren unermüdlichen Kampf gegen Antisemitismus und gegen das Vergessen und die Leugnung der Shoah, ihren unorthodoxen Antifaschismus, ihren Humor, ihr offenes Herz und ihre offenen Ohren für Underdogs und Nestbeschmutzer*innen. Damit hat Anetta in den „Baseballschlägerjahren“ und den nachfolgenden Jahrzehnten die gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen um rechte Gewalt, Antisemitismus und Rassismus geprägt.

Sie hat durch ihr konsequentes und kompromissloses Eintreten für die Betroffenen- und Opferperspektiven scheinbar meterdicke Mauern der Abwehr, des Verschweigens und der Verharmlosung ins Wanken und zum Einstürzen gebracht - unüberhörbar, dabei immer diplomatisch, effektiv und mit nachhaltigen Ergebnissen.

Heike Kleffner © Herzkampf by Martin Neuhoff

Heike Kleffner ist Journalistin und Geschäftsführerin des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.

„Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen"

Dazu gehört auch die großzügige und seit zwei Jahrzehnten andauernde Unterstützung für die Arbeit der Opferberatungsstellen und des VBRG durch Anetta und die Amadeu Antonio Stiftung. Diese nachhaltige, professionelle und solidarische Begleitung vieler tausend von rechten, antisemitischen und rassistischen Angriffen und Attentaten betroffenen Menschen unterschiedlichsten Herkunft und Alters wäre ohne die materielle und politische Unterstützung von Anetta und der Amadeu Antonio Stiftung schlichtweg nicht möglich gewesen.

 

Anettas konsequente und radikale Solidarität hat für sehr viele unterschiedliche Menschen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten von oftmals tödlicher rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt betroffen waren, entscheidende Momente der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und Zuversicht oder einfach nur ein ungläubiges und erleichtertes Lachen ermöglicht. Danke, liebe Anetta!

 

Für diejenigen, die Anetta – und den allgegenwärtigen Antisemitismus und Rechtsterrorismus der Jahrtausendwende in Ostdeutschland und Ost-Berlin – nicht selbst erlebt haben, soll hier an die unaufgeklärte Serie von antisemitischen Terroranschlägen in Berlin erinnert werden, die aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden sind. Sie werfen gleichzeitig ein Schlaglicht auf die erschreckende Kontinuität und brennende Aktualität von Anettas Lebensthemen. Mehr als 20 Jahre sind seit dem Sprengstoffanschlag auf den Jüdischen Friedhof in Charlottenburg im März 2002 vergangen und der Serie antisemitisch motivierter Attentate in Berlin vergangenen – ohne dass auch nur ein einziger Tatverdächtiger dafür jemals zur Verantwortung gezogen wurde. Was sich liest, wie eine Meldung von heute – inklusive der treffenden Kommentare von Anetta – ist auch die Beschreibung eines fürchterlichen Zustands: der Allgegenwart von Rechtsterrorismus und Antisemitismus und der Straflosigkeit für die Täter*innen.   

 

„Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen, forderte Albert Camus.  Wir wollen - in Anlehnung an Camus – an das große Glück des gemeinsamen Engagements für eine demokratische Gesellschaft ohne Antisemitismus und Rassismus erinnern, das Anetta mit uns geteilt hat und hoffentlich noch lange teilen wird. Dieses Glück bleibt in Form der Amadeu Antonio Stiftung und ihrer vielen Projekte in der Welt – für Anetta und uns alle. Danke! Masel tov ! מזל טוב !

 

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