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Unsichtbares sichtbar machen

Aus der Ausstellung, von: www.invisibleborders.de


Im Januar 2010 brannte das „Haus der Demokratie“ in Zossen bis auf die Grundmauern ab. Ein Neonazi gab später zu, das Feuer gelegt zu haben. Mitzerstört bei dem Brand wurde die Ausstellung „Residenzpflicht – Invisible Borders“, die gerade in Zossen Station machte. Noch bis 27. Mai ist „Invisible Borders“ neu aufgebaut wieder in Luckenwalde zu sehen, finanziell unterstützt von der Amadeu Antonio Stiftung.

Am 23. Januar 2010 stand Philipp Kuebart vor den Trümmern seines Projekts „Residenzpflicht – Invisible Borders“. Gerade erst war die Ausstellung, die Kuebart im Rahmen seiner Diplomarbeit ausgearbeitet hatte, nach Zossen ins „Haus der Demokratie“ gebracht worden, als der Neonazi-Brandanschlag sie zerstörte. Schnell war klar, dass die Ausstellung wieder aufgebaut werden sollte – aber klar war auch, dass Philipp Kuebart das nicht alleine schaffen würde. Eine Ausstellungsgruppe wurde ins Leben gerufen, die „Invisible Borders“ nicht nur wiederherstellte, sondern auch inhaltlich und didaktisch erweiterte. Schon im Juni 2010 war sie in Berlin wieder zu sehen und tourt seitdem durch Deutschland.

Seit dem 9. Mai diesen Jahres ist „Residenzpflicht – Invisible Borders“ nun endlich auch in Brandenburg zu sehen, nicht in Zossen, aber im nahegelegenen Luckenwalde. Begleitet wird die Ausstellung zum Thema „Flucht, Asyl und Migration“ von SJD – Die Falken Brandenburg. Die Falken waren es schon, die die Ausstellung 2010 nach Zossen gebracht hatten.

Unsichtbares sichtbar machen

Immer noch wissen nur wenige, mit welchen institutionalisierten Ausgrenzungsmechanismen sich Asylsuchende oder Flüchtlinge im Status der Duldung in Deutschland konfrontiert sehen. Darüber aufzuklären, ist Ziel der Ausstellung „Residenzpflicht – Invisible Borders“. Dass sich Flüchtlingsheime zum Beispiel häufig in Industriegebieten, am Rande oder außerhalb von Städten oder Ortschaften befinden, wird anhand von Modellen und Lageplänen deutlich gemacht. Auch die für Asylsuchende geltende Residenzpflicht wird auf plastische Weise erklärt. Verlassen Asylsuchende den ihnen von der Ausländerbehörde zugewiesenen Landkreis ohne vorher eine Erlaubnis beantragt zu haben, werden sie mit Bußgeldern oder Gefängnis bestraft. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen so stark einschränkt. Diese unsichtbaren Grenzen und Begrenzungen im Alltag von Flüchtlingen werden in der Ausstellung sichtbar gemacht.

„Residenzpflicht – kaum einer kann sich das vorstellen“

Mit Luckenwalde ist die Ausstellung nun an einem Ort angekommen, an dem das Thema „Flucht, Asyl und Migration“ einen direkten Bezug hat, denn in Luckenwalde gibt es ein Wohnheim für Flüchtlinge, das „Übergangswohnheim“ betrieben vom Arbeiter Samariter Bund. „Wir wollen mit der Ausstellung die Luckenwalderinnen und Luckenwalder für die Probleme der Flüchtlinge sensibilisieren, deshalb haben wir versucht sowohl eng mit den Flüchtlingen und der Leitung des Übergangswohnheims zusammenzuarbeiten, wie auch die Luckenwalder Bürgerinnen und Bürger in Veranstaltungen rund um die Ausstellung mit einzubeziehen.“, sagt Marc Brandt, Sozialarbeiter des SJD – Die Falken und Leiter des Jugendtreffs KLAB, „In Luckenwalde ist das Flüchtlingswohnheim zwar nicht so isoliert wie es Heime andernorts sind und der Heimleiter Herr Höhn bemüht sich, bestehende Barrieren abzubauen, aber dass es so etwas wie Residenzpflicht gibt, erstaunt viele Leute – kaum einer kann sich das vorstellen.“

Wie es wäre, wenn man selbst von der Residenzpflicht betroffen wäre, versucht ein Kurzfilm in der Ausstellung darzustellen. Marc Brandt, der bei dem Film mitgewirkt hat, erklärt: „Wir wollten die Leute ein wenig testen. Dafür haben wir uns mit Anzügen bekleidet und Bürokratendeutsch auf der Zunge an die Grenze des Landkreises Oberhavel zu Berlin gestellt und dort Passanten auf die ab jetzt für alle geltende Residenzpflicht angesprochen. Sie sei zur Eindämmung der Kriminalität gedacht. Erstaunlich viele Leute haben uns das abgenommen – „Wie komm ich dann noch zu Aldi?“, hat einer gefragt.

Besonders junge Menschen sollen angesprochen werden

Besonders junge Menschen sollten durch die Ausstellung in Luckenwalde angesprochen werden. „Wir möchten neue Kontakte zu politisch interessierten Jugendlichen aufbauen, und sie auch unterstützen, wenn sie sich für Rechte von Flüchtlingen einsetzen wollen“, erklärt Marc Brandt. So wurden für Schulklassen mehrere Führungen konzipiert, bei denen ihnen die Möglichkeit gegeben wird im Anschluss mit Flüchtlingen in einer Gesprächsrunde zu sprechen. Engagierte Jugendliche und junge Studierende waren auch entscheidend an der Organisation und Durchführung der Schülerführungen beteiligt. Für den Grillnachmittag am Übergangsheim waren sie für Auf- und Abbau zuständig, organisierten eine Hüpfburg und machten Buttons. „Es ist schön zu sehen, wie viel Engagement und Begeisterung diese jungen Menschen zeigen“, sagt Marc Brandt.

Am 27. Mai geht die Ausstellung in Luckenwalde zu Ende. Zum Abschluss wird der Verein Refugees Emancipation, der im Luckenwalder Übergangswohnheim ein Internetcafé betreut, noch einmal durch die Ausstellung führen. Von Luckenwalde aus zieht „Residenzpflicht – Invisible Borders“ weiter nach Dortmund und dann nach Trier.

Von Kristina Ditz

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„Erinnern heißt verändern“

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