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Veranstaltungsmitschnitt und Arbeitshilfen: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine: Mit Jugendlichen darüber sprechen – aber wie?

Zwei Wochen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine fand Anfang März unsere Informations- und Austauschveranstaltung mit Roman Labunski zur Frage Wie mit Jugendlichen über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sprechen? statt. Roman Labunski ist Lehrer und Teamer der Politischen Bildung, aktiv in der ukrainischen Demokratiebewegung und schreibt seine Doktorarbeit zum Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine.

Nach einem dialogischen Input mit Hintergrundinformationen und zu eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen beantworteten Roman Labunski und die Moderatorin Rosa Fava Fragen der Teilnehmer:innen. Das Ziel der Veranstaltung war, die Fachkräfte in der Jugend- und Bildungsarbeit dabei zu unterstützen, sich ein fundiertes Urteil über die akute Situation zu bilden, um jungen Menschen mit einer klaren und reflektierten Haltung begegnen und den vielen Emotionen eine Orientierung geben zu können.

Zentral für Roman Labunski waren Ausführungen dazu, dass es im Internationalen Recht keinerlei Legitimationsgrundlage für den russischen Angriff auf die Ukraine gibt, der Krieg also völkerrechtswidrig ist. Dies ist Grundlage für jedes weitere Gespräch, wird aber gar nicht allgemein geteilt. Viele Menschen folgen, unabhängig von ihrer Herkunft, russisch- und deutschsprachigen staatlich gelenkten russischen Medien, die das Bild verbreiten, in der Ukraine wären Nazis an der Macht und würden Russ:innen systematisch verfolgen. Solche Erzählungen wies Roman Labunski als Lügen und Mythen zurück und stellte zudem klar, dass es keinerlei Aggressionen ukrainischer militärischer oder paramilitärischer Kräfte gegen Russland gibt. Weiter teilen viele Menschen, gerade im kritischen Spektrum, die Einschätzung, die NATO-Staaten würden Russland in die Enge treiben. Dieser Einschätzung widersprach Roman Labunski ebenfalls und betonte, es seien die Nachbarstaaten Russlands, die sich angesichts der russischen Politik unsicher fühlten und daher enge Verbindungen zu westlichen/europäischen Bündnissen suchten.

 

Weitere Punkte, die angesprochen wurden:

  • Über alle anderen Punkte soll diskutiert und auch gestritten werden, wie es das Kontroversitätsgebot fordert
  • Je nach Alter bzw. den Kompetenzen im politischen Denken sollen die Jugendlichen die Möglichkeit haben, sich zentrale Erkenntnisse in der Auseinandersetzung mit Materialien bzw. ihren pädagogischen Bezugspersonen selbst zu erarbeiten (Überwältigungsverbot). Schon Kinder können, so Roman Labunskis Erfahrung, auf Grundlage einfacher Fakten erkennen, dass die Rechtfertigung Wladimir Putins für den Krieg falsch ist.
  • Für junge Menschen bieten die deutschsprachigen öffentlich-rechtlichen Medien eine gute Informationsgrundlage, da Faktenchecks durchgeführt werden bzw. auf die fehlende Möglichkeit zur Überprüfung von Meldungen hingewiesen wird und so auch Medienkompetenz erworben wird.
  • Wenn Kinder und Jugendliche aus russischen oder anderen Communities oder Subkulturen (wie die Querdenker:innen-Szene) kommen, in denen ihre Bezugsgruppen die seit Jahren bestehende russische Propaganda teilen, muss man sie mit gegenteiligen Informationen irritieren und dazu anregen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Natürlich muss wie immer sensibel mit Fragen von Identität und Zugehörigkeit umgegangen werden.

Es ging auf der Veranstaltung um die unmittelbare Situation der russischen Invasion in die Ukraine, die Entstehungsgeschichte konnte nicht angesprochen werden und viele Punkte blieben in der kurzen Zeit unerwähnt.

Eine eindeutige Haltung zum Bruch des Internationalen Rechts und der Menschenrechte durch das russische, stark auf Wladimir Putin zentrierte System, hielt Roman Labunski fest, bedeutet nicht, dass man:

  • … alle von deutscher und internationaler Seite ergriffenen Maßnahmen gutheißen müsse,
  • … in das mediale ‚Wir im zivilisierten Europa‘ einstimmen müsse oder
  • … die inneren Verhältnisse in der Ukraine nicht kritisieren dürfe

Als wichtigste Probleme im Alltag nannten die Teilnehmer:innen:

  • Das Mobbing von Kindern und Jugendlichen aus russischen Communities von als russisch gelesenen Menschen: Dem muss entschieden entgegengewirkt werden!
  • Die Hierarchisierung von Geflüchteten je nach Herkunft und Hautfarbe, Religion und Sprache im öffentlichen Diskurs sowie durch die unterschiedlichen Maßnahmen, was insbesondere von selbst geflüchteten Jugendlichen aus anderen Regionen stark wahrgenommen wird:
    • Der ungleiche Umgang muss sachlich kritisiert werden, damit sich keine Ressentiments gegen die Flüchtenden aus der Ukraine bilden!
    • Dazu gehört, die Rechtsgrundlage in den Blick zu nehmen, die Ukrainer:innen einen dreimonatigen Aufenthalt im Schengenraum erlaubt!
    • Gleichzeitig sollte man sich über den speziellen antislawischen Rassismus informieren, der Menschen aus Ost- und Südosteuropa trifft! Ähnlich wie bei den Spätaussiedler:innen/ Russlanddeutschen, die in den 1990er Jahren nach Deutschland einwandern durften, schützen ein freundliches Klima und staatliche Vorzugsregelungen nicht gegen Alltags- und strukturellem Rassismus. Dazu ein einführendes Interview mit einem Experten.

Weiterführende Links:

  • Vertiefende Sachinformationen

Historischer Abriss über die jüngere Geschichte der Ukraine im Verhältnis zur Sowjetunion: Artikel bei „analyse und kritik“

Verschwörungsideologien rund um den Krieg (nicht nur) in der Neuen Rechten: Artikel auf Belltower News

Symbole und Codes rechtsextremer Gruppen in Russland und in der Ukraine: Artikel auf Belltower News

Desinformationen in den staatlichen Medien Russlands: Artikel auf Belltower News

Die Instrumentalisierung von Geflüchteten unter Rechtsextremen: Artikel auf Belltower News

Die Thematisierung des Kriegs auf TikTok: Beitrag beim rbb

  • Arbeitshilfen

Eine Handreichung der ju:an-Praxisstelle zur Willkommensstruktur in Jugendfreizeiteinrichtungen angesichts der Einrichtung von Willkommensklassen für Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in Berlin. Die GEW Berlin macht unterschiedliche Unterstützungsangebote. Informationen und Tipps für Fachkräfte der Schule und Jugendhilfe gibt der Infobrief der SIBUZ Berlin, und der Senat für Bildung, Jugend und Familie hat eine Seite auf Ukrainisch.

Tipps für den Umgang mit dem Krieg in Schule und Bildungsarbeit, vielfach auch im Bereich der Jugendarbeit brauchbar, geben beispielsweise die GEW, das Lehrerbildungsinstitut in Hamburg auf einem Padlet mit einer sehr umfangreichen Materialiensammlung oder die Bundeszentrale für politische Bildung.

 

 

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