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Verfassungsfeindlichkeit: Was ist demokratiefeindlich an der AfD?

Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler, Bearbeitung: Amadeu Antonio Stiftung

Die AfD wird zwar demokratisch gewählt, dabei ist die Ausrichtung der rechtsradikalen Partei und viele Äußerungen ihrer Vertreter*innen alles andere als demokratisch. Was ist verfassungsfeindlich an der AfD?

Wer demokratisch gewählt wird, muss nicht demokratisch sein. Das zeigt das Beispiel der AfD ziemlich deutlich. Die selbsternannte Alternative für Deutschland betreibt Wahlkämpfe, ihre Vertreter*innen haben parlamentarische Ämter inne und sie tritt als „bürgerliche“ Partei in einem demokratischen System auf. Die AfD bezeichnet sich selber gerne als „Volkspartei“. Ihre politischen Ziele versucht sie dabei jedoch mit hetzerischen und rassistischen Worten und Inhalten gegen politisch-ideologische Feindbilder auf parlamentarischer, wie auch gesellschaftlicher Ebene umzusetzen.

Aus gutem Grund stufte der Bundesverfassungsschutz die AfD und ihre Jugendorganisation, JA, 2019 erst als „Prüffall“ ein, zwei Jahre später, 2021, als „Verdachtsfall“. Es gebe „ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei“, lautet ein Gerichtsurteil. Die JA verstoße „gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes” und stehe „im Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, hieß es im Verfassungsschutzbericht von 2021.

Demokratiefeindlichkeit bedeutet Propaganda gegen Bausteine der Demokratie, wie Menschenrechte, Gleichheit, Volkssouveränität, Gewaltenteilung und Freiheit. Landesverbände der AfD wurden bereits vor 2021 in verschiedenen Bundesländern (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg) als sogenannter extremistischer Verdachtsfall oder sogar als erwiesen rechtsextremistisches Beobachtungsobjekt (Thüringen) von den Landesbehörden des Verfassungsschutzes eingestuft und beobachtet.

„Der Verfassungsschutz ist ein Regierenden-Schutz in Deutschland. Ein Oppositions-Unterdrückungsinstrument, insbesondere wenn die Opposition vernünftig ist und bürgerliche und konservative Politik macht, wie die AfD“. Stephan Brandner, am 5. Februar 2021, YouTube.

Möchte man über all die verfassungsfeindlichen Elemente der AfD schreiben, würde wohl ein 1.000-seitiges Buch noch lange nicht alles erfassen können. Beinahe täglich scheinen sich AfD-Politiker*innen in den Parlamenten, in den sozialen Netzwerken oder auf der Straße mit ihren demokratiefeindlichen Aussagen überbieten zu wollen.

Völkischer Nationalismus

Ein zentraler Unterschied der AfD zu demokratischen Parteien ist, dass sie nicht die Staatsbürger*innen anspricht, sondern „das Volk“. Jenes von ihnen konstruierte Volk stünde einer angeblich korrupten Machtelite gegenüber und müsse sich wehren.

„Die Identität des Volkes ist eine Mischung aus Herkunft, aus Kultur und aus rechtlichen Rahmenbedingungen. Der Pass alleine macht noch keinen Deutschen. Als AfD sind wir deshalb dafür, das sogenannte Abstammungsprinzip, das bis vor Kurzem noch gegolten hat, wiedereinzuführen.“ Marc Jongen, „Parteiphilosoph“ und Bundestagsabgeordneter im Mai 2016 im Interview mit der Zeit.

Die AfD argumentiert vielfach mit dem Gedanken eines biologisch konstruierten deutschen „Volk“, das als vermeintlich homogen gedacht wird, also als gleichartig in Eigenschaften und Verhaltensweisen.

„Für ihre Vorgänger, von Adenauer bis Kohl, von Brand bis Schmidt gab es darüber hinaus noch etwas anderes, ein ethnisch, kulturelles, deutsches Volk mit einer eignen geschichtlichen Identität.“  Bernd Baumann (parlamentarischer Sprecher der AfD) bei der Regierungsbefragung am 25. Januar 2023 im Bundestag

Die Zugehörigkeit zum Volk wird wahlweise biologistisch („hier geboren“, „weiße Hautfarbe“), ethnisch („deutsche Kultur“ oder „Kulturraum“) oder nationalistisch definiert. Es gibt für Menschen, die diesen Definitionen nicht entsprechen (zum Beispiel Migrant*innen, Geflüchtete) kaum bis keine Möglichkeit, diesen als mehr oder weniger unveränderlich dargestellten Gruppen beizutreten. Dieses „Volk“ wähnt die AfD in Gefahr. Die Argumentation ist ein Kernstück rechtsradikaler und rechtsextremer Ideologie.

„Ab 2015 spaltete die illegale Zuwanderung Millionen kulturfremder Menschen unser Volk. Seit eineinhalb Jahren setzt der freiheitsgefährende ‚Corona-Notstand‘ diese Spaltung unseres Volkes fort. Und man muß kein Prophet sein, um vorauszusagen, daß in Bälde ein wohlstandsvernichtender ‚Klima-Notstand‘ erneut unser Volk spalten wird.“ Björn Höcke am 3. Oktober 2022 auf Telegram

Rassismus als zentrales Element der AfD

Ein zentrales Element der AfD, und traurigerweise über einige Jahre ihr Erfolgsrezept, ist ihr Rassismus. Bis auf die mittlerweile bedeutungslose NPD und andere neofaschistische Kleinstparteien, gibt es im deutschen Parteienspektrum keine Partei, die ihren Rassismus derart offen zu Schau stellt. Wobei sich die Verpackung rassistischer Argumente in den letzten Jahren gewandelt hat.

„Unser Rechtsstaat, unsere Art zu leben und unsere Werte sind ernsthaft in Gefahr und es wird allerhöchste Zeit, die Dinge jenseits politisch korrekter Sprach- und Denkverbote beim Namen zu nennen: Das realitätsfremde Experiment eines ideologiegetriebenen Multikulturalismus ist gescheitert.“ – Alice Weidel am 7. Januar 2023 in der Jungen Freiheit

Wo früher Rassist*innen mit „den Rassen“ argumentierten, sprechen sie heute von Kulturen. Rassismus wird also nicht mehr so stark biologistisch begründet, sondern unter Bezugnahme auf Kulturen und Religionen. Im Grundsatzprogramm der AfD von 2016 heißt es dazu wörtlich:

„Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“ Grundsatzprogramm der AfD von 2016

Die AfD begreift die Nation als „kulturelle Einheit“, die durch andere „wesensfremde“ Kulturen gefährdet sein. Die AfD impliziert gleichzeitig, dass andere Kulturen und Menschen nicht so wertvoll seinen, wie die Deutsche.

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland. In der Ausbreitung des Islam und der Präsenz von über 5 Millionen Muslimen, deren Zahl ständig wächst, sieht die AfD eine große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung.“ Bundestags-Wahlprogramm der AfD von 2017

Im Bundestags-Wahlprogramm der AfD von 2017 wird die Partei explizit: Die bloße Präsenz von Muslim*innen sei eine „große Gefahr für unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Werteordnung“, deshalb müsse man sich gegen sie verteidigen. Die AfD stellt damit den Grundsatz der gleichen Menschenwürde eines jeden Individuums (Artikel 1 Absatz 1 GG) fundamental infrage, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist und niemand wegen seines Geschlechtes, Abstammung, „Rasse”, Sprache, Heimat und Herkunft, Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder einer Behinderung benachteiligt werden darf. Weil die AfD bestimmte Personengruppen pauschal abwertet, wendet sie sich gegen die unabdingbaren Grundlagen der Menschenrechte und eines demokratischen Rechtsstaates.

„Man darf als Sozialeinwanderer eben nur nicht so dämlich sein, eine ordentliche Arbeit anzunehmen — denn es sind die deutschen Steuerzahler, die diese Party finanzieren.“ Björn Höcke beim Neujahrsempfang der AfD Münster 2023.

Anzweifeln von demokratischen Prinzipien

Zur Strategie der AfD gehört es, demokratische Prinzipien anzuzweifeln und Misstrauen in die Verfassung zu säen. Sie impliziert mit ihren Aussagen, dass Vertreter*innen demokratischer Parteien korrupt und inkompetent seien und sie rechtsstaatliche Prinzipien zerstören wollen. Dabei sind es doch gerade die AfD-Kader, die zu großen Teilen demokratische Prinzipien angreifen.

 „Deutschland ist kein Rechtsstaat mehr!“ Björn Höcke im Dezember 2021 auf Facebook 

Häufig nutzt die AfD und ihre Vertreter*innen zur Untermauerung ihrer Propaganda Verschwörungsmythen. Wie zum Beispiel, dass die Medien- und Presselandschaft von linken Eliten geleitet würde. Dass Migrationsbewegung ganz gezielt von (jüdischen) Eliten gesteuert würden, um das weiße-deutsche Volk auszurotten oder zu versklaven. Dass gendern und das Einstehen für LGBTQI*-Rechte lediglich dem vermeintlich bösen Plan der gleichen ominösen Eliten diene, um das weiße-deutsche Volk zu verweichlichen und auszurotten. Oder, dass die Corona-Pandemie von langer Hand von bösen Eliten geplant gewesen sei, um demokratische Völker zu unterjochen.

„Ampel & Kartellparteien ist alles zuzutrauen. Impfpflicht, Überwachungsstaat, Abbau von Grundrechten, Great Reset, unkontrollierte Einwanderung, Ökodiktatur.., Beängstigend!“ Malte Kaufmannam, AfD-Bundestagsabgeordneter, 29. Dezember 2021 auf Twitter

Die AfD greift rechtsstaatliche Grundprinzipien wie die Gleichheit aller Menschen und Freiheitsrechte für Bürger*innen, Presse und politische Opposition an. Zugleich agiert sie aber in größeren Teilen noch auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und plädiert (noch) nicht für eine Abschaffung der Demokratie als grundlegender Staatsform.

„Was hier geschieht ist nichts anderes, als ein Staatsstreich, denn die Regierung tauscht sukzessive das Staatsvolk, den eigentlichen Soverän des Grundgesetzes, aus. (sic!)“ Björn Höcke am 30. November 2022 auf Telegram

Die Radikalisierung der AfD geschah und geschieht nicht spontan. Seit jeher sind in der Partei Menschen aktiv, die rechtsextreme Weltanschauungen vertreten. Mit ihren punktuellen „Maus”-rutschern, verschieb die AfD stetig die Grenze des Sagbaren und damit auch die Grenze des Machbaren.

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