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Wenn Worte weh tun

Rassismus fängt mit Gesten und Worten an. Bei einer Konferenz der Mobilen Opferberatung in Magdeburg unter dem Titel „Let´s talk about Rassismus“ wurde über ein Thema gesprochen, über das sonst kaum eine Zeitung schreibt und kaum ein Fernsehsender berichtet – über alltäglichen Rassismus.

Dieser Rassismus drückt sich nicht in Form von Schlägen oder Fußtritten aus, sondern in Gesagtem oder Nicht-Gesagtem. Die Konferenz in Magdeburg wurde durch die Amadeu Antonio Stiftung gefördert, da sie einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema Alltagsrassismus leistet. Antonie Rietzschel hat aus Erfahrungsberichten von zehn Betroffenen notiert:

„Stell dir vor, du betrittst eine Kneipe oder ein Café, setzt sich hin und alle anderen stehen auf und setzen sich weiter weg. Das ist mir nicht nur einmal passiert. Man hat echt keine Lust mehr, irgendwo reinzugehen.“

„Ich bin mit einem Mann aus dem Kongo verheiratet. Zu Weihnachten schenkten meine Eltern unserem gemeinsamen Sohn eine afrikanische Trommel. Als er trommelte und tanzte, meinten sie, das habe er in den Genen. Leute nennen mein Kind ‚Mischling‘, ‚Negerkind‘ oder ‚Mulatte‘. Ich wurde einmal in der Straßenbahn als ‚Negerschlampe‘ bezeichnet. An die mitleidigen oder angeekelten Blicke habe ich mich schon gewöhnt. Es ist schon nicht so einfach, aber ich bin sehr stolz auf meinen Sohn und ich habe ihn sehr lieb.“

„Ich lebe im Asylheim in Burg. Eines abends war ich mit einem Freund in der Stadt unterwegs. Wir kamen zu einem Café. Zwei weiße Frauen luden uns ein, mit ihnen was zu trinken. Das Café war gegenüber vom Polizeipräsidium, von wo aus wir wahrscheinlich beobachtet wurden. Plötzlich fuhr ein Streifenwagen mit Blaulicht vor. Zwei Polizisten stiegen aus und verlangten unsere Ausweise, die natürlich in Ordnung waren. Sie sahen sie durch und sagten, dass wir zurück zum Asylbewerberheim gehen sollten. Wir sagten, dass wir erwachsene Menschen seien und nur was trinken wollten. Dann schalteten sich die beiden Frauen ein. Zu denen sagten die Polizisten, dass, wenn sie schon nicht auf ihre Eltern hörten, sie dann wenigstens Respekt vor der Polizei haben müssten. Hier gibt es so viele Nazis. Wen sollen wir rufen, wenn wir überfallen werden? Sicher nicht die Polizei!“

„Ich habe einen deutschen Mann geheiratet und bin mit meiner Tochter aus Brasilien nach Deutschland gekommen. Mein Mann hat uns verboten, miteinander portugiesisch zu sprechen.“

„Die Nummer 226 werde ich nie vergessen. Es war die Nummer des Büros eines Richters, bei dem ich einen Termin wegen meines Asylverfahrens hatte. Der hatte zu DDR-Zeiten fünf Jahre in Syrien gelebt. Er fragte mich, woher ich komme. Ich sagte ‚Syrien‘. Er: ‚Das kannst du vergessen. Du brauchst kein Asyl. Syrien ist ein demokratisches Land.'“

„Als ich mit einer deutschen Freundin draußen im Park saß, wurde sie plötzlich angequatscht: ‚Ey, findest du keinen anderen, oder was?'“

„Neulich war ich beim Arzt, ich hatte einen Termin um elf. Ich war ein bisschen früher da, setzte mich ins Wartezimmer, wo schon ein anderer Typ saß. Der kam dran, und noch zwei andere, die mittlerweile gekommen waren. Ich dachte natürlich, dass das ja ganz normal sei, warten zu müssen. Aber dann kamen immer mehr Leute und wurden vor mir rein gerufen. Es wurde später und später. Es war so demütigend, einfach da zu sitzen und nicht dran zu kommen. Schließlich war es kurz vor Praxisschluss und nur eine Person saß noch mit mir im Wartezimmer. Da bin ich dann gegangen.“

„Ich hatte einen Termin bei der Ausländerbehörde in der Halberstadt. Die Beamte, die für mich zuständig war, erklärte mir, dass sie leider heute nicht arbeiten könne, weil es viel zu heiß sei. Beim zweiten Mal hieß es, dass ich nur als Christin eine Aufenthaltsverlängerung bekäme. Und ich sei ja Muslimin.“

„Wenn ich als weiße Deutsche mit einer oder einem Schwarzen irgendwo hin gehe, reden die Leute immer mit mir über die andere Person: ‚Kann sie denn deutsch?‘ oder ‚Wo kommt sie denn her?‘. Es ist, als ob ich mit einem kleinen Kind unterwegs wäre. Es ist so peinlich.“

„Ich habe bei einer Zeitschrift gearbeitet und wurde immer als Quotentürke beschimpft. Natürlich sollte es immer nur ein Scherz sein.“


Zusammengestellt von Antonie Rietzschel

 

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„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

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