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Wer schreibt, bleibt! Schreibworkshop empowert junge Sinti*zze und Rom*nja

Foto: © Kelipen e.V

Rassistische Übergriffe, Abwertungserfahrungen und strukturelle Diskriminierungen gehören für viele Rom*nja und Sinti*zze zum Alltag. In einem Sommerferienworkshop für kreatives Schreiben des Kelipen e.V. in Berlin brachten Jugendliche ihre Perspektiven und Forderungen nach gesellschaftlicher Teilhabe, Rassismusabbau und sozialer Gerechtigkeit zu Papier. Der Workshop wurde durch die Amadeu Antonio Stiftung gefördert.

Von Vera Ohlendorf

Der Verein Kelipen e.V. setzt sich seit 2021 für die Förderung von Rom*nja und Sinti*zze-Künstler*innen in Berlin ein. Mit dem Rom*nja Theater Kollektiv ist so eine Kulturinitiative entstanden, die Geschichten ohne Klischees auf die Bühne bringt und damit Lebensrealitäten sichtbar macht, die sonst oft unerzählt bleiben. Die Förderung junger Sinti*zze und Rom*nja ist dem Verein ein besonderes Anliegen: „In Berlin erleben wir zunehmend Rassismus und Antiziganismus, in Schulen und auf offener Straße“, sagt Rea Kurmann, die den Workshop organisiert hat. „Die Methode des Kreativen Schreibens ist ein Mittel, um Resilienz und Kraft junger Menschen gegen diese Bedrohungen zu stärken und eine Kultur des Widerstands zu schaffen.“

Stärke entwickeln, widerständig werden

Rea Kurmann ist sich sicher: Rassismus und das kollektive Trauma des kaum aufgearbeiteten Genozids an Rom*nja und Sinti*zze während des Nationalsozialismus können durch die Methode des Lebendigen Schreibens bearbeitet und mit Leser*innen geteilt werden: „Die Jugendlichen haben sich intensiv mit rassistischen Erfahrungen auseinandergesetzt und dafür Formulierungen gefunden. Sie waren erstaunt, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben. In der Gruppe haben sie Verbündete gefunden, sich gegenseitig unterstützt und darüber gesprochen, wie man sich behaupten kann, wenn man Rassismus in der Schule erlebt. Wir haben dafür einen Raum schaffen können“, beschreibt sie.

Die Jugendlichen hätten unterschiedliche Schreib-Vorkenntnisse und Bildungsniveaus mitgebracht, so dass manche mehr Hilfe als andere gebraucht hätten. Rechtschreibung oder Fehler spielten keine Rolle, alle Sprachen waren erwünscht. Die Organisator*innen legten Wert darauf, den Teilnehmenden Jugendbücher und Comics von Romani-Autor*innen vorzustellen und mit ihnen unterschiedliche Ansätze der Erinnerungskultur zu besprechen.

Spielerische und thematische Impulse waren Inspirationsquellen, um sich mit eigenen Stärken auseinanderzusetzen und kreative Schreibformen zu finden. „Eine Teilnehmerin hat dann Monstergeschichten geschrieben. Wir haben so alle gelernt, dass man rassistische Erlebnisse auch auf humorvolle, überzeichnete Weise verpacken kann und so einen Zugang zu diesen Erfahrungen schafft“, beschreibt Rea Kurmann. Die Ergebnisse des Workshops sind so vielfältig wie die Teilnehmer*innen: Es sind kurze und lange Texte entstanden, Gedichte und Erzählungen.

Kraftvolle Texte kommen auf die Bühne

Einige Teilnehmende wurden nach dem Workshop politisch aktiv und trugen ihre Texte vor großem Publikum vor: Am 28. September 2024 hatten verschiedene Selbstvertretungsinitiativen zu einer Kundgebung zum Erhalt des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Berliner Tiergarten aufgerufen. Die Organisator*innen befürchten, dass dieses durch den geplanten Bau einer unterirdischen S-Bahn-Linie gefährdet sei.

Eines der dort vorgetragenen Gedichte einer Teilnehmerin dürfen wir veröffentlichen:

Ich sage: Auschwitz lebt

und atmet noch heute in mir.

Ich spüre noch heute das Leid.

Jeder Grashalm, jede Blume dort

Ist die Seele eines Toten.

Ich habe gesehen.

Alles ist wieder da,

alles ist wieder nah.

Überall spürt man,

dass die Seelen mit einem mitgehen.

Es ist unbegreiflich, dass es Menschen gab,

die solch eine Stätte des Grauens errichten konnten.

Auschwitz war viel schlimmer

Als die heutigen Kriege.

Auschwitz und seine gleich schlimmen Geschwister,

wo sie auch immer sind und waren.

Sie brachten mit ihren menschenvernichtenden Gasfabriken

Asche, Rauch, Urnen.

Brennen, Asche.

Asche in der Urne.

Wer ist wirklich in der Dose?

Ist es mein Vater?

Einige Ideen aus entstandenen Texten sind außerdem in das Stück „Rom*niX – Eine innovative Hommage an die Widerstandskraft“ des Rom*nja Theaterkollektivs eingeflossen, das im September 2024 an der Volksbühne Berlin zu sehen war.

Rea Kurmann zieht ein positives Fazit: „Die Teilnehmenden haben Selbstbewusstsein gewonnen, auch in Bezug auf ihre Rechte. Sie haben viele Möglichkeiten kennengelernt und ausprobiert, um zu schreiben und damit ihre Stimme zu erheben. Sie haben verstanden, dass die, die schreiben, auch gelesen werden.“

Die Engagierten des Kelipen e.V. wollen angesichts des großen Empowerment-Bedarfs weitere Schreibworkshops für verschiedene Altersgruppen anbieten. Außerdem ist ein Kindermusical in Planung.

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