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Hintergründe

Internationaler Frauentag: Zeit zu feiern – und weiterzukämpfen

© Add Your Heroine!

Auf Initiative der Frauenrechtlerin und Politikerin Clara Zetkin wurde im März 1911 der erste Frauenkampftag in Deutschland veranstaltet. Die zentrale Forderung des damaligen internationalen Frauentags: das freie, gleiche und geheime Frauenwahlrecht. Beim diesjährigen 8. März ist es Zeit, zu feiern, denn das Frauenwahlrecht wird 100 Jahre alt. Und auch sonst ist in Sachen Gleichberechtigung viel geschehen. Dennoch gibt es Grund genug dafür, dass der Internationale Frauentag ein Kampftag bleibt. Zum einen, da eine faktische Gleichstellung aller Geschlechter noch längst nicht erreicht ist. Zum anderen, weil antifeministische Diskurse in den letzten Jahren stärker geworden sind. Aber was hat es mit Antifeminismus auf sich und warum ist er so gefährlich?

Antifeminismus als Einstiegsdroge in die extreme Rechte
Unter Antifeminismus werden soziale Bewegungen oder gesellschaftliche, politische, religiöse und akademische Strömungen verstanden, die sich organisiert gegen Feminismus und frauenpolitische Errungenschaften wenden. Antifeminist*innen lehnen feministische Anliegen, wie beispielsweise die Bekämpfung von Sexismus und die Umsetzung von Gleichberechtigung, ab. Ein Erstarken extrem rechter Bewegungen und menschenfeindlicher Weltanschauungen in den letzten Jahren in Deutschland ging auch mit einem Erstarken von Antifeminismus als zentraler Bestandteil dieser Weltanschauungen einher. Rechtspopulist*innen und der extremen Rechten gelingt es dabei auszunutzen, dass Antifeminismus im Vergleich zu Rassismus oder Antisemitismus weniger stark als menschenfeindlich erkannt und gewertet wird. Auch in der Mitte der Gesellschaft fällt die Hetze gegen sexuelle Vielfalt und die Gleichwertigkeit aller Geschlechter auf fruchtbaren Boden.

Kernbestandteile antifeministischer Ideologie
Antifeminismus richtet sich gegen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, gegen Geschlechtergerechtigkeit und Gleichberechtigung, gegen die Auflösung vermeintlich traditioneller Familienbilder, gegen Erziehung zu einer selbstbestimmten Sexualität und gegen eine diverse Gesellschaft mit vielfältigen Lebensentwürfen von Frauen*, Männern* und allen, die sich weder als Mann oder Frau verstehen. Dazu gehört darüber hinaus die Bekämpfung von Frauen- und Geschlechterforschung und Gender-Mainstreaming sowie die Ablehnung der Gleichberechtigung von Homosexuellen und Trans*. Geschlechterrollen werden als naturgegeben, unveränderbar und eindeutig aufgeteilt begriffen. Sie werden zugleich mit bestimmten Fähigkeiten, Charaktereigenschaften und gesellschaftlichen Positionen verknüpft. Davon abweichende Lebensweisen und Identitäten werden als ‚unnatürlich‘ herabgesetzt und bekämpft.

Aber Geschlechterrollen sind abhängig von sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen und damit wandelbar. Entgegen einer biologistischen Ideologie von Zweigeschlechtlichkeit wird unter dem Begriff ‘Gender‘ deshalb die gesellschaftliche bzw. soziale Dimension von Geschlecht verstanden. Gender – bzw. alles was darunter verstanden wird – ist mittlerweile zu einem massiven Feindbild im Rechtspopulismus und in der extremen Rechten geworden. Der ‚Antigenderismus‘, eine Spielart des Antifeminismus, spricht der Frauen- und Geschlechterforschung ihre Wissenschaftlichkeit ab; er zieht massiv gegen die liberale Idee der Geschlechtervielfalt zu Felde und wendet sich unter dem Kampfbegriff der ‚Frühsexualisierung‘ gegen eine plurale Sexualerziehung. Dabei spielen Frauen eine wichtige Rolle wenn es darum geht, antifeministische und antigenderistische Ziele zu transportieren. Sie geben antifeministischen oder sexistischen Argumentationen Gewicht – nach dem Motto: ‘Wenn sogar eine Frau das sagt, …‘.

Die Verhandlung frauenpolitischer Themen in der neuen und extremen Rechten ist voll von Widersprüchlichkeiten. Viele der propagierten Geschlechterbilder, wonach sich Frauen um die Versorgung der Kinder zu kümmern haben, stehen im Kontrast zu den aktiven politischen Rollen von Frauen innerhalb extrem rechter Bewegungen und Parteien. Während ,der‘ Feminismus einerseits Feindbild und Schuld an der vermeintlichen ,Überfremdung‘ ist, werden anderseits rechtskonservative bis extrem rechte Frauen als ‚wahre Feministinnen‘ inszeniert, die ‚deutsche Frauen‘ vor dem Verlust feministischer Errungenschaften durch Migration schützten.

Angriffe gegen die Gleichstellungsarbeit
Mit dem Erfolg der AfD werden auch antifeministische Stimmen in den Parlamenten lauter. AfD-Abgeordnete greifen in den Landesparlamenten Initiativen und Organisationen, die zu Themen wie Gender, Diversity und Vielfaltspädagogik arbeiten mithilfe zahlreicher kleiner Anfragen unter dem Stichwort ‚Indoktrinationsverbot‘ an und stellen die Finanzierung der entsprechenden Initiativen infrage. Dazu kommen Anfragen und Anträge in Stadt-, Kreis- und Gemeinderäten einzelner Kommunen, die sich direkt gegen die Gleichstellungsarbeit richten und die Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten einfordern. Antirassistische, gendergerechte und menschenrechtsorientierte Politiken, Gesetze und Maßnahmen sollen damit infrage gestellt und letzten Endes rückgängig gemacht werden.

Die Angriffe in den Parlamenten werden durch Diffamierungen und Anfeindungen durch Antifeminist*innen, die auf Blogs und in sozialen Medien unterwegs sind, unterstützt. In welch erschreckendem Ausmaß und mit welcher Heftigkeit Gewalt, Vergewaltigungen oder sexualisierter Mord angedroht werden, können vor allem frauenbewegte Politiker*innen und Netzfeminist*innen berichten.

Getroffene Hunde bellen
Eine Gleichstellungsbeauftragte antwortete auf die Frage, warum die Angriffe extrem rechter Akteure auf die Arbeit der Gleichstellung in den letzten Jahren zugenommen haben: „Getroffene Hunde bellen. So ist das einfach.“ Dass Feminist*innen so vielen Angriffen ausgesetzt sind hat also nicht nur etwas damit zu tun, dass Rechtspopulist*innen lauter geworden sind, sondern auch damit, dass Feminist*innen viel erreicht haben. Selten in der jüngeren Geschichte wurde so intensiv über Sexismus und sexualisierte Gewalt debattiert, wie in der Konsequenz von #MeToo, #Aufschrei oder #TimesUp – und zwar nicht nur in akademischen Filterblasen, sondern über Grenzen gesellschaftlicher Milieus hinweg. Netzfeminist*innen und Schauspieler*innen positionieren sich klar für Selbstbestimmung und gegen Sexismus – und stecken an. Die Ehe für alle ist endlich auch in Deutschland angekommen. Der Bundestag beschloss im letzten Dezember die Möglichkeit eines dritten Geschlechtseintrags im Geburtenregister. Die Ärztin Kristina Hänel brachte das Thema Schwangerschaftsabbruch in die Mitte der gesellschaftlichen Debatte. Das Frauenwahlrecht wird 100. Der Internationale Frauentag wird ab diesem Jahr in Berlin zum Feiertag. Deswegen: es gibt Grund zum Feiern. Und noch mehr Grund, weiterzukämpfen.

Publikationen

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Was ist Antifeminismus?

Antifeminismus gibt es, seit es Feminismus gibt – in Europa also seit mehr als 200 Jahren. Seitdem ist viel geschehen in Sachen Gleichberechtigung. Aber der Kampf um die Gleichstellung der Frau ging schon immer auch mit Gegendiskursen und -bewegungen einher […]

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