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Zukunftsweisend und Solidarisch Erinnern mit Köfte Koscher

Als Amadeu Antonio Stiftung dokumentieren wir allein seit der Wiedervereinigung 219 Todesopfer rechter Gewalt. Viele ihrer Geschichten, Namen und Gesichter sind öffentlich nach wie vor kaum bekannt, geschweige denn präsent. Denn es gibt kaum so etwas wie eine institutionalisierte Erinnerungskultur, die ihrer gedenkt, denn in den meisten Fällen wird die Erinnerung einfach beiseite geschoben oder verdrängt. Insbesondere auf politischer Ebene. Es wirkt manchmal fast so, als käme jede Erinnerung an Todesopfer rechter Gewalt einem Schuldeingeständnis gleich. Wenn in Deutschland an die Blutspur rechter Gewalt, die sich durch die Geschichte des Landes zieht, erinnert wird, dann „von unten“: Das heißt von Einzelpersonen, kleinen Initiativen oder der Zivilgesellschaft, die sich konsequent dafür einsetzen, dass niemand vergessen wird. Wie es anders gehen kann, also zeitgemäß und solidarisch zu erinnern, das macht das von uns geförderte Projekt Köfte Koscher Jahr für Jahr, nicht nur am 1. Juli vor. 

Erinnerungskultur ist immer hart erkämpft: Als Amadeu Antonio Stiftung dokumentieren wir allein seit der Wiedervereinigung 219 Todesopfer rechter Gewalt, doch es gibt kaum so etwas wie eine institutionalisierte Erinnerungskultur, die ihrer gedenkt. Nach wie vor sind viele Opfer rechter Gewalt kaum sichtbar, staatlich anerkannt, nur wenige kennen ihre Namen, geschweige denn ihre Geschichten. Deutschland tut sich schwer an rechte Gewalt zu erinnern, kommt es gerade politisch auch immer einem Schuldbekenntnis gleich. Doch es kann auch anders gehen.

Ein mahnendes Trafohäuschen? Seit 2018 steht der Gedenkpavillon am Marwa-El-Sherbini-Platz!

Seit 2012 fördern wir in Bremen das jüdisch-muslimische Dialogprojekt Köfte Koscher. Im Rahmen einer Aktionswoche schufen Jugendliche einen Gedenkpavillon gegen rechte Gewalt. An 12 Opfer rechtsextremer Gewalt wird hier gedacht. Ihre Portraits sind an ein Trafohäuschen gesprüht. Sie wurden getötet, weil sie nicht in das Weltbild der Täter passten. Sei es wegen ihrer Haltung, ihrer Religion, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung, einer Behinderung oder weil sie obdachlos waren. Sie stehen stellvertretend für alle Opfer rechter Gewalt in Deutschland. Damit holt Köfte Kosher die Erinnerung zurück in den öffentlichen Raum, denn rechte Gewalt geht uns alle etwas an!

Marwa El-Sherbini wurde am 1. Juli 2009 im Landgericht Dresden von einem Rechtsextremen ermordet, als sie als Zeugin gegen diesen aussagte. Mit ihr starb ihr ungeborenes Kind. Seitdem steht der 1. Juli als Tag gegen antimuslimischen Rassismus und damit für ein entschiedenes Eintreten für „eine Gesellschaft, in der man ohne Angst verschieden sein kann“, wie unsere Kollegin Veronika Kracher es bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung bezeichnete. Das Projekt Köfte Kosher hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, den Platz, auf dem der Gedenkpavillon steht, 2018 nach ihr zu benennen. Jährlich am 1. Juli findet seitdem dort die Yortsayt-Gedenkveranstaltung in Erinnerung an Marwa El-Sherbini und alle Todesopfer rechter Gewalt statt.

Yortsayt – oder koscher meets Köfte

Das Wort “Yortsayt” stammt aus dem Jiddischen und bezeichnet den ersten Jahrestag einer Beerdigung, um einer verstorbenen Person zu gedenken. Am 1. Juli gedenken wir Marwa El-Sherbini und allen anderen Todesopfern rechter Gewalt. Eben, weil die Pharmazeutin und ehemalige Handballnationalspielerin bis 2008 in Bremen gelebt hatte und sie in der Alltäglichkeit rechter und misogyn motivierter Gewalt, die sie erfahren musste, für genau das steht, was rechte Gewalt in Deutschland nach wie vor ausmacht. Yortsayt steht symbolisch für die Kerze, die für Marwa El- Sherbini am 1. Juli brennen soll, um die Erinnerung an sie aufrechtzuerhalten, eine Tradition aus dem aschkenasisch-jüdischen Trauer-Ritus. Auch in diesem Jahr wurde im Rahmen der Yortsayt-Gedenkveranstaltung Marwa El-Sherbini und allen Todesopfern rechter Gewalt gedacht. Mit einem Mix aus Jazz und levantinischem Folk, performt von Musikern aus Israel, Palästina, Syrien und Polen, einem feministischen iranischen Rap-Folk-Pop-Crossover-Duo und einem berührenden Poetry Slam. Auch unsere Kollegin Veronika Kracher durfte eine Gedenkrede halten, in der sie vor allem auf den Zusammenhang von Misogynie und rechter Gewalt verwies:

Wir stehen heute hier, um Marwa El-Sherbini zu gedenken. Vor 14 Jahren wurde die ägyptische Handballspielerin und Pharmazeutin auf brutale Art und Weise von einem Neonazi aus dem Leben gerissen – vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes. Mit ihr starb ihr ungeborenes Kind. Es war ein Mord aus antimuslimischem Rassismus, ein Mord aus Misogynie – aus Frauenhass, ein Mord aus der Verstrickung von beidem. Der Tat ging voraus, dass der Mörder El-Sherbini rassistisch und misogyn beleidigt hatte und sie das nicht auf sich sitzen lassen wollte – sie zeigte ihn an. Dass eine nichtweiße, muslimische Frau die rassistischen und frauenverachtenden Beleidigungen, die ihr ein Rechtsextremist entgegenschleuderte, nicht hinnehmen wollte, stellte für ihren Mörder eine unaushaltbare Affront dar. Und für diesen vermeintlichen Affront glaubte er, sie bestrafen zu müssen. Weil: die Weltsicht von Rassisten, von Antifeministen, von Queerfeinden, von Antisemiten – kurz: von Vertreter:innen von bürgerlichen bis hin zur extremen Rechten ist eine Weltsicht, die auf Herrschaft und Gewalt aufgebaut ist.

Wir stehen hier, weil wir dieser Gewalt ein Ende setzen wollen. Dies fängt im kleinen an: bei sich selbst. Bei Zivilcourage gegenüber Freunden, wenn die chauvinistische Sprüche klopfen. Aber unser Kampf muss auf gesamtgesellschaftlicher Ebene geführt werden: für eine Gesellschaft, in der man ohne Angst verschieden sein kann. Dies sind wir Marwa El-Sherbini und allen Opfern rechtsextremer und misogyner Gewalt schuldig. Erinnern heißt kämpfen!

Was macht das Gedenken von Köfte Koscher so besonders?

Köfte Koscher ist in erster Linie ein jüdisch muslimisches Dialogprojekt und dieser Dialoggedanke steht nach wie vor im Vordergrund:

  • Das Gedenken gestaltet sich so vielfältig wie die Gruppe der Opfer an die es erinnert!
  • Es wird konsequent aller Todesopfer rechter Gewalt gedacht, ohne Wertung und Hierarchisierung!
  • Die Erinnerung wird dorthin geholt, wo rechte Gewalt stattfindet, in die Alltäglichkeit des öffentlichen Raumes!
  • Alle können mitmachen und sich und ihre vielfältigen Perspektiven einbringen!
  • Es füllt die Erinnerung mit Leben!

Projekte wie Köfte Koscher werden ermöglicht durch eure großzügigen Spenden: Jetzt spenden und Erinnerung ermöglichen!

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