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Alles Einzelfälle?“ Rechte Gewalt – Wovon sprechen wir eigentlich?

Foto: Unsplash

Zentrales Kriterium für eine Bewertung als rechte Gewalttat ist die zugrundeliegende Tatmotivation – nicht die politische Selbstverortung der Täter*innen. Die Tatmotivation bezieht sich auf die innere Einstellungsebene der Täter*innen. Um diese zu ermitteln, müssen verschiedene Aspekte (besonders in ihrem Zusammenspiel) berücksichtigt werden:

  • Die Zuschreibung einer rechten Tatmotivation durch Betroffene, Zeug*innen, die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder den*die Richter*in. Täter*innen versuchen häufig, das „politische Tatmotiv“, wie es in der Strafverfolgung heißt, zu vertuschen – insbesondere, weil sich dieses nach § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vor Gericht strafverschärfend auswirken kann. Betroffene als Adressat*innen einer Gewalttat sowie Zeug*innen sind hingegen meist in der Lage, zu sagen, warum ein Angriff erfolgte. Ihre Perspektiven werden deshalb bei einer zivilgesellschaftlichen Klassifikation stärker berücksichtigt als die der Täter*innen.
  • Die Umstände der Tat. Während viele Gewalttaten aus Bereicherungsmotiven (Raub etc.) oder Konflikten (Rache, Streit etc.) resultieren, ist bei rechter Gewalt die abwertende Einstellung die Ursache. Rechte Gewalttaten werden deshalb häufig spontan verübt, und es sind oft keine anderen Ursachen neben dem „politischen“ Motiv erkennbar. Ebenso üblich ist, dass die Einstellung vor oder während der Gewalttat artikuliert wird, also beispielsweise rassistische Beschimpfungen fallen.
  • Der Hintergrund der Täter*innen. Auch wenn die Täter*innen selbst keine Aussage zu ihren menschenfeindlichen Einstellungen machen, können diese trotzdem häufig ermittelt werden, etwa, wenn Angreifer*innen in rechtsextremen Strukturen aktiv sind oder in der Vergangenheit schon menschenverachtende Straftaten begangen haben.
  • Der Hintergrund der Betroffenen. Da rechte Gewalt auf Einstellungen basiert, die sich abwertend auf konkrete Gruppen beziehen, gibt auch die Gruppenzugehörigkeit der Gewaltopfer Aufschluss über die Tatmotivation.
  • Die Beziehung zwischen Täter*in und Opfer. Ein mögliches Merkmal rechter Gewalt ist, dass der*die Täter*in das Opfer nicht kannte, sondern scheinbar zufällig als Stellvertreter*innen auswählt.

Rechte Tatmotive

Eine Tat gilt dann als rechte Gewalttat, wenn das rechte Motiv tateskalierend ist. Diese Definition weicht von jener der Ermittlungsbehörden ab, die eine Tat nur dann als politisch werten, wenn das rechte Motiv tatauslösend war. Eine Straftat kann jedoch beispielsweise aus Habgier (z. B. Raub) begangen worden, aber rechts motiviert sein, weil die Täter*innen in ihren rassistischen Ausfällen zu Gewalt gegriffen haben. So muss eine rechte Gewalttat nicht beabsichtigt gewesen sein, sondern kann in einem Gewaltrausch entstehen. Auch kann es passieren, dass der Hass eine andere Straftat so eskalieren lässt, dass diese in Gewalt umschlägt. Dann war das rechte Motiv zwar nicht tatauslösend, wirkte aber tateskalierend. (vgl. CURA o. J.)

Woran machen Beratungsstellen fest, ob es sich um eine rechte Gewalttat handelt?

Bei der Betrachtung der „Umstände der Tat“ und der „Einstellung des*der Täters*in“ ist für die Beratungsstellen die Wahrnehmung der Betroffenen, also die Opferperspektive, ausschlaggebend.

Kriterien, die Aussagen über die Einstellung des*der Täters*in zulassen, sind:
Äußerungen des*der Täters*in vor, während oder nach der Tat
Kleidung oder Symbole, die die*der Täter*in trägt
Organisierung des*der Täters*in in rechten Gruppierungen

Umstände der Tat, die für ein rechtes Tatmotiv sprechen, können sein:
Tatkontext wie Zeit und Ort (einschlägige Daten wie 20. April, Männertag, 1. Mai etc. oder Orte wie Volksfeste, Demonstrationen)
Tatzusammenhänge wie wiederholte Angriffe, auch unterhalb der Gewaltschwelle (Sachbeschädigungen, Schmierereien, Aufkleber etc.)
Art der Tatbegehung (Exzess, besondere Brutalität, Demütigung, Folter)
Die Auswahl des Opfers. Aus der Tat selbst spricht mit der Auswahl des Opfers die Einstellung des*der Täters*in. Der Angriff wird aufgrund von Ungleichwertigkeitsvorstellungen verübt, d. h. aufgrund der Einstellung, dass ein Mensch wegen seiner Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder seines Erscheinungsbildes nicht gleichwertig sei. Die Tat richtet sich nicht gegen das Individuum als solches, sondern stellvertretend gegen eine Gruppe.

(Definition des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt)

Die Studie Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechts“ gibt es hier zum Download.

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