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CSD Görlitz Zgorzelec – queeres Engagement im Dreiländereck

Der CSD in Görlitz und Zgorzelec stärkt den grenzübergreifenden Kampf gegen Queerfeindlichkeit. (Quelle: CSD in Görlitz und Zgorzelec)

Mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie werden Projekte, Initiativen und Kommunen ausgezeichnet, die sich für die Stärkung der Demokratie und Menschenrechte in Sachsen engagieren und sich gegen Rassismus, Antisemitismus oder Rechtsextremismus einsetzen. Aus 50 eingegangenen Bewerbungen hat die Jury sechs Initiativen nominiert. Wir stellen sie bis zur Preisverleihung am 6. November vor.

Auf der Straße ertönt Donna Leons „I feel love“ und ein bunter Demozug setzt sich in Bewegung. Die Menge startet vom Bahnhof und zieht durch die Stadt Görlitz, erst auf der deutschen und schließlich auch auf die polnische Seite nach Zgorzelec. Falko Metjen, einer der Organisatoren des CSD Görlitz-Zgorzelec erzählt vom Jahr 2023, als der CSD zum zweiten Mal stattfand: „Ich war letztes Jahr sehr stolz, als wir zum ersten mal mit dem CSD nach Zgorzelec rübergegangen sind. Da hatte ich ein bisschen Bammel, wie die Reaktion der polnischen Seite sein wird. Dann haben ältere Frauen und Männer die Fenster der Häuser aufgemacht und applaudiert, gewunken, zugejubelt. Das war eine Reaktion, mit der hätte ich überhaupt nicht gerechnet und das hat mich mit Stolz erfüllt.“

Der CSD in Görlitz und Zgorzelec ist ein besonderer CSD. Das im Dreiländereck liegende deutsche Görlitz und das polnische Zgorzelec sind nur durch einen schmalen Fluss getrennt. Damit ist der CSD der einzige grenzüberschreitende von in diesem Jahr vierzehn stattfindenden Veranstaltungen in Sachsen. Die Demo tritt für eine Sichtbarmachung von queerem Leben und für queere Rechte auf beiden Seiten der Grenze ein.

Wie alles begann

Als Wojciech Urlich 2021 nach Görlitz zieht, stellt er fest: Es gibt große queere Netzwerke in der Stadt, aber einen CSD gibt es nicht. Es fehlte, so erzählt er, die eine identitätsstiftende und gemeinsame Veranstaltung. Dann findet 2022, nach der vereinzelnden Zeit der Corona-Pandemie, der erste CSD statt. Diesen organisieren seitdem jährlich sechs bis zehn Leute – eine große Herausforderung, denn all das passiert ehrenamtlich und in der Freizeit. Engagement, das sich lohnt, denn der CSD wird mit jedem Jahr größer.

Für einen solchen Erfolg müssen auf deutscher und auf polnischer Seite lokale Vereine, Initiativen und Unternehmen direkt von den Organisator*innen angesprochen werden, erzählt Falko Metjen: „Ich habe Leute erlebt, die konnten ihre Begeisterung gar nicht bremsen, uns zu unterstützen und mit dabei zu sein.“ Nicht immer seien die Gespräche aber erfolgreich.

Vor allem auf der polnischen Seite sei es herausfordernd, Kooperationspartner zu finden. Wojciech Urlich und Falko Metjen berichten, dass vor allem in eher ländlichen Regionen wie Zgorzelec Menschen Angst hätten, ihr Gesicht zu zeigen und mit dem CSD in Verbindung gebracht zu werden. Das liegt auch an den acht Regierungsjahren der rechtskonservativen PiS-Partei, unter der Polen zu einem der queerfeindlichsten Staaten Europas geworden ist. Rechte Politiker*innen und die katholische Kirche diffamierten queere Menschen als Bedrohung der traditionellen Familie, was zum Abbau ihres Schutzes und der Aberkennung von Rechten führte und die Bedrohung durch Angriffe deutlich steigerte. Auch wenn seit dem Regierungswechsel die Lage deutlich entspannter sei, sei die Bedrohungslage für queere Menschen trotzdem weiterhin sehr angespannt.

Der CSD Görlitz-Zgorzelec 2024

Der CSD in diesem Jahr findet unter dem Motto „Gleiches Recht für alle! Równość praw dla wszystkich!“ statt. Neben Polen bereitet Falko Metjen und Wojciech Urlich auch die deutsche Seite immer mehr Bauchschmerzen. Denn auch in Sachsen nimmt die Queerfeindlichkeit zu und vor allem in diesem Jahr werden die CSDs in Sachsen zum starken Mobilisierungsgrund für Rechtsextreme. Während in Bautzen und Döbeln erfolgreich zahlreiche Menschen für queere Sichtbarkeit auf die Straße gehen, bleiben die besorgniserregenden Bilder von Neonazis, die in Bautzen verfassungsfeindlichen Parolen skandieren, und der Buttersäureanschlag in Döbeln im Gedächtnis.
Auch der CSD Görlitz-Zgorzelec ist mit diesen Herausforderungen konfrontiert und das nicht nur mit den deutschen Rechtsextremen, sondern auch auf der polnischen Seite, berichtet Wojciech Urlich, der gerade von einem Termin mit der Polizei kommt: „Dieses Jahr haben wir einen massiven Protest auf der polnischen Seite, der sogar zentral in Warschau organisiert wird. Und die Leute haben vor, aus Warschau mit den Zügen nach Görlitz zu kommen und uns zu stören. Die Polizei war selbst überrascht über die Stärke der Aufrufe und die Intensität.“

Trotz der Mobilisierung verläuft der CSD Görlitz-Zgorzelec in diesem Jahr friedlich. Die rechtsextreme Gegendemo bleibt bis auf ein Zusammentreffen weitgehend vom CSD separiert. Unverständlich bleibt den Organisator*innen trotzdem, warum sie erst spät aufgelöst wird.
Auf der anderen Seite feiern die 700 Teilnehmer*innen des CSD den bunten Demonstrationszug. Vor allem die Teilnahme der Bürgermeister der beiden Städte freut Wojciech Urlich und Falko Metjen als Zeichen, die Verwaltung auf ihrer Seite zu haben. Auch der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig ist angereist und die Partnerinitiative aus Wiesbaden hat eine 50 Meter lange Regebogenflagge mitgebracht. So wird der CSD Görlitz-Zgorzelec auch 2024 ein voller Erfolg und zum Symbol grenzüberschreitender Solidarität von queeren Menschen und das trotz aller Herausforderungen und Bedrohungen. „Es ist uns gelungen, das freundliche Görlitz während der Demo zu zeigen und wie die Gesellschaft sein kann ohne diesen Hass“, sagt Falko Metjen.

Ein CSD dreier Länder?

Die Organisator*innen des CSDs wünschen sich, dass die Veranstaltung auch in den kommenden Jahren zu einer Selbstverständlichkeit im Görlitzer und Zgorzelecer Stadtkalender wird.  Sie wollen weiterhin jungen Menschen auf beiden Seiten des Grenzflusses Angst nehmen und ihnen signalisieren: Ihr seid nicht allein. Auch deshalb ist für Wojciech Urlich und Falko Metjen das Hissen der Pride-Flagge auf dem Postplatz immer ein eindrücklicher Moment und ein besonderes Zeichen. Am liebsten wäre es beiden, sie würde das ganze Jahr dort hängen.

Für die Zukunft haben sie einen Wunsch: Sie würden gerne auch Tschechien mit in den CSD holen und die Veranstaltung noch weiter professionalisieren.

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Kommentar

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