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Gedenken

Erinnerung darf kein Selbstzweck sein

Mahnmal - Konzentrationslager Dachau

Am 27. Januar erinnern wir an die Menschen, die dem mörderischen Antisemitismus und der nationalsozialistischen Vernichtungsideologie zum Opfer fielen. Denn Antisemitismusbekämpfung bedeutet auch, daran zu erinnern, welche mörderischen Dimensionen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit annehmen, wenn man sie gewähren lässt. Und: Sie bedeutet heute Konsequenzen zu ziehen und Veränderungen zu schaffen. 

Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Konzentrationslager in Auschwitz. Kurz zuvor hatte die SS die Gaskammern zerstört, Dokumente vernichtet und den Großteil der verbliebenen KZ-Häftlinge auf einen Todesmarsch gen Westen getrieben. In Auschwitz-Monowitz blieben wenige Hundert Schwerkranke zurück. Unter ihnen der jüdische Chemiker Primo Levi, der später Weltliteratur über die Shoah verfasste. Auch Norbert Wollheim überlebte Auschwitz und verklagte Jahre später die IG Farben AG, für die die Häftlinge in Auschwitz-Monowitz Zwangsarbeit leisten mussten. Heute erinnert in Frankfurt das Wollheim-Memorial an die in Auschwitz-Monowitz Ermordeten und Überlebenden. Dort sind die Worte “Wir sind gerettet, aber nicht befreit” zu lesen, mit denen Norbert Wollheim das Gefühl vieler Überlebender nach der Befreiung der Lager auf den Punkt bringt.

Nichts war mehr wie es vorher war: Das galt besonders für die Menschen, die von den Nationalsozialist:innen als Jüdinnen:Juden verfolgt worden waren, für Sinti:zze und Rom:nja, die von den Nationalsozialist:innen als „Arbeitsscheue“ und „Asoziale“ verfolgt wurden, politisch Widerständige und viele weitere Menschen. Als sie durch die Befreiung der Konzentrationslager in Auschwitz gerettet wurden, hatten sie Jahre der Angst und des Schreckens in den Lagern oder auf Todesmärschen hinter sich. Frei leben konnten sie nach der Befreiung noch lange nicht. Sie waren oft schwer krank und mussten im Land der Täter:innen weiterhin in Lager-ähnlichen Unterkünften oder unter ärmlichen Bedingungen leben. Verantwortlich fühlte sich niemand für die Überlebenden und es dauerte noch Jahrzehnte, bis ihre Geschichten und Erfahrungen gehört wurden. Die überwiegende Mehrheit der KZ-Häftlinge konnte am 27. Januar 1945 nicht mehr befreit werden. Viele haben Auschwitz nie verlassen.

In diesem Jahr jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 77. Mal. Daran zu erinnern ist unsere Pflicht. Doch Erinnerung darf kein Selbstzweck, keine reine Selbstvergewisserung sein. Die nicht betroffene Mehrheitsgesellschaft, die Nachkommen der Täter:innen müssen den Blick auf Gegenwart und Zukunft richten und Veränderungen schaffen, um antisemitische und menschenfeindliche Ideologien zu bekämpfen. Und das nicht nur am 27. Januar, sondern an jedem Tag. Das Erinnern muss eine Aufforderung sein, mit den Worten Theodor W. Adornos: „daß Auschwitz nicht noch einmal sei“.

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