Hans-Georg Jakobson wurde am 28. Juli 1993 von drei Neonazis ermordet. Das Motiv: Sozialdarwinismus. 31 Jahre später, am 28. Juli 2024, wurde auf dem Bahnhofsvorplatz Strausberg ein Denkmal für Hans-Georg Jakobson eingeweiht, das an ihn und den rechtsextrem motivierten Mord erinnert.
Von Vera Ohlendorf
Hans-Georg Jakobson ist am Abend des 28. Juli 1993 in der S-Bahn Richtung Berlin unterwegs. Drei stadtbekannte Neonazis wecken den Schlafenden beim Versuch, ihn auszurauben. Bei dem mutmaßlich wohnungslosen Jakobson finden sie jedoch kein Geld, woraufhin sie anfangen, ihn zu verprügeln. Hans-Georg Jakobson war mutmaßlich wohnungslos, sein Leben galt den Tätern als „unwert“. Das Opfer wehrt sich, doch kommt gegen die drei Täter nicht an. Sie werfen ihn auf der Strecke zwischen den Bahnhöfen Strausberg und Petershagen Nord aus der fahrenden S-Bahn. Einen Tag später stirbt Hans-Georg Jakobson im Alter von 35 Jahren im Krankenhaus.
Gedenken an Jakobson und alle Opfer rechter Gewalt
31 Jahre später, am 28. Juli 2024, wurde auf dem Bahnhofsvorplatz Strausberg ein Denkmal für Hans-Georg Jakobson eingeweiht, das an ihn und den rechtsextrem motivierten Mord erinnert. Eine Gedenkinitiative aus Engagierten der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland des Alternativen Jugendprojektes 1260 e.V., der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) Märkisch-Oderland, den Jungen Humanist_innen MOL und der S5 Antifa hatte sich seit Jahren für die Errichtung des Denkmals eingesetzt. Es ist der erste dauerhafte Gedenkort für ein Todesopfer rechtsextremer Gewalt in Märkisch-Oderland.
Hartnäckiges Engagement und erkämpftes Gedenken
Dass es heute so viele Initiativen gibt, die sich für ein würdevolles Gedenken an Opfer rechtsextremer Gewalt nicht nur in Brandenburg engagieren, ist ein wesentlicher Unterschied zu der Zeit der sogenannten Baseballschlägerjahre zu Beginn der 1990er Jahre in Ostdeutschland. Bürgermeisterin Elke Stadler drückt es so aus: „Damals haben wir den Mord in Strausberg kaum mitbekommen. Ja, da ist etwas passiert, aber es erfolgte keine Auseinandersetzung. Ich bin den jungen Menschen der Initiativen sehr dankbar, dass sie das Thema wieder aufgerufen haben, hartnäckig geblieben sind und seit einigen Jahren regelmäßig Gedenkveranstaltungen organisieren.“
Die Initiator*innen hatten seit 2022 konkrete Vorschläge für Ort und Gestaltung des Denkmals gemacht und sich sowohl um die Finanzierung als auch um die Umsetzung und den Aufbau gekümmert. Im Herbst 2023 hat die Stadtverordnetenversammlung Strausberg das Anliegen positiv beschieden. Die Amadeu Antonio Stiftung ermöglichte die Errichtung des Mahnmals mit einer finanziellen Förderung. Die Stadt trägt nun die Kosten für Wartung und Unterhalt.
Die Gewalt beginnt mit dem Ausschluss
Seit 1990 sind in Brandenburg 23 Todesopfer rechtsextremer Gewalt bekannt. Das Denkmal ist eine Mahnung daran, dass rechtsextreme Ideologien der Ungleichwertigkeit bis heute weit verbreitet sind, nicht nur in rechtsextremen Milieus. Gewalt gegen Wohnungslose, die Abwertung sozial benachteiligter Gruppen und sozialdarwinistisches Gedankengut gehört im gesamten Bundesgebiet leider zur traurigen Realität. „Rechte Gewalt bleibt Realität. Und Gewalt gegen wohnungslose Menschen auch. Sie beginnt nicht erst auf der Straße. Sie beginnt schon, wenn Menschen zwangsgeräumt werden, wenn armen Menschen ihre Leistungen gestrichen werden oder sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben“, mahnt Peps Gutsche von der Beratungsstelle Opfer rechter Gewalt MOL.
Bundesweit nahm 2023 die Zahl rechtsextremer Straf- und Gewalttaten zu. Die Statistik der Beratungsstelle Opferperspektive verzeichnet für 2023 insgesamt 242 rechtsextrem motivierte Angriffe in Brandenburg. Allein in Strausberg wurden 2024 bereits zwei wohnungslose Personen attackiert – ein Aufschrei der Stadtgesellschaft blieb erneut aus.
Umso wichtiger bleibt das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit. Die Initiativen des Gedenkbündnisses sehen sich angesichts der zahlreichen Kleinen Anfragen rechtsextremer Parteien im Brandenburger Landtag zu Finanzierung und Gemeinnützigkeit von Demokratieprojekten, Jugendarbeit und integrativen Angeboten bedroht: „Die Entwicklungen sind besorgniserregend. Wir werden nicht aufhören, uns für ein solidarisches Miteinander und gleichberechtigte Teilhabe für alle einzusetzen“, erklären die Initiativen in ihrem gemeinsamen Redebeitrag.
Auf Einladung des Gedenkbündnisses hielt Vera Ohlendorf von der Amadeu Antonio Stiftung einen Redebeitrag, der hier nachgelesen werden kann.