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Gefördertes Projekt

Geschichtsrevisionismus, völkische Esoterik, rechtsgrüne Ideologien: Joseph Beuys kritisch beleuchtet

Copyright beuys behind the scenes

Joseph Beuys ist ein bekannter Künstler der Nachkriegszeit, dem aufgrund seines 100. Geburtstags dieses Jahr eine große Kampagne mit zahlreichen Ausstellungen gewidmet ist. Bei genauerem Hinschauen wird allerdings deutlich: in seiner Kunst steckt eine gehörige Portion völkische Esoterik, sein Engagement bei den Grünen entstammt einer rechts-ökologischen Heimatideologie und auch seine Zeit in der Hitlerjugend und bei der Wehrmacht ist nur unzureichend reflektiert. Das von der Amadeu Antonio Stiftung geförderte Projekt „Beuys behind the scenes“ setzt sich kritisch mit dem Künstler auseinander und vervollständigt das Bild von Joseph Beuys.

Als Joseph Beuys im Mai 1974 im New York landet, vermeidet er es, nur einen einzigen Blick auf die USA zu werfen. Stattdessen lässt er sich auf einer Trage, eingewickelt in eine Filzdecke, in einem Krankenwagen und unter Sirenengeheule in eine Galerie in Manhattan fahren. Dort lässt er sich für mehrere Tage mit einem Kojoten in einem Raum einsperren – mal stachelt er das wilde und verängstigte Tier dazu an, seine Filzdecke zu zerfetzen, mal wendet er sich dem Kojoten vertrauensvoll zu. In der bizarren Aktion namens „I like America and America likes me“ sah Beuys eine spirituelle Annäherung an die indigene Bevölkerung der USA.

Kunstikone mit NS-Vergangenheit

Heute gilt Beuys als einer der bedeutendsten Künstler der Nachkriegszeit. Dass der ehemalige Sturzkampfflieger, der sich im Kriegsjahr 1941 freiwillig zu zwölf Jahren bei der Wehrmacht verpflichtete, auch eine problematische Figur mit völkischer Esoterik und rechtsgrünen Ideen von Umweltschutz als Schutz der Heimat ist, geht oft unter. Ihm sind dieses Jahr anlässlich seines 100. Geburtstags zahlreiche Ausstellungen gewidmet und das Land Nordrhein-Westfalen startete im Januar die Kampagne „beuys2021“.

Beuys‘ Zeit bei der Hitlerjugend und die freiwillige Verpflichtung bei der Wehrmacht sieht der Initiator des Projekts „beuys behind the scenes“ jedoch nicht als das Hauptproblem bei Joseph Beuys. Das Projekt versteht sich als kritische Ergänzung zur offiziellen NRW-Kampagne „beuys2021“ und nimmt die politischen Ansichten von Beuys genauestens unter die Lupe– Beuys selbst hatte schließlich selbst immer wieder betont, dass seine Kunst nicht von seinem politischen Aktionismus getrennt werden darf.

Keine kritische Auseinandersetzung im Beuys-Jahr

„Wir mussten mit großer Verwunderung feststellen, dass es in der offiziellen Kampagne kaum wahrnehmbare kritische Auseinandersetzungen mit Beuys gibt. Nachdem wir uns anlässlich des Jubiläumsjahres noch einmal intensiver mit Joseph Beuys auseinandergesetzt haben, wurde uns klar, dass eine so große Kampagne des Landes NRW mit über 30 Partnerinstitutionen unter der Schirmherrschaft von Armin Laschet nicht einfach ohne ein einziges kritisches Wort stattfinden darf“, erklärt der Initiator des Projekts „beuys behind the scenes“. Beuys Verwendung von Blut und Fett als geistige und seelische Kräfte in seiner Kunst, aber auch die Aktion mit dem Kojoten zeigen seinen Hang zu völkischer Esoterik und Schamanismus. Aber auch sein Geschichtsrevisionismus, seine Verbindung zur Anthroposophie, seine unzureichende Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und die fragwürdige, Heimat-bezogene Motivation hinter seinem Einsatz für Ökologie und Umwelt sind zentrale Elemente, welche die Expert:innen von „beuys behind the scenes“ behandeln.

So relativierte Beuys beispielsweise die Shoa. „Beuys verglich die geistige Situation der Bundesrepublik, was auch immer das sein soll, mit dem millionenfachen Massenmord an den europäischen Juden, an den Sinti und Roma, den Zeugen Jehowas, den Kommunisten, Sozialisten und Anarchisten, Katholiken, Homosexuellen, Kindern, Behinderten und sogenannten Asozialen“, erklärt Albert Markert, Beuys-Biograph und co-Autor von Flieger, Filz und Vaterland. Seine Reflexion der NS-Zeit sei als geschichtsrevisionistisch einzuordnen, argumentiert Markert.  Auch sein Engagement bei den Grünen ist kritisch zu betrachten. Die Sozialwissenschaftlerin Jutta Ditfurth erklärt: „Für Anthroposophen wie Beuys war Umweltschutz Lebensschutz, ganz in klassischer, rechtsradikaler Tradition – der Lebensschutz der deutschen Volksgemeinschaft“.

Ursprünglich waren für das Projekt lediglich ein paar Vorträge geplant, die Beuys kritisch beleuchten sollten. Da der Themenkomplex allerding so groß ist, hat sich das Team für mehrere kurze Videos zu zahlreichen unterschiedlichen Themen entschieden, die aufeinander aufbauen und täglich auf der Website und den Social-Media Kanälen hochgeladen werden. In den Videos beantworten unterschiedliche Expert:innen aus den Bereichen der Beuys-Biografie, Kunst, Anthroposophie und Grünen-Politik wichtige Fragen: Wieso müssen wir Beuys kritisieren? War er ein Antisemit und wer hatte laut ihm Schuld an der Shoa? Wie nah stehen sich Ökologie, Esoterik und Faschismus? Welche Rolle spielte Anthroposophie für Beuys, ist Anthroposophie rassistisch und wie stehen Anthroposoph:innen heute eigentlich zur Querdenkenbewegung?

Wichtig war es dem Team, konkrete Bezüge über Beuys und die Kunstwelt hinaus in die Gegenwart zu ziehen und zu erörtern, welche Querverbindungen zwischen Beuys‘ Naturverständnis und Querdenken, aber auch Fridays for Future und der Partei Die Grünen bestehen. Man dürfe Beuys nicht als den ersten Querdenker sehen, dennoch gibt es trotzdem große Überschneidungspunkte mit der Bewegung, die u.a. in der vereinfachten Weltsicht liegen. Seine völkischer Esoterik, die Anschlussfähigkeit für Verschwörungstheorien und ein bei Beuys sehr sichtbarer Antiamerikanismus wären bei Querdenker:innen heute sicherlich durchaus beliebt.

Beuys ist und bleibt einer der bedeutsamsten Künstler der deutschen Nachkriegszeit. Das von der Amadeu Antonio Stiftung geförderte Projekt „beuys behind the scenes“ vervollständigt sein Bild.

https://beuysbts.de/

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https://www.instagram.com/beuys_behind_the_scenes/

https://www.youtube.com/channel/UC493q3OEntI6aP9OG4drBjA

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