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Kinder sind stolz auf ihre Rechte

Als wir in der Stiftung darüber diskutierten, wie wir ein Projekt zum Thema Kinderrechte umsetzen sollten, war ich zugegebenermaßen etwas skeptisch. Verstehen Kinder das abstrakte Konzept der Menschenrechte, können sie mit den Kinderrechten – als den »Menschenrechten für Kinder« – überhaupt etwas anfangen?

Die Ausgangsüberlegung war, dass Kinder und Jugendliche ein Bewusstsein von ihren Rechten, den Verletzungen ihrer Rechte in ihrem alltäglichen Umfeld und damit auch von den Rechten anderer erhalten. Die Amadeu Antonio Stiftung hatte sich vorgenommen mit der Prävention von Vorurteilsbildung, Rassismus und anderen Ideologien der Ungleichwertigkeit früh zu beginnen und für die Förderpraxis der Stiftung oder andere Einrichtungen multiplizierbare Erfahrungen zu sammeln. Dementsprechend wollten wir bereits in der Grundschule starten, da wir mit der RAA Hoyerswerda/Ostsachsen und der Bürgerstiftung Barnim Uckermark über gute Partner in der pädagogischen Arbeit verfügen.

Die Kinder machten am Abendbrotstisch auf ihre Rechte aufmerksam

Wie hatte ich mich in den Kindern getäuscht. Als ich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen eine Grundschule in Eberswalde besuchte, wurde ich eines Besseren belehrt. Die Kinder hatten sehr schnell verstanden, was Kinder- und Menschenrechte sind. Und sie waren stolz auf ihre Rechte! Bis jetzt war ihr Leben immer von Pflichten und Verboten dominiert. Was sie jedoch nicht verstanden hatten, war, warum ihnen bis jetzt niemand von diesen Rechten erzählt hatte, warum die Erwachsenen nichts von diesen Rechten wissen und warum diese nicht umgesetzt werden. Schnell hatten die Cleveren verstanden, dass die Kinderrechte auch gesunde Ernährung und elterliche Fürsorge bedeuten, dass die Eltern mit ihnen vor der Schule zusammen zu frühstücken oder sich zumindest um ein gutes Essen zu kümmern hätten. Nicht wenige Kinder gehen auch in Eberswalde ohne Frühstück in die Schule. Nachdem dann die Kinder am Abendbrotstisch zuhause schon auf ihre Rechte aufmerksam gemacht hatten, wurde es Zeit, auch die Eltern der Kinder in das Projekt mit einzubeziehen und sie über die universellen Rechte der Kinder aufzuklären, die ihnen von den Vereinten Nationen gegeben worden sind.

Song, Film und Kekse

Im Gegensatz zu uns waren die Kinder nicht so schnell zu beeindrucken. Sie schmiedeten in den beiden Projektorten – im brandenburgischen Eberswalde und im sächsischen Bernsdorf – schnell Pläne, wie sie ihre Situation  verbessern und die Kinderrechte bekannter gemacht werden können. Resultate waren die mittlerweile legendären Kinderrechtskekse, Besuche in der Sprechstunde beim Bürgermeister und im Kommunalparlament, ein eigener Kinderrechtssong, ein eigener Film über die Kinderrechte und das Kinderrechtedorf, wo öffentlichkeitswirksam die Kinder alle alltäglichen Entscheidungen übernahmen. Wer das Kinderrechtedorf erlebt hat, der weiß, wie professionell und verantwortlich Kinder mit ihren Rechten umgehen können. Immer wieder erschreckt waren die Kinder darüber, wie wenig die Erwachsenen über die Kinderrechte wussten. In einem Interviewprojekt in der Fußgängerzone Eberswaldes befragten die Kinder, mit Diktiergeräten ausgestattet, die Einkäufer vor einem Kaufhaus über die Kinderrechte. Allzu oft mussten die Erwachsenen zugeben, dass sie fast nichts darüber wussten. Ein wenig altklug wurde dem einen oder anderem Einkäufer in der Fußgängerzone mit auf den Weg gegeben, ob sie denn wenigstens wüssten, dass man andere Menschen nicht schlagen darf, Kinder schon gar nicht.

Bei dem Informationsdrang der Kinder blieb es nicht. Sie hatten verstanden, dass sie auch in Zukunft bei allen Dingen, die sie betreffen, altersgemäß zu beteiligen sind. Dementsprechend wurde beispielsweise in Bernsdorf der Spielplatz nach den Vorgaben der Kinder umgestaltet und auch der Forderung der Kinder nach einem überdachten Wartehäuschen auf dem Schulweg kam der Bürgermeister nach. Doch was bleibt am Ende eines solchen Projektes an Erfahrungen in den Kommunen zurück? Eine ganze Menge. Es sind in beiden Kommunen Unterstützergruppen, teils mit Beteiligung der lokalen Wirtschaft, entstanden, die sich auch zukünftig um die Berücksichtigung der Kinderrechte in der Kommune kümmern. Die lokale Politik hat ebenfalls versprochen, sich zukünftig um die Durchsetzung der Kinderrechte zu kümmern. In Bernsdorf hat nicht nur der Stadtrat über die Umsetzung der Kinderrechte diskutiert, er hat für die zukünftige Umsetzung der Kinderrechte auch Geldmittel in Aussicht gestellt und einen Beauftragten für die Kinderrechte ernannt. Zudem bleibt die RAA als Partner in der Kommune weiterhin ansprechbar.

Hauptpreis gewonnen

In Eberswalde ist Dank des Bundesumweltministers ebenfalls Geld vorhanden, um die Kinderrechte weiter durchzusetzen. Bei dem Förderpreis der Aktiven Bürgerschaft hat  Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen das Engagement der Bürgerstiftung Barnim Uckermark für die Kinderrechte gewürdigt. Die Bürgerstiftung erhielt den Hauptpreis des Vereins »Aktive Bürgerschaft« in Höhe von 20.000 Euro, um einen Stiftungsfonds für die Kinderrechte anzulegen. Über die Zinsen des Fonds, die jetzt als Förderung zur Durchsetzung der Kinderrechte vergeben werden, wachen selbstverständlich Kinder. Zustiftungen zum Fonds sind jederzeit willkommen. Auch in Sachsen gab es prominente Unterstützung des Projektes. Für die Spielplatzumgestaltung in Bernsdorf hatte der Ministerpräsident Stanislaw Tillich zweckgebunden an die RAA Sachsen gespendet.

Arbeit wird fortgeführt

Für die Amadeu Antonio Stiftung hat sich der Bezug auf die Kinder- und Menschenrechte als Mittel zur Prävention von Ungleichwertigkeit bewährt. Die Kinder haben das Konzept der Gleichwertigkeit aller Kinder gleich verstanden. Und sie sind gute Partner, die engagiert für die Umsetzung der Rechte aller Menschen streiten. Kinder- und Menschenrechtsbildung werden auch zukünftig für die Amadeu Antonio Stiftung ein zentraler Baustein in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit sein. Mir bleibt an dieser Stelle, unseren Kooperationspartnern, der RAA Hoyerswerda/Ostsachsen und der Bürgerstiftung Barnim Uckermark, ganz herzlich für die spannende und erfolgreiche Kooperation zu danken, wie auch den im Projekt engagierten Kolleginnen und Kollegen André Koch-Engelmann, Helga Thomé, Annegret Engler, Sigrid Kastner, Sabine Beyersdorff und den lokalen Projektpartnern, den Grundschulen und Kitas in Eberswalde, dem Mehrgenerationenhaus in Bernsdorf, den Stadt-, Kommunal- und Landkreisverwaltungen in Brandenburg und Sachsen, den Bürgermeistern, unseren pädagogischen Partnern, Sascha Wenzel von der RAA Berlin, Pia Gerber, Christian Petry und Ida Schildhauer von der Freudenberg Stiftung, dem wissenschaftlichen Beirat mit Prof. Dr. Lothar Krappmann an der Spitze, dem Leiter des Lisums Berlin- Brandenburg, Jan Hofmann, dem Deutschen Institut für Menschenrechte mit Dr. Claudia Lohrenscheit, dem Hochschullehrer für Grundschulpädagogik an der HU Berlin, Prof. Dr. Detlef Pech, Günther und Barbara Schweigkofler von der SFGM in Heidelberg sowie Steffen Küßner für die Unterstützung in der Öffentlichkeitsarbeit.

Ohne die Unterstützung des Bundesjugendministeriums, unserem langjährigen Partner, der Lindenstiftung, dem Förderprogramm Weltoffenes Sachsen des Freistaates Sachsen, dem Lokalen Aktionsplan Barnim und eines engagierten Mitgliedes des Kreises der Freunde und Förderer der Amadeu Antonio Stiftung, das anlässlich eines runden Geburtstages zu Spenden für das Projekt aufrief, wäre das Projekt nie realisiert und bis zum Ende durchgeführt worden. Wir freuen uns über das Vertrauen und hoffen auf weitere gute Kooperation auf dem Weg zur Durchsetzung der Kinderrechte!

Von Timo Reinfrank

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