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Pressemitteilung

Maßnahmenpaket der Bundesregierung bleibt zu vage

Amadeu Antonio Stiftung begrüßt die geplante Verschärfung des Waffenrechts und die Ausweitung der Melderegistersperren

Berlin, 30.10.2019. Die Bundesregierung stellte heute als Reaktion auf den rechtsextremen Terroranschlag in Halle das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vor. Dazu erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung: „Ein solches Paket war längst überfällig. Experten und zivilgesellschaftliche Organisationen warnen seit Jahren vor der Gefahr rechtsextremen Terrors. Es ist mehr als tragisch, dass es mit dem Mord an Walter Lübcke und dem Anschlag von Halle zwei rechtsterroristische Anschläge innerhalb kürzester Zeit erforderte, damit die Bundesregierung aktiv wird. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung enthält wichtige Ansätze, kann aber nur ein Anfang sein. Viele der geplanten Maßnahmen bleiben zu vage.“

Alle Betroffenen von rechter Gewalt schützen

Die Amadeu Antonio Stiftung begrüßt ausdrücklich die geplante Verschärfung des Waffen- und Sprengstoffrechts. Im Jahr 2018 fand eine massive Aufrüstung der rechtsextremen Szene statt, allein 2018 wurden 676 Waffen bei Hausdurchsuchungen sichergestellt. Die Rechtsverschärfung allein hätte die jüngsten Anschläge auf Walter Lübcke und in Halle jedoch nicht verhindert. Dazu ist die ergänzende Beobachtung der Szene und die Strafverfolgung der Verbreitung von Anleitungen zum Waffenbau im Darknet unbedingt notwendig. Weiterhin stellt die Ausweitung der Melderegistersperren eine dringend notwendige Maßnahme dar, die unverzüglich umgesetzt werden sollte. Auch der Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern ist unbedingt notwendig – jedoch gebührt der gleiche Schutz Betroffenen von Hasskriminalität, bürgerschaftlich Engagierten sowie Journalistinnen und Journalisten, die ebenfalls in erheblichem Maß der Bedrohung durch rechte Gewalt ausgesetzt sind.

Maßnahmen erreichen nicht die Radikalisierungsplattformen

Im Bereich der Online-Hasskriminalität wird die geplante Anzeigepflicht für Netzwerkbetreiber wenig positive Effekte auf Betroffene von digitalem Hass haben – und erscheint schwierig umsetzbar. „Mit dem Maßnahmenpaket treibt die Bundesregierung die Privatisierung der Strafverfolgung weiter voran. Die Meldepflicht von Hassrede für Netzwerkbetreiber beim Bundesamt für Justiz wird zu einer Überlastung der Strafverfolgungsbehörden führen. Schon jetzt liegen dort viele offene Fälle”, kritisiert Reinfrank. „Ohnehin fallen die bevorzugten Online-Plattformen Rechtsextremer bisher nicht unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, in dessen Rahmen die erweiterte Meldepflicht verabschiedet werden soll: Die Rechtsextremen bewegen sich auf kleineren Plattformen und in Gaming Communities, die vom NetzDG ausgenommen sind. Die geplante Gesetzesänderung wird deshalb wenig Wirkung zeigen”, resümiert Reinfrank, „wichtiger wäre eine längst fällige Qualifizierung von Strafverfolgungsbehörden und Justiz, um geltendes Recht im Bereich Online-Hasskriminalität umzusetzen.”

Förderrealität und versprochene Maßnahmen klaffen auseinander

Das wirksamste Mittel zur Bekämpfung von Hasskriminalität ist die Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas. Das geht nur mit umfangreicher Präventionsarbeit. Die Ankündigung, diese zu stärken, ist zentral, steht aber in der Praxis den Absagen weiterer Förderungen durch das Bundesprogramm Demokratie leben! entgegen. Von ihnen sind zahlreiche Initiativen und Organisationen der demokratischen Zivilgesellschaft betroffen. „Förderrealität und versprochene Maßnahmen klaffen weit auseinander. Wer nachhaltige Rechtsextremismusprävention betreiben will, muss Worten jetzt Taten folgen lassen und die notwendigen Mittel für die Zivilgesellschaft bereitstellen”, so Reinfrank. Die Amadeu Antonio Stiftung fordert seit längerem das Bundesprogramm Demokratie leben! mit 200 Millionen Euro auszustatten.

Kontakt für Rückfragen:
Franziska Schindler 030 – 240 886 16
franziska.schindler@amadeu-antonio-stiftung.de

Über die Amadeu Antonio Stiftung: Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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