Im Jahr 2023 wurden in Niedersachsen 331 antisemitische Vorfälle dokumentiert, was einer alarmierenden Zunahme um 61 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Vorfälle beinhalten eine Vielzahl von Gewaltakten, wie Angriffe, Bedrohungen und Sachbeschädigungen. Obwohl diese Zahlen beunruhigend sind, wird angenommen, dass die tatsächliche Dunkelziffer der Vorfälle noch wesentlich höher liegt. Die Qualität der dokumentierten Vorfälle blieb weiterhin hoch, einschließlich eines Falls extremer Gewalt und einer Zunahme von gewalttätigen Angriffen.
Die am häufigsten dokumentierte Form von Antisemitismus im Jahr 2023 war der israelbezogene Antisemitismus, der in 46 % der Fälle dokumentiert wurde. Dieser wurde gefolgt von Post-Schoa-Antisemitismus (43%), antisemitischem Othering (41%), Antijudaismus (18%) und modernem Antisemitismus (16%). Die Heterogenität dieser Vorfälle zeigt, dass Antisemitismus in Niedersachsen ein komplexes und vielschichtiges Problem ist, das sowohl historische als auch zeitgenössische Erscheinungsformen umfasst.
Katarzyna Miszkiel-Deppe, Projektleiterin der Dokumentationsstelle RIAS Niedersachsen, betont die Notwendigkeit, sowohl die Öffentlichkeit als auch die Politik auf die Unterschiedliche der Vorfälle aufmerksam zu machen, um effektive Maßnahmen gegen Antisemitismus zu ergreifen: „Spätestens seit dem 7. Oktober hat sich die Lage dahingehend noch einmal verschärft. Es gilt, das Augenmerk sowohl der Öffentlichkeit als auch der Politik auf diese Heterogenität der Vorfälle zu lenken, um effektive Maßnahmen gegen Antisemitismus zu ergreifen. Dieser stellt eine ernsthafte Bedrohung dar und widerspricht grundlegenden Prinzipien einer offenen und vielfältigen Gesellschaft.“
Der Bericht legt nahe, dass Antisemitismus in Niedersachsen ein wandlungsfähiges und allgegenwärtiges Problem ist, das den Alltag von Jüdinnen und Juden prägt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sowohl die Öffentlichkeit als auch die politischen Entscheidungsträger sich der Heterogenität und Komplexität des Phänomens bewusst sind und angemessene Gegenmaßnahmen ergreifen.