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Niemand ist vergessen: Gedenken an die Opfer des NSU in Chemnitz

Dem fehlenden Gedenken an die Opfer der Mordserie des  NSU in Chemnitz  setzt das Projekt “In unserer Mitte” etwas entgegen.  Am 05.10.2023 wurde im Heckert-Gebiet, also inmitten der einstigen “NSU” Wirkstätte ein großes Wandbild eingeweiht, das  den Opfern der rechtsterroristischen Mordserie gewidmet ist. Geplant und umgesetzt wurde das Wandbild von der Freiraumgalerie – Kollektiv für Raumentwicklung in enger Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Mordopfer. Eine Collage aus zehn Alltagsgegenständen an der Giebelwand der Friedrich-Viertel-Str. 2 erinnert an die Ermordeten.

Am 4. November jährt sich die Selbstenttarnung des “NSU-Kerntrios” zum zwölften Mal. Bis heute erschüttert das über Jahre hinweg ungestörte Morden der rechtsextremen Terrorgruppe, dessen volles Ausmaß nach wie vor viele Fragen aufwirft.  Davon, dass die Angehörigen der Opfer Gerechtigkeit zu spüren bekommen haben, kann bis heute keine Rede sein.

Der “NSU-Komplex” ist geprägt durch staatliches Wegschauen, strukturellen Rassismus innerhalb der Behörden, die nach jedem einzelnen Mord gegen die Opfer ermittelten und durch einen Verfassungsschutz, der primär an den Schutz seiner eigenen Quellen dachte, als an die Aufklärung der beispiellosen, rechtsextremen Mordserie.

Immer wieder sind es auch die Betroffenen rechtsextremer Gewalt und ihre Angehörigen, die nach jahre- und jahrzehntelanger Nicht-Anerkennung ihres Leids Orte des öffentlichen Gedenkens und des Trauerns erkämpfen müssen. Immer wieder müssen sie selbst die Kraft aufbringen, sich zu organisieren und laut zu sein, weil sich sonst nichts ändert.

 

 

Chemnitz als Ort rechtsextremer Vernetzung

Chemnitz ist bis heute deutschlandweit der einzige Ort mit “NSU-Kpmplex” Bezug, der nicht öffentlich an die Betroffenen des Terror-Netzwerkes erinnert, obwohl das Kerntrio des NSU, also die mutmaßlichen Haupttäter Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe  jahrelang in der Stadt lebten. Im sogenannten Heckert-Gebiet, einem der größten Plattenbaugebiete der ehemaligen DDR, konnten sich die Neonazis hier in den 1990er Jahren weitgehend ungestört radikalisieren.

Nach der Wiedervereinigung war es das Zusammenspiel aus strukturellem Rassismus gegen migrantische “Vertragsarbeiter”, steigendem Leerstand und sinkender sozialer Kontrolle, das als Nährboden und Katalysator für die terroristischen Aktivitäten des NSU diente. Mitte/ Ende der 1990er Jahre siedelten sich im Heckertgebiet zunehmend Neonazi-WGs an und es entstanden fest organisierte Strukturen, in denen Neonazi-Netzwerke ungestört agieren konnten. Als das “Kerntrio” des NSU-Komplexes 1998 in den Untergrund ging, wohnte es zunächst für mindestens zweieinhalb Jahre in Chemnitz – davon einen Großteil im Heckert-Gebiet.

Es waren Menschen, die ermordet wurden

Dem fehlenden Gedenken an die Opfer der Mordserie des  NSU in Chemnitz  setzt das Projekt “In unserer Mitte” etwas entgegen.  Am 05.10.2023 wurde im Heckert-Gebiet, also inmitten der einstigen “NSU” Wirkstätte ein großes Wandbild eingeweiht, das  den Opfern der rechtsterroristischen Mordserie gewidmet ist. Geplant und umgesetzt wurde das Wandbild von der Freiraumgalerie – Kollektiv für Raumentwicklung in enger Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Mordopfer. Die Collage aus zehn Alltagsgegenständen an der Giebelwand der Friedrich-Viertel-Str. 2 erinnert an die Ermordeten: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Persönliche Gegenstände wie ein Auto, ein Laptop und drei Rosen erinnern daran, dass es Menschen waren, die ermordet wurden. Menschen mit Bedürfnissen, Wünschen, Träumen und Zielen. Durch den rechtsextremen Terror wurden sie mitten aus ihrem Alltag gerissen.

Es war nicht nur das jahrelange, beispiellose Behördenversagen, dass Angehörige über sich ergehen lassen mussten, auch die mediale Berichterstattung über die NSU-Morde entmenschlichte die Opfer immer wieder. Nach dem fehlenden Willen der Stadt und der Politik, einen Ort des Erinnerns und Gedenkens zu schaffen, hat das Freiraumkollektiv mit ihrem Projekt zu einer wichtigen Intervention im öffentlichen Raum beigetragen. Gemeinsam mit den Angehörigen der NSU-Opfer haben sie gezeigt, dass es eine starke Zivilgesellschaft braucht, die es nicht zulässt, dass Opfer rechtsextremer Gewalt in Vergessenheit geraten.

 

 

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Kommentar

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