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Podcast #10 AfD – Umgang mit einer rechtsradikalen Partei

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Die Alternative für Deutschland (AfD) ist keine Partei wie jede andere. Sie ist eine demokratisch gewählte Partei – doch ihre Positionen sind klar demokratiefeindlich. Gerade erst zog die rechtsradikale Partei als zweitstärkste Kraft in die Landtage von Sachsen und Brandenburg. In der 10. Folge des Dehate-Podcats fragen wir, welche Auswirkungen das Erstarken der AfD für die Gesellschaft hat. Wie gehen Politiker*innen mit Angriffen der AfD um? Was bedeutet es für das politische Klima und die demokratische Zivilgesellschaft, wenn eine rechtsradikale Partei derartige Erfolge feiert? Und was muss getan werden, um ein weiteres Erstarken von Rechtsradikalen zu verhindern?

Wir sprechen mit Steffen Kailitz (Politikwissenschaftler, Hannah-Arendt-Institut), Timo Reinfrank (Geschäftsführer Amadeu Antonio Stiftung) und Annalena Schmidt (parteilose Stadträtin in Bautzen) über Entwicklung, Strategien und den Umgang mit der AfD.

Steffen Kailitz: Ich würde tatsächlich vom gegenwärtigen Standpunkt ausgehend, im September 2019, ganz klar sagen, es handelt sich im Kern um eine rechtsextreme Partei.

Annalena Schmidt: Es muss von den Demokrat*innen aller Parteien, nicht nur Parteien, aller Menschen, die Demokrat*innen sind, vehementer Widerspruch gegen Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und so weiter kommen.

Timo Reinfrank: Es geht hier nicht um Einzelne, sondern es geht um einen Angriff auf unsere Demokratie.

Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn eine rechtsradikale Partei derartige Erfolge feiert?

Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. Die AfD wird in beiden Ländern zweitstärkste Kraft. In Sachsen gewinnt sie landesweit 27,5 % der Zweitstimmen, wird damit zweitstärkste Kraft hinter der CDU, die auf 32,1 % kommt. In Brandenburg liegt die AfD mit 23,5 % nur knapp hinter der SPD, die auf 26,2 % kommt.

Die AfD ist keine Partei wie jede andere. Sie ist eine demokratisch gewählte Partei – ihre Positionen sind aber klar demokratiefeindlich. Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn eine rechtsradikale Partei derartige Erfolge feiert? Welche Auswirkungen hat das auf das politische Klima und die demokratische Zivilgesellschaft? Wie gehen Politiker*innen damit um, wenn sie in Parlamenten, in Stadträten mit Angriffen der AfD konfrontiert sind? Und was muss getan werden, um ein weiteres Erstarken von Rechtsradikalen zu verhindern?

Zugfahrt nach Sachsen

Im Oktober 2014 ging hier zum ersten Mal Pegida auf die Straße, um gegen eine angebliche “Islamisierung“ und gegen die deutsche Einwanderungs- und Asylpolitik zu protestieren. Pegida dient auch heute noch als Ventil von flüchtlingsfeindlicher Hetze, offenem Rassismus und Hass gegen Politiker*innen und Journalist*innen. Die Proteste wurden schnell zu einer Vernetzungsplattform von angeblich “besorgten” Bürger*innen, der organisierten Rechten und der AfD.

Steffen Kailitz: Wenn man sich die Umfrage anschaut, die einzige, bei der die Wahlabsichten der Pegida-Demonstranten erfragt wurden, ergab sich, dass 90% wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl gewesen wären, für die AfD gestimmt hätten, 5% für die NPD und 0% für die CDU, und 5% ging auf die anderen Parteien, aber vernachlässigenswert. Also es ist im Kern das gleiche Klientel, das an den Wahlurnen die AfD wählt.

Am Hannah Arendt Institut für Totalitarismusforschung in Dresden treffen wir den Politikwissenschaftler Steffen Kailitz. Über die Entwicklung der AfD sagt er:

Steffen Kailitz: Es gab im Zeitverlauf eine immer stärkere Verschiebung nach rechts. Also erst der Weg zum radikalen Rechtspopulismus, auch einhergehend damit, dass man sich an die entsprechenden Fraktionen im Europaparlamentarier angedockt hat, Frauke Petry sich mit Marine LePen getroffen hat. Und die zweite Phase dann dadurch ausgedrückt, dass Gauland an die Spitze getreten ist. Also der neben Höcke und Poggenburg an der Spitze der Erfurter Resolution und damit auch des Flügels stand.

Die Erfurter Resolution und der Flügel

Die Erfurter Resolution gilt als eine Art “Gründungsdokument“ des sogenannten “Flügels”. Sie wurde 2015 verfasst und stammt maßgeblich von Björn Höcke und André Poggenburg, dem damaligen Landesvorsitzenden in Sachsen-Anhalt, der die AfD mittlerweile verlassen hat. Am ersten Entwurf soll auch Götz Kubitschek mitgeschrieben haben, selbsternannter Vordenker der sogenannten „neuen“ Rechten. Das Papier kritisiert die Partei von innen heraus: Die AfD passe sich – Zitat  – „dem Technokratentum, der Feigheit und dem Verrat an den Interessen unseres Landes an“. Es wird dazu aufgerufen, sich nicht von „bürgerlichen Protestbewegungen“ zu distanzieren – gemeint ist damit vor allem Pegida. Innerhalb von zehn Tagen unterzeichneten 1.600 Mitglieder die Resolution. Zu den ersten gehörte Alexander Gauland.

Die Radikalisierung der Partei geht einher mit dem wachsenden Einfluss des völkisch-nationalistischen „Flügels”, zu dem auch Andreas Kalbitz gehört – brandenburgischer Spitzenkandidat bei der diesjährigen Landtagswahl. Er ist einer der Hardliner der AfD und gilt als Strippenzieher des rechtsextremen „Flügels“.

Wir werden uns dieses Land zurückholen, jeden Quadratzentimenter. Wir werden keine Kompromisse machen, wir haben keine Kompromisse zu machen. Heimat ist nicht verhandelbar. (Andreas Kalbitz)

Seine Verbindungen zu Neonazis und rechtsextremen Organisationen sind bekannt, werden von führenden AfD-Politiker*innen wahlweise ignoriert oder verharmlost. Den wachsenden Einfluss des Flügels auf die gesamte Partei, könne man gut am Wahlkampf zu den Landtagswahlen ablesen, so Steffen Kailitz:

Steffen Kailitz: Das letzte Kyffhäusertreffen stand ja unter dem Motto Der Osten steht auf, also Wende 2.0. Und das ist exakt das Wahlkampfmotto der drei ostdeutschen Landesverbände. Das ist deckungsgleich, Motto des Flügels, Kyffhäusertreffen und das Wahlkampfmotto der ostdeutschen Landesverbände. Also das ist ein ganz klar vom Flügel ausgetragener Wahlkampf, der derzeit stattfindet, auch mit angedrohten Konsequenzen für die künftige Zusammensetzung des Bundesvorstandes. Wenn die Erfolge entsprechend eingefahren werden bei den Langtagswahlen, dass hat Höcke ja schon beim Kyffhäusertreffen angekündigt, dass dann eben praktisch die Zusammensetzung des Bundesvorstands neu ausgehandelt wird, dass man darauf seine Energie voll ausrichten wird.

Politikwissenschaftler Kailitz geht davon aus, dass die Übernahme durch den Flügel nach den drei ostdeutschen Landtagswahlen vollendet wird. Der Flügel sei schon jetzt der dominante Teil innerhalb der Partei und gebe den Ton an:

Steffen Kailitz: Ich würde tatsächlich vom gegenwärtigen Standpunkt ausgehend, im September 2019, ganz klar sagen, es handelt sich im Kern um eine rechtsextremistische Partei. Die Aussage würde ich aufgrund der Dominanz des Flügel, der inzwischen die Partei klar beherrscht, schon so treffen. Man muss dazu sagen, die Gegner des Flügel in der Partei sind anders als in der medialen Diskussion dargestellt wird, ja keine Gemäßigten oder die Mitte. Wenn von alternativer Mitte die Rede ist, dann handelt es sich um Vertreter des radikalen Rechtspopulismus, die für eine Linie ähnlich wie FPÖ oder Rassemblement National stehen oder irgendwo dazwischen. Aber es handelt sich eben nicht um Vertreter der Anfangszeit, der Lucke-Linie.

Die Programmatik, die der Flügel vertritt, ist nahezu deckungsgleich mit den Positionen der rechtsextremen Identitären Bewegung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Es wird von “Widerstand” gesprochen, von einer “Fundamentalopposition zu den Systemparteien” und vom “Großen Austausch”. Die rassistische Verschwörungserzählung vom großen “Bevölkerungsaustausch”, ist ein zentraler Glaubenssatz der gesamten neuen Rechten.

Die zentrale Strategie der sogenannten Neuen Rechten ist der Kampf um die „kulturelle Hegemonie“. Der Grundgedanke dabei: Um politische Macht zu gewinnen, muss der Diskurs nach rechtsaußen verschoben werden. Die AfD nutzt die Meinungsfreiheit, um Menschenverachtung zu normalisieren, Begriffe umzudeuten und neue zu etablieren. Damit einher geht auch die Delegitimierung von etablierten politischen Akteur*innen wie zivilgesellschaftliche Organisationen, Parteien oder Gewerkschaften.

Der Thüringer Landesvorsitzende der AfD Björn Höcke, brachte diese Strategie in einer Rede im Januar 2018 auf den Punkt:

Wer die Begriffe prägt, der prägt die Sprache, wer die Sprache prägt, der prägt das Denken, wer das Denken prägt, prägt den politischen Diskurs und wer den politischen Diskurs prägt, der beherrscht die Politik, egal ob er in der Opposition ist oder in der Regierung.[1] (Björn Höcke)

Kampf um die kulturelle Hegemonie

Ein eindrückliches Beispiel für den Kampf um die „kulturelle Hegemonie“ und den offenen Schulterschluss von AfD und Rechtsextremen, war die Demonstration in Chemnitz vor einem Jahr. Am 1. September 2018 marschierten die AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke, Jörg Urban und Andreas Kalbitz einträchtig mit Götz Kubitschek, Pegida-Initiator Lutz Bachmann, rechtsextremen Kameradschaften, Neonazis und Hooligans. Gemeinsam wetterten sie gegen die „Lügenpresse“, die „Merkel-Diktatur“ und propagierten den „Widerstand“.

Trotz ihrer rechtsradikalen Programmatik wird die AfD vielfach noch als rechtspopulistische Partei verharmlost, – oder sogar in einem Atemzug mit der CDU als bürgerliche Partei bezeichnet, wie es kürzlich eine Moderatorin der ARD tat:

„[…]eine stabile Zweier-Koalition, eine bürgerliche, wäre ja, theoretisch, mit der AfD möglich. Ist das immer noch ausgeschlossen?

Steffen Kailitz: Das ist hoch problematisch, weil die Übergänge sind ja doch fließend, das schon irgendwo ein ideologisches Kontinuum. Die Gemeinsamkeit der extremen Rechten, was ich jetzt als Oberbegriff für radikalen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus verwenden würde, ist, dass im Mittelpunkt steht die Wendung gegen Zuwanderung und die Betonung der eigenen nationalen Identität, also die Identitätspolitik.

Eindeutige Parallelen erkennt Kailitz auch zwischen AfD und NPD. Holger Apfel, ehemaliger Bundesvorsitzender der NPD, propagierte schon lange bevor es die AfD gab den seriösen Radikalismus. Das schlichte Konzept dahinter: eine seriöse,  bürgerliche Fassade, gepaart mit einem rechtsextremen Kern.

Steffen Kailitz: Da kann man natürlich schon sagen, dass die AfD das perfektioniert hat, was Apfel hier propagiert, den seriösen Radikalismus. Apfel hat beklagt, auch in seiner Abrechnung mit der NPD, dass er den Kurs letztlich nicht in der NPD durchsetzen konnte. Es finden sich auch immer wieder Stimmen, ja die AfD hat dann das geerntet, was wir hier gesät haben. Die AfD hat das perfektioniert, was schon die NPD hier vorgemacht hat um Wähler zu gewinnen: Kümmerer-Image, gerade auf dem Land. Heimat, diese Parole Heimat, also auch die Heimatpartei, finden sie bei Höcke, wo kommt es her? NPD.

Timo Reinfrank: Ich erinnere mich halt immer sehr an die 90er Jahre, wo es eben eine sehr zugespitzte Situation war, wo die Leute vor Ort die rechtsextreme Bedrohung nicht ernst genommen haben, sie weg geredet haben, die Jugendlichen, die Engagierten nicht ernst genommen haben. Und so ein bisschen fühle ich mich im Moment immer wieder daran erinnert.

Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Timo Reinfrank: Weil irgendwie wird die AfD immer noch nicht ernst genommen. Weil all das, was wir sehen, die Bedrohung, das Anpöbeln, das Infragestellen der Mittel, das ist so ähnlich wie in den 90er Jahren aber es ist eben wirklich auf einem neuen Niveau.

Hetze, Verleumdung, Drohungen

Seit fast 20 Jahren berät Reinfrank Projekte und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren. Solche Projekte spüren den wachsende Einfluss der rechtsradikalen Partei deutlich: Initiativen werden unter Druck gesetzt, verleumdet und bedroht –  insbesondere, wenn sie sich in Politikbereichen bewegen, die von der AfD als Kampfgebiete betrachtet werden, wie etwa Geschlechtergerechtigkeit, Migration, Islam, sexuelle Identitäten oder Kinder- und Jugendpolitik.

Timo Reinfrank: Das fängt halt an beim lokalen Fußballverein, der sich auch für die Integration von Geflüchteten einsetzt. Es geht um die Caritas oder andere Wohlfahrtsorganisationen, die eben auch Migranten aktiv einbinden, weil sie finden, das gehört zum Teil der Gesellschaft oder es sind eben auch Jugendclubs, die eine klare Ansage machen, dass bei ihnen kein Ort für Rechtsextremismus, für Neonazis ist und der AfD-Propaganda auch mit klaren Worten entgegentreten. Das ist schon erstaunlich in welcher Breite die AfD alle, diejenigen angreift, die für diese Demokratie stehen. Das ist ja nicht nur die Amadeu Antonio Stiftung, die immer paradigmatisch angegriffen wird oder die Projekte gegen Rechtsextremismus, sondern eben wirklich alle, die für diese Republik stehen und das muss man auch immer deutlich machen. Es geht hier nicht um Einzelne, sondern es geht um einen Angriff auf unsere Demokratie.

Mit der AfD haben Angriffe auf Engagierte eine neue Qualität angenommen: Neben der schon länger präsenten Bedrohung einzelner Engagierter durch Rechtsextreme werden heute ganze Projekte und Initiativen angefeindet und angegriffen. Darunter viele Projekte, die unter anderem durch die Bundesländer und das Programm „Demokratie leben!“ des Bundesfamilienministeriums gefördert werden. Mit den Angriffen wird die Förderwürdigkeit der Träger infrage gestellt, um den Projekten staatliche Gelder zu entziehen. Hinzu kommen gezielte Diffamierungen über verschwörungsideologische, rechtsalternative Medien und Hasskampagnen in Sozialen Netzwerken. Gelingt die Skandalisierung, kann sie bis in einzelne Qualitätsmedien hineinwirken und dadurch die Forderungen der AfD in die Breite tragen.

Timo Reinfrank: Ich glaub es geht darum, dass verschiedene Gerüchte in Umlauf gebracht werden, es geht darum, wie über bestimmte Leute gesprochen wird. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass sie linksextrem seien oder dass sie  sehr stark davon selbst profitieren würden, den Wohlfahrtsorganisationen wird vorgeworfen, sie würden eben nur selbst davon profitieren, mafiaähnlich organisiert. All das im Prinzip, was so die alltägliche Arbeit ausmacht, für die werden sie diskreditiert. Und das gipfelt dann eben in parlamentarischen Anträgen, in Anträgen ihnen die Mittel zu streichen, sie ins Kreuzverhör zu nehmen, im Jugendausschuss oder in allgemeinen kommunalen Anhörungen. Im Prinzip geht es darum, Stück für Stück sie zu demontieren, ihrem Ruf zu schaden und dann auch andere Akteure aufzubauen, die dann kommunale Aufgaben oder Aufgaben der freien Kinder- und Jugendarbeit übernehmen können. Dafür zu sorgen, dass die entsprechende Mittel bekommen.

Ortswechsel – Wir fahren nach Bautzen. Eine beschauliche Stadt mit rund 40.000 Einwohner*innen in Ostsachsen. Seit vier Jahren lebt hier Annalena Schmidt – Historikerin, Bloggerin und seit Mai parteilose Stadträtin für Bündnis 90/Die Grünen. Schmidt engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus. Sie twittert und bloggt über ihr Leben in Bautzen und schreibt über Rassismus und Rechtsextremismus in der Stadt.

Bautzen war in den vergangenen Jahren immer wieder wegen rassistischer Ausschreitungen in den Schlagzeilen. Im Februar 2016 steckten Unbekannte den „Husarenhof“ in Brand. Das Hotel war als Unterkunft für 300 Geflüchtete vorgesehen. Damals lebte Annalena Schmidt erst wenige Wochen in Bautzen. Im September 2016 jagten mehreren Neonazis Geflüchtete durch die Stadt. Annalena Schmidt war damals dabei, hielt sich im Augenblick des Angriffes bei der Gruppe Geflüchteter auf. Danach machte sie die Geschehnisse öffentlich. Das Klima in Bautzen und in Gesamtsachsen, sagt die 33-Jährige, habe sich in den letzten vier Jahren kontinuierlich verschlechtert.

Annalena Schmidt: Das schlägt sich zum einen in den Wahlergebnissen nieder, zum anderen aber auch, wenn wir uns die Statistiken rechter Gewalttaten und so weiter anschauen. Sowohl die der Opferberatung, auf die ich mehr gebe als auf den VS-Bericht, aber selbst der VS kommt zu dem Schluss, dass sich im Laufe der letzten Jahre sich die Anzahl an rechten Gewalttaten und Straftaten hier in der Region wie auch in Gesamtsachsen extrem erhöht hat. Und das ist ja nur der schlimmste Auswuchs des gesellschaftlichen Klimas wenn der Hass dann in Straftaten endet.

Die sächsischen Beratungsstellen für Opfer von rechter Gewalt verzeichneten für 2018 einen Anstieg um 40% bei rechtsmotivierten und rassistischen Angriffen in Sachsen. Dieser Anstieg ist unter anderem auf die Ereignisse in Chemnitz zurückzuführen.(vgl. wahlen.sachsen.de)

In Bautzen gibt es sowohl seit Jahren aktive Neonazis als auch ein rechtspopulistisch-verschwörungsideologisches Netzwerk. Die AfD profitiert vom polarisierten Klima in der Stadt. Bei den Landtagswahlen gewann sie in drei von fünf Bautzener Wahlkreisen die Direktmandate. Insgesamt kam die AfD in Bautzen auf 33,9 % – und liegt damit knapp vor der CDU. Seit der Kommunalwahl im Mai 2019 ist die AfD auch im Stadtrat vertreten. Dort hat sie zur Zeit sieben Sitze, nur einen weniger als die CDU. Einer der sieben AfD-Sitze ging an Paul Neumann, Aktivist der rechtsextremen Identitären Bewegung. Annalena Schmidt kritisiert:

Annalena Schmidt: Es gab keine Auseinandersetzung. Es ist tatsächlich bis heute so, dass viele ein viel größeres Problem darin sehen, dass ich im Stadtrat bin und das Problem nicht der Identitäre ist.

Annalena Schmidt wird immer wieder verbal attackiert. Bei einer Dialogveranstaltung unter dem Titel „Zurück zur Sachlichkeit“ saß Schmidt Anfang des Jahres auf dem Podium in einer Bautzener Kirche. Mehr als 800 Besucher*innen waren gekommen. Auch auf dem Podium: Der Bautzener Unternehmer Jörg Drews, Chef des Unternehmens Hentschke Bau. Im Jahr der Bundestagswahl 2017 ging eine Großspende von Drews Firma an die AfD. Drews gilt als bestens vernetzt im verschwörungsideologischen, rechtsradikalen Milieu.

Bei der Veranstaltung zitierte Schmidt aus dem Grundgesetz – im Saal verhöhnendes Gelächter. Eine Frau forderte Schmidt später dazu auf, die Stadt zu verlassen.

Meine Damen und Herren, dass ist hier kein Tribual für Annalena Schmidt. Wir müssen von dieser Personalisierung wegkommen. Versuchen Sie das mal.[2]

Immer wieder wird Schmidt als “Nestbeschmutzerin” beschimpft und ihr wird vorgeworfen, dem Image der Stadt zu schaden.

Den Ruf der Stadt habe nicht ich zu verantworten. Den Ruf der Stadt haben die Personen zu verantworten, die politisch agieren. Sei es die Identitäre Bewegung, seien es rechtsextreme Gruppen, seien es Menschen die hier gegen den Migrationspakt auf die Straße gehen.[3]

Annalena Schmidt: Also es werden einem wirklich Normalitäten, dass man sich für Geflüchtete einsetzt, dass man für ein tolerantes Miteinander wirbt, dass man die Versammlungsfreiheit in Deutschland nutzt um Meinung gegen Rechtsextremismus kundzutun oder gegen NPD zu demonstrieren, wird dort dargestellt als sei man eine Straftäterin, Linksextremistin, was auch immer. Und es wird so dargestellt, als stehe man außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Grundgesetzes.

Der sächsische AfD-Landeschef Jörg Urban bezeichnete Annalena Schmidt auf Facebook als “Antidemokratin”. Unter dem #annalenamussweg wurde die “Ausbürgerung” Schmidts gefordert. Der ehemalige NDP-Kreischef Marco Wruck rief für den 8. März sogar zu einer Demonstration gegen Schmidt auf – das Motto: „Annalena im Stadtrat verhindern – gegen hessische Verhältnisse in Bautzen”. Zur Not, so wurde in der Ankündigung gefordert, sei ihr Einzug in den Stadtrat mit “allen Mitteln” zu verhindern. Letztlich wurde die Demo abgesagt.

Die AfD versuche gezielt Menschen einzuschüchtern, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen, berichtet Schmidt. Dazu nutze sie unter anderem ihre Fraktionszeitung die “Blaue Post”. Diese landet in allen Briefkästen im Landkreis und wird von der AfD unter anderem dazu genutzt, Menschen gezielt an den Pranger zu stellen.

Annalena Schmidt: Gefühlt in jeder zweiten Ausgaben muss man sich in irgendeiner Weise an mir abarbeiten. Beispielsweise als es in einer Ausgabe um die Seenotrettung von geflüchteten Menschen im Mittelmeer ging, das Ganze bebildert war mit einem Bild mit einem Schiff dass man Annalena nannte und darunter geschrieben hat: Warten aufs abwracken. Und auf der ersten Seite dieser Ausgabe der blauen Post hatte man sich daran abgearbeitet an einem Artikel der vorher erschienen war, wo erwähnt wird, dass ich hier mit einem Pfarrer in Bautzen zusammengearbeitet habe und wir ähnliche Positionen vertreten wenn es um das Thema Rechtsextreme in der Kirche angeht wo man dann sehr über diesen Pfarrer und mich gehetzt hat.

Eine neue Dimension erreichten die Anfeindungen gegen Annalena Schmidt Anfang des Jahres, als sie eine Morddrohung per Telefon bekam.

Annalena Schmidt: Ich hab’s angezeigt, weil das natürlich eine Sache ist, wo ich sagen muss, das geht deutlich über das Schlampe kommentieren hinaus, sondern da hat sich jemand wahrscheinlich Arbeit gemacht, die Telefonnummer raus zu finden und mir auch relativ genau zu sagen, dass man mich vergiften wird und dass ich langsam und qualvoll sterben werde. Das ist dann natürlich eine Morddrohung, das zeig ich immer an.

Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen den Fall ernst, erzählt Schmidt. Allerdings wurde das Verfahren nach drei Monaten eingestellt, da kein Täter ermittelt werden konnte. Fest stand nur: Der Anruf kam aus einer Bautzener Telefonzelle. Annalena Schmidt erzählt, dass sie auf Twitter und Facebook viel Solidarität erfuhr. In Bautzen warfen ihr jedoch erneut einzelne Leute vor, sie würde dem Image der Stadt schaden, weil sie die Morddrohung öffentlich machte. Für Annalena Schmidt ein Schlag ins Gesicht. Es klingt bitter: An die Anfeindungen im Netz habe sie sich gewöhnt. Bei Morddrohungen sei die Grenze aber überschritten.

Annalena Schmidt: Wenn wir dann an den Mord Lübcke denken, ist es so, dass ich mir seitdem noch deutlich mehr Gedanken mache, inwieweit kann man als Kommunalpolitiker*in sich dort dann überhaupt noch sicher sein, dass einem nichts passiert. Dass die Drohungen ernst gemeint sind und die Leute, die das artikulieren vielleicht auch wirklich in die Tat umsetzen. Und das ist das, was mir Angst macht, weil ich natürlich bei Weitem nicht die Einzige bin, die davon betroffen ist, sondern das kommunale Politiker*innen, Landespolitiker*innen und Bundespolitiker*innen sich permanent Beschimpfungen, Bedrohungen bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt fühlen. Und das ist eine riesige Gefahr für unser Demokratie, weil sich die Menschen, die engagiert sind dann irgendwann überlegen könnten, oder entsprechend eingeschüchtert sind und ihr Engagement aufhören. Und das betrifft nicht nur die Menschen, die dann Politiker*innen sind, sondern auch Aktivist*innen aus zivilgesellschaftlichen Initiativen usw. und das macht mir Angst, Angst für unsere Gesellschaft, für die Demokratie.

Die Erfahrungen der Kommunalpolitikerin sind kein Einzelfall. Drohungen gegenüber Politiker*innen haben in der Vergangenheit stark zugenommen. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke war der traurige Höhepunkt dieser Bedrohungslage. Auch wurden in den letzten Monaten immer wieder sogenannte Feindeslisten bei Rechtsextremen gefunden. Auf diesen standen bis zu mehrere Tausend Namen – bei einigen waren sogar detaillierte persönliche Daten zusammengetragen wie Adressen, Wohnungsgrundrisse und Telefonnummern. Die Hetze und Diffamierungskampagnen der AfD, ob in Facebookkommentarspalten oder in Parlamenten, stellen den Nährboden für die Verrohung des Diskurses und das hasserfüllte Klima dar. Timo Reinfrank hebt den systemischen Charakter der Anfeindungen hervor:

Timo Reinfrank: Ich glaub es ist erstmal ganz wichtig, dass man klar macht, das hat nichts mit einem selber zu tun, wenn man betroffen ist von Angriffen, sondern das liegt  im politischen Konzept der AfD. Man muss sich darauf vorbereiten, man muss sich rechtzeitig Unterstützung suchen, man muss Geldgeber, Freunde, Vertraute darauf hinweisen, dass genau das passieren wird und dann muss man sich aktiv dagegen wehren. Und das sind ja auch die Erfahrungen, die wir von unseren Partnern aus Ungarn, Polen oder auch Österreich gespiegelt bekommen haben, dass auch sie einfach lange das unterschätzt haben und immer gedacht haben, es wird schon nicht so schlimm werden und am Ende kam es dann eben doch, dass es so schlimm geworden ist und viele aufgegeben haben.

Die AfD wurde viel zu lange verharmlost.

Die AfD, so Reinfrank, wurde viel zu lange verharmlost. Sie ist keine bloße Protestpartei mehr. Vielmehr hat sie – und das ist das gefährliche an ihr – mit ihren rechtsextremen Inhalten einen Teil der Gesellschaft hinter sich. Die rechtsradikale Partei ist seit einiger Zeit in allen Landesparlamenten vertreten, trotzdem ist ihr vermeintliches Hegemoniegefühl in Sachsen am Größten. Das liegt auch daran, dass die Politik es versäumt hat, rechtsradikale Tendenzen in der Bevölkerung zu problematisieren. Annalena Schmidt sieht alle Demokrat*innen in der Verantwortung:

Annalena Schmidt: Es muss von den Demokrat*innen aller Parteien, nicht nur Parteien, aller Menschen, die Demokrat*innen sind, vehementer Widerspruch gegen Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und so weiter kommen. Und das wurde hier in Sachsen leider in den letzten 30 Jahren an vielen Stellen verpasst, wo die CDU Sachsen und Biedenkopf eine Mitschuld haben. Die immer gepredigt haben und immer wieder gepredigt haben, dass die Sachsen immun gegen Rechts seien.

Seit der Wende 1990 war die CDU in Sachsen immer an den Regierungen beteiligt – von 1990 bis 2004 war Kurt Biedenkopf sächsischer Ministerpräsident. Jahrelang wurden rechtsextreme Einstellungen und Rassismus unter ihm verharmlost. In seiner Amtszeit prägte er vor allem einen Satz: „Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus.“ Dieses Mantra scheint heute noch in der Arbeit des sächsischen Verfassungssschutzes durch. Politikwissenschaftler Kailitz kritisiert:

Steffen Kailitz: Ich halte den aktuellen sächsischen Verfassungsschutzbericht für extrem problematisch. Hier ist ein extremes Ungleichgewicht festzustellen. Das Konzert, das mobilisiert hat gegen die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz unter dem Titel Wir sind mehr wird aufgeführt, weil eine linksextremistische Band dort gespielt hat, bzw. Feine Sahne Fischfilet, da gibts eine Vorgeschichte, wo es Anknüpfungspunkte gibt, aber tatsächlich aktuell würde die Einschätzung ohnehin nicht zutreffen. Was aber das Ungleichgewicht betrifft, da wird quasi im Vorbeigehen geschrieben, diese Bands sind linksextremistisch, versuchen die Mehrheit rüber zuziehen. Und keine der Pegida-Demonstrationen, keine der AfD-Veranstaltungen wird aufgeführt in dem gleichen Verfassungsschutzbericht. Es wird Pegida ausdrücklich und zwar fünfmal ein Persilschein ausgestellt, dass sie nicht extremistisch sind und das finde ich, ist schon an der Grenze zum Skandal.

Nach ihrer Wahl in den Bautzener Stadtrat stellte Schmidt sofort klar, dass sie nicht mit der AfD zusammen abstimmen werde. Doch nicht alle Fraktionen bezogen so klar Stellung. Der Fraktionsvorsitzende der SPD äußerte zwar Kritik an der AfD, schloss aber ein gemeinsames Abstimmen bei sozialdemokratischen Themen nicht aus. Auch kündigte der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens an, er würde völlig normal mit der AfD umgehen. Und er hätte nichts dagegen, wenn ein AfD-Mitglied zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt würde. Annalena Schmidt hält das für eine gefährliche Normalisierung der AfD:

Annalena Schmidt: Und da muss ich sagen, das finde ich völlig fatal, weil diese Äußerung sowohl von Alexander Ahrens als auch von SPD hier auf kommunaler Ebene dazu beitragen, dass die Alternative für Deutschland, die hier in Sachsen, aber auch sonst in weiten Teilen rechtsextreme Positionen vertritt, die ein Parteiprogrammen zur Landtagswahl vorgelegt hat, das teilweise Positionen vertreten hat, die außerhalb unseres Grundgesetzes stehen, dass man dadurch, dass man mit ihnen gemeinsam abstimmen möchte oder einen Bundestagsvizepräsidenten oder Vizepräsidentin zugestehen möchte, normalisiert. Und rechtsextreme Parteien dürfen nicht normalisiert werden. Das ist schon mal schief gegangen.

Demokrat*innen müssen sich klar abgrenzen

Annalena Schmidt plädiert für eine klare Abgrenzung gegenüber der AfD. Es gehe nicht darum, grundsätzlich mit keiner anderen Partei gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Wichtig sei aber deutlich zu machen, dass die AfD keine demokratische Partei wie jede andere ist.

Annalena Schmidt: Sie ist demokratisch gewählt, ihre Positionen sind aber in sehr vielen Punkten rechtsextrem, in Teilen außerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung und deshalb bezeichne ich die AfD als nicht-demokratische Partei.

Die Abgrenzung zur AfD funktioniere auf kommunaler Ebene noch nicht. Positive Beispiele für den Umgang mit der rechtsradikalen Partei sieht Schmidt auf anderen parlamentarischen Ebenen:

Annalena Schmidt: Ich sehe es immer, wenn man den Bundestag beobachtet oder im Landtag, da funktioniert das gut. Da ist auch eine verrohte Diskussion reingekommen seit die AfD drin ist, allerdings ist auch sehr schön zu beobachten, dass fraktionsübergreifend für Beiträge geklatscht wird, wo AfD Positionen kritisiert werden. Da müssen wir auch auf kommunaler Ebene in Sachsen hinkommen. Dass sich einfach alle demokratischen Parteien einig sind, dass man mit einer sogenannten Alternative für Deutschland auch auf kommunaler Ebene in der Sachpolitik nicht zusammenarbeitet.

In den letzten Jahren hat bei der sächsischen CDU ein Umdenken stattgefunden. So positionierte sich Ministerpräsident Michael Kretschmer klar in Bezug auf die Frage, ob er eine Koalition mit der AfD eingehen werde:

„Sie haben im Wahlkampf immer betont, dass Sie weder mit ganz links noch mit ganz rechts zusammen gehen werden. Es gäbe rechnerisch eine stabile Mehrheit mit der AfD. Schließen Sie das immer noch aus?“

„Ja, nach dem Wahlkampf noch viel mehr. Wenn ich mir anschaue, was gerade in den letzten 72 Stunden über mich, über die CDU aber  auch andere an Bösartigkeiten ausgekippt worden sind, dann sieht man ja wirklich diese Partei fliegt nach rechts weg. Und das ist nicht gut für unser Land. Ich bleibe bei meiner Aussage, das machen wir nicht und dieser Landtag in seiner Zusammensetzung, wie er sich abzeichnet, bietet auch die Möglichkeit jenseits davon eine stabile, gute Regierung zu bilden.“ (Michael Kretschmer)

Annalena Schmidt: Ministerpräsident Kretschmer ist der Erste, der in den letzten 2 Jahren immer wieder angesprochen hat, dass es die Probleme mit Rechtsextremismus gibt. Er ist dann oftmals auch wieder umgekippt und hat gesagt ‚ja, auch der Linksextremismus ist schlimm und böse und da haben wir in Sachsen ein Problem mit‘. Aber er hat die Probleme mal klar benannt, er war mal mit auf Demos gegen den Pegida-Jahrestag im letzten Jahr. Aber dieses Narrativ ‚die Sachsen sind immun gegen Rechts‘, das war so verfangen, dass es in den letzten zwei Jahren noch nicht aufgelöst werden konnte.

Timo Reinfrank: Die Wahlergebnisse haben nochmal gezeigt, dass wir viel stärker auf den ländlichen Raum gucken müssen, also nicht nur auf die großen Städte wie Dresden, Leipzig oder auch Chemnitz, sondern, wenn man die Wahlergebnisse dieser großen Städte raus rechnet, sieht man ja, dass im ländlichen Raum Wahlergebnisse von bis zu ein Drittel AfD-Wähler*innen gibt. Und ich glaube, wir müssen viel stärker gucken, dass wir die Engagierten in diesen Mittelzentren, in diesen kleinen Orten stärken und unterstützen.

Timo Reinfrank betont, dass es wichtig sei, wieder stärker für die Demokratie zu werben. Für viele Menschen sei das demokratische System nicht selbstverständlich. Man müsse klar machen, was es eigentlich bedeutet, in einer Demokratie zu leben, welche Chancen und welche Freiheit jeder Einzelne dadurch hat und was wir verlieren, wenn wir in halb-autoritäre Regime zurückfallen. 

Zivilgesellschaftliches Engagement stärken

Viele Leute, die sich in zivilgesellschaftlichen Projekten engagieren, bräuchten nun ein klares Zeichen von der Politik. Denn es sind die Menschen, die sich vor Ort für Demokratie einsetzen, die eine starke Zivilgesellschaft ausmachen. Und diese braucht es, um dem weiteren Erstarken von Rechtsradikalen etwas entgegenzusetzen. Mit welchen Ansätzen kann das gelingen?

Timo Reinfrank: Also ich fand gerade in Sachsen gab es im letzten Jahr gute Versuche mit der Zivilgesellschaft, mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ins Gespräch zu kommen. Und ich glaube diese Gesprächsangebote müssen zum Dauerzustand werden und wir müssen wirklich gucken, einerseits wie sind die Umbrüche gemeistert wurden, was haben die Leute auch für einen Erfolg damit individuell gehabt. Was gab es für Abwertungen auch durch die Treuhand. Wir bräuchten eigentlich dringend eine Aufarbeitung der rechtsradikalen Gewalt in 1990er Jahren bis in die Gegenwart und wir brauchen eine Polizei und eine Justiz, die rechtsextreme Straftaten schnell und konsequent verfolgt und dafür muss sie  auch entsprechend ausgestattet sein.

Für die Stadt Bautzen wünscht sich Annalena Schmidt, dass wieder mehr Menschen das Bürgerbündnis „Bautzen bleibt bunt“ unterstützen. Schon lange bevor sie selbst nach Bautzen kam, hatte sich dieses einst recht große Bündnis gegen Rechtsextremismus stark gemacht.

Annalena Schmidt: Mein Wunsch wäre, dass sich dieses Bündnis oder irgendein anderes Bündnis aufstellt, Menschen anzieht, die jetzt auch nach den Landtagswahl hab ich einige E-Mails bekommen, von Menschen die was machen wollen – sich neu aufstellen. Und mein Ziel wäre es für die nächsten Jahre dort einfach die Menschen, die den Bedarf haben dahingehend zu schulen, dass sie den Widerspruch leisten können und da auch empowert werden, was zu machen.

Die AfD stellt die Grundlage unseres Zusammenlebens infrage: Indem sie Grund- und Menschenrechte angreift –  wie Pressefreiheit, Religionsfreiheit und den Schutz der Menschenwürde. Sich von der AfD klar abzugrenzen und ihre rechtsextremen Inhalte zu benennen, daran führt kein Weg vorbei. Politikwissenschaftler Steffen Kailitz sieht hier auch den Verfassungsschutz in der Verantwortung. Für alle demokratischen Kräfte muss klar sein: Jeglicher Form von Kooperation mit der AfD muss eine entschlossene Absage erteilt werden – ob in Kommunalparlamenten, in Vereinen oder in Kirchengemeinden.

Timo Reinfrank: Jeder Einzelne muss im Alltag mehr für die Demokratie, nicht nur als Regierungs- sondern auch als Lebensform werben.

Dehate – Ein Podcast der Amadeu Antonio Stiftung.

Konzeption und Umsetzung Lars Lichtermann und Viola Schmidt.

Musik: Kevin McLeod und Jan Möller.

O-Ton Quellen:

[1] https://www.youtube.com/watch?v=SjqdFggKRjw

[2] https://www.youtube.com/watch?v=msjYev0ulN8

[3] https://www.youtube.com/watch?v=msjYev0ulN8

 

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Schule, aber rechts: Was tun gegen rechtsextreme Schüler*innen und Eltern?

Vor wenigen Tagen warnten die Schülervertretungen aller ostdeutschen Bundesländer vor wachsenden Rechtsextremismus. Inzwischen belegen auch Zahlen aus den Ländern diesen Eindruck: Nicht nur
im Osten haben sich rechtsextreme Vorfälle an Schulen vervielfacht. Rechtsextreme Cliquen auf dem Schulhof, Hakenkreuzschmierereien im Klassenzimmer und überforderte Lehrer*innen mittendrin. Was tun? Unser Kollege Benjamin Winkler klärt auf.

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