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Superwahljahr in Brandenburg – wie sich der DemokratieFlitzer für die Demokratie stark macht

Foto: Zukunftsarchiv e.V.

Am 9. Juni fand in Brandenburg die Kommunalwahl statt und die nächste Wahl steht schon in den Startlöchern. Im September dieses Jahres wird der brandenburgische Landtag gewählt und die Ergebnisse der Kommunalwahl prophezeien düstere Aussichten. Doch in Steinhöfel ist der Einsatz für die Demokratie unermüdlich. In diesem Jahr kam der „DemokratieFlitzer“ erstmals zum Einsatz.

Von Josephine Köhne

In der Gemeinde Steinhöfel im Osten Brandenburgs hat die AfD bei den Kommunalwahlen 30,3 % erreicht, etwa so viele Prozent wie bei der Landtagswahl 2019. Schon damals hat die Gemeinde eine Erklärung für ein „Weltoffenes Steinhöfel“ verfasst. 2021 folgte das „Bündnis für ein weltoffenes Steinhöfel“, das etliche Kundgebungen gegen Treffen der AfD in einem örtlichen Gasthaus organisierte. Mitten im Lockdown waren damals Alexander Gauland, Tino Chrupalla, Björn Höcke und rund 50 weitere AfDler des aufgelösten „Flügels“ zu einem informellen Treffen in einer Gaststätte im Herzen von Steinhöfel zusammen gekommen. Womit sie wohl nicht gerechnet haben: Auch in Steinhöfel gibt es viele Menschen, die rechtsextreme Ansichten nicht dulden wollen. Als verschiedene Gruppierungen der AfD wieder dort tagen wollten, organisierten Steinhöfler*innen Kundgebungen dagegen.

Für ein weltoffenes Steinhöfel

Die Menschen vor Ort ruhen sich aber auf diesem Erfolg nicht aus. Sie überlegen sich immer wieder neue Ideen, um sich für die Demokratie auf lokaler Ebene stark zu machen. So wie dieses Jahr: der DemokratieFlitzer, ein dorfübergreifendes Projekt aus der Gemeinde Steinhöfel. Der sogenannte „Kistenflitzer“ ist ein Fahrradanhänger mit E-Antrieb, der in kurzer Zeit in einen Stand mit Zeltdach und Seitentisch ausgeklappt werden kann. Das Multifunktionsmobil wurde als Kunstprojekt für die „Neuen Auftraggeber“ gebaut, eine Initiative, die Kunst in den öffentlichen Lebensraum bringt. Die Menschen vor Ort konnten sich am Bau beteiligen. Ziel war es, die zwölf Dörfer der Kommune Steinhöfel besser miteinander zu vernetzen und einen Raum für Austausch zu schaffen. Das Zukunftsarchiv e.V., der Verein hinter dem DemokratieFlitzer, nutzt den Flitzer, um mit Infomaterialien und Mitmach-Formaten die verschiedenen Ortschaften zu besuchen und über die Funktionsweise unserer parlamentarischen Demokratie auf kommunaler Ebene ins Gespräch zu kommen: Wie können wir uns individuell und kollektiv für demokratische Werte in unseren Dörfern einsetzen? Was ist der Unterschied zwischen Ortsbeirat und Gemeindevertretung und was wird im Kreistag entschieden? Zusätzlich gibt es viel Infomaterial gegen Rechts und zu Menschenrechten und solidarischen Gruppen.

Wie kann Demokratiearbeit im ländlichen Raum funktionieren?

Während in Berlin, eine Stunde mit dem Auto entfernt, viele Initiativen und Projekte der politischen Bildung ansässig sind, sind demokratiefördernde Projekte in ländlichen Gebieten wie Ostbrandenburg eher rar. „Im ländlichen, ostdeutschen Raum gibt es viele Menschen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für Demokratie und Weltoffenheit engagieren, trotz teilweise widriger Umstände. Kurz vor den Wahlen kommen dann die Großstädter*innen einmal vorbei, um auszuhelfen und ihr Gewissen zu beruhigen. Das ist aber oft ein zusätzlicher Koordinationsaufwand für die Menschen vor Ort. Was wir brauchen, sind Menschen, die längerfristig hier leben und sich engagieren wollen, und sich mit der Nachbarschaft austauschen“, erzählt Lea vom Zukunftsarchiv e.V.

Lea ist selbst in Berlin aufgewachsen und hat den Sprung aufs Land gewagt: Sie verbringt nun hauptsächlich ihre Zeit in Heinersdorf (Steinhöfel). Was ihr an der Demokratiearbeit in der dörflichen Gemeinde auffällt ist, dass die Beziehungsarbeit in der Nachbarschaft besonders wichtig ist. Vor allem braucht es Vertrauen und Zeit sowie Menschen aus der Dorfgemeinschaft. Durch das Projekt haben sich viele Möglichkeiten und Netzwerke erst ergeben, erzählt Lea. Menschen, die schon seit vielen Jahren demokratiefördernde Arbeit vor Ort leisten, haben sich über den Besuch des DemokratieFlitzers gefreut, erzählt Lea. Denn die Hemmschwelle, rechtsextrem abzustimmen sinkt, wie sich in Kreistagen und Gemeindevertretungen zeigt. Viele in der Nachbarschaft nehmen das als bedrohlich wahr.

„Ein Miteinander und Nicht-Alleinsein im Ringen um die Demokratie“

Mit dem DemokratieFlitzer waren die Menschen vom Zukunftsarchiv e.V. auf verschiedenen Veranstaltungen, wie Dorffesten und Trödelmärkten, unterwegs. Die Resonanz gegenüber dem DemokratieFlitzer war von verschiedensten Menschen sehr positiv. Häufiger kamen Menschen auf sie zu, erzählten davon, wie sie den Kistenflitzer mitgebaut haben und halfen Lea dann auch gleich mit beim Aufbau vor Ort. Auf diese Weise konnten auch lange Gespräche über kontroverse Themen entstehen. Dieser direkte Kontakt mit Nachbar*innen bringt neue Konstellationen der Solidarität. Auf einer Tour war der DemokratieFlitzer im Rahmen einer Veranstaltungsreihe auf einem Kirchengelände. Die Frauen, die sich in der Kirche engagieren, erzählten von ihrer Angst vor rechtsextremen Entwicklungen vor Ort. In Folge schlossen sie sich mit dem Projekt zusammen, tauschten Material aus und verteilten Flyer im Ort. „Durch das Zusammenkommen entstehen Bündnisse, die ich als heilsam und erleichternd empfinde“, resümiert Lea mit Blick auf die kommenden Projekte und Zusammenarbeiten.

Der DemokratieFlitzer wird auch weiterhin, durch eine Förderung der Amadeu Antonio Stiftung, unterwegs sein. Im Vorfeld der Landtagswahl dann mit der Frage: Was ist eigentlich ein Landtag, und wie arbeitet der? Denn wie die Touren gezeigt haben, ist das Potenzial für Folgeprojekte und Zusammenarbeit noch längst nicht ausgeschöpft.

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Analyse

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