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Kommentar

US-Wahl: Gewonnen hat der Rechtsextremismus

In den Jahren seit 2016 hatten der Wahlkampf und Donald Trumps erste Amtszeit tiefgreifende Auswirkungen auf rechtsextreme und antidemokratische Bewegungen weltweit – auch in Deutschland. Seine Präsidentschaft stärkte rechtsextreme Netzwerke und Narrative, verschärfte die Verbreitung von Desinformation („Fake News”) und sorgte für Angriffe auf demokratische Institutionen sowie eine verstärkte Gewaltbereitschaft Rechtsextremer, in den USA wie auch in Deutschland.

Aufwind und Galionsfigur für rechtsextreme Ideologien
In seiner ersten Amtszeit hat Trump rechtsextreme Positionen öffentlich normalisiert und zu einer deutlichen Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft beigetragen. Seine offenen rassistischen Aussagen und Politiken gegenüber Migrant*innen, das Verharmlosen rechtsextremer Gewalt und seine Angriffe auf demokratische Institutionen und Medien finden nicht nur in den USA Resonanz. Auch in Deutschland fühlen sich Rechtsextreme nach wie vor von ihm inspiriert. Für die Szenen ist Trump ein Symbol des Widerstands gegen die „Eliten“ und der Beweis, dass sich rechtsextreme, antidemokratische und autoritäre Positionen auch in westlichen Demokratien durchsetzen können, wenn sie nur beharrlich genug verfolgt werden. Dieser Effekt hat Rechtsextreme in Deutschland beflügelt und lässt Hoffnungen auf Macht wachsen.

Verbreitung von Desinformation als Werkzeug
Die Bedeutung von bewusst verbreiteter Desinformation wurde während Trumps Präsidentschaft auf ein neues Niveau gehoben. Alternative Wirklichkeiten, wie wir sie sonst nur aus den Telegramkanälen von Verschwörungsgläubigen kannten, wurden durch ihn gefühlte Realität. Er und seine Anhänger*innen verbreiteten gezielt Falschinformationen über angebliche Wahlfälschungen, die COVID-19-Pandemie und Migration mit dem Ziel, das bestehende Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen weiter zu schüren.

Wahlbetrugsvorwürfe sind seither auch in Deutschland populär geworden. Spätestens seit 2021 schüren AfD und Umfeld Zweifel an demokratischen Wahlen, zuletzt im Vorfeld der EU- und Landtagswahlen 2024. Die Realität ist jedoch: Der einzige dokumentierte Wahlbetrug in Deutschland kam von den rechtsextremen Freien Sachsen.

Die Strategie heißt Desinformation, verbreitet über die eigenen Kanäle, um demokratische Prozesse zu delegitimieren und Bürger*innen nachhaltig zu verunsichern. Die Erfahrungen der COVID-19-Pandemie und die „Querdenken“-Bewegung haben gezeigt, wie schnell Verschwörungsmythen und falsche Informationen durch digitale Kanäle eine breite Öffentlichkeit erreichen und verfestigte demokratiefeindliche Milieus entstehen. Diese neuen antidemokratischen Kampagnenmaschinen können scheinbar völlig unabhängig von den Inhalten und Anlässen immer wieder mobilisierbar werden. Trump ist durch seine systematische und konsequente Unterminierung wissenschaftlicher Fakten und bewusste Streuung von Verschwörungsmythen ein gefährliches Vorbild geworden.

Angriffe auf demokratische Institutionen
Die extreme Rechte in Deutschland greift Parlamente, Presse und Gerichte konsequent und organisiert an und stellt damit ihre Legitimität infrage. Immer mit vorne dabei: Mitglieder der AfD, die versuchen, sich im Schein von Trumps antidemokratischer Kampagnenmaschine zu sonnen.

Man erinnere sich an den alternativen Medienkongress 2019, bei dem Trumps Chefstratege Steve Bannon geladen war, jedoch absagte und durch den Alt-Right Aktivisten Milo Yiannopoulos ersetzt wurde. Ein weiteres bezeichnendes Beispiel dafür war der Sturm auf den Reichstag im Jahr 2020 durch Anhänger der „Querdenken“-Bewegung und anderen Rechtsextremen, die sich an den Selbstermächtigungsgesten der „alt-right” orientieren. Ein Jahr später stürmten Trump-Unterstützer*innen in den USA das Kapitol und setzten damit Donald Trumps Worte in Taten um. Die Angriffe auf demokratische Institutionen finden längst nicht mehr nur rhetorisch statt.

Rassistische Erinnerungspolitiken
Donald Trump hat sich vehement gegen das Entfernen von Statuen und Denkmälern ausgesprochen, die Konföderierte und Kolonialisten verehren – etwa Robert E. Lee oder Christoph Kolumbus. Diese Verteidigung von Symbolen rassistischer Gewalt hat den gesellschaftlichen Konflikt über die Erinnerungskultur in den USA massiv befeuert und wird von rechtsextremen Gruppen als Unterstützung ihrer Weltsicht verstanden. Trumps Position ist ein Versuch, überholte historische Narrative den gegenwärtigen Forderungen nach kritischer Aufarbeitung und Gerechtigkeit entgegenzustellen.

Legitimation und Anreiz zur Gewalt
Die Rhetorik und Politik von Donald Trump hat in den vergangenen Jahren rechtsextreme Gruppierungen bestärkt und teilweise legitimiert. Seine spaltenden Andeutungen und sein Unwille, rechtsextreme Gewalt klar zu verurteilen, haben dazu beigetragen, dass sich entsprechende Gruppen ermutigt fühlen, ihre extremistischen Ansichten öffentlich zu vertreten und sogar gewaltsam durchzusetzen. Diese indirekte Zusammenarbeit, bei der Trump weder explizit zu Gewalt aufruft noch diese effektiv verurteilt, wird von rechtsterroristischen Gruppen als Unterstützung verstanden und als Legitimation für ihr Handeln betrachtet. Indem er Gruppen wie die „Proud Boys“ im Vorfeld der Wahl 2020 aufforderte, „bereit zu sein“, sendet er ein klares Signal zum Handeln – und kann sich im Fall des Falles herausreden, nie von konkreten Taten gesprochen zu haben. Schuld seien andere, vor allem Demokrat*innen selbst, wenn sie angegriffen werden. Eine Strategie, die Trump schon nach dem Sturm auf das Kapitol anwendete, um sich von jeder Mitverantwortung frei zu sprechen.

Auch in Deutschland sehen sich rechtsextreme Akteure und organisierte Rechtsterroristen durch seine Äußerungen in ihrer Gewaltbereitschaft bestärkt. Diese Rhetorik ist längst nicht nur eine Online-Erscheinung. Sie zeigt sich in physischer Gewalt und realen Anschlagsplänen. Die Wahl Donald Trumps als US-Präsident befeuert rechtsextreme Selbstermächtigung weltweit. Eine Niederlage  hätte den Weg für Notwehr-Rechtfertigungen geebnet. Denn wenn eine Wahl „gestohlen” wird, dann müsse es erlaubt sein, sie zurückzuholen, auch mit Gewalt, so die perfide Argumentation, die vorgibt, im höchsten Maß demokratisch zu sein.

Herausforderungen und Handlungsbedarf
Wir befinden uns im Endgame liberaler Demokratien, wie wir sie kennen. Die Wahl Donald Trumps ist global eine enorme Herausforderung: Rechsextreme erhalten den institutionellen Segen und den der Wähler*innen. Die Zeiten des Faktischen sind wohlmöglich endgültig vorbei. Doch wie macht man Demokratien wehrhaft, die zumindest auf dem grundlegenden Verständnis einer gemeinsamen Realität fußen? Noch haben wir die Wahl und vor allem die Mittel. Auch hierzulande lechzen Rechtsextreme nach der Macht. Sie nutzen dieselben Strategien, deshalb dürfen wir die Fehler der USA nicht wiederholen. Wir müssen unsere demokratischen Institutionen absichern und dafür die Mittel des Grundgesetzes vollumfänglich ausschöpfen. Rechtsextreme militante Netzwerke und ihre Querverbindungen in den parlamentarischen Rechtsextremismus müssen aufgedeckt und zerschlagen werden, denn mit jeder Razzia wird deutlicher wie eng verzahnt die AfD mit rechtsterroristischen Kreisen bereits ist. Doch unsere Verfassung gibt uns noch mehr an die Hand: Die Einleitung und Prüfung eines Verbotsverfahrens ist das Gebot der Stunde. Es gilt keine Zeit mehr zu verlieren. Denn ist das Vertrauen in demokratische Institutionen erstmal verloren, werden sie hohl und zahnlos.

Es reicht nicht mehr aus, Desinformation im Nachhinein als das zu entlarven, was sie sind: strategische Lügen, um Demokratie und Realität zu unterwandern. Die Prävention muss viel früher ansetzen, medienpädagogisch wie gesamtgesellschaftlich. Es braucht ein Verständnis dafür, wie Desinformation funktioniert, worauf sie abzielt und wer sie verbreitet. Im Grunde einen ‚New Deal’ für das Verständnis einer gemeinsamen geteilten politischen wie gesellschaftlichen Realität.

Die Wahl von Donald Trump hat der extremen Rechten weltweit gezeigt, wie verletzlich Demokratien sind und dass es möglich ist, durch gezielte Desinformation und Angriffe auf demokratische Institutionen politische Erfolge zu erzielen. Nur durch eine entschlossene Stärkung demokratischer Resilienz, eine intensive Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Bewegungen und eine aktive Förderung einer solidarischen Gesellschaft kann Hass und Demokratiefeindlichkeit erfolgreich entgegengewirkt werden.

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Kommentar

Kommentar: Lohnt sich Demokratieförderung überhaupt?

Als die Correctiv-Recherchen Anfang 2024 publik wurden, gründeten sich bundesweit Initiativen, die zu Demonstrationen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus aufriefen. Sie mobilisierten Hunderttausende. Seitdem sind neue Initiativen und Bündnisse entstanden und Netzwerke gewachsen. Die Zivilgesellschaft in Ostdeutschland blüht auf, wie lange nicht. Trotzdem erringt die rechtsextreme AfD starke Ergebnisse. Das enttäuscht und war doch vorhersehbar. Es braucht Zeit, die über Jahre entstandene rechtsextreme Hegemonie wieder aufzubrechen. Ein Kommentar.

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