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Neuerscheinung

Wie gehe ich mit Impfgegner:innen um?

(Quelle: RechercheNetzwerk.Berlin)

Impfungen sind eine der wichtigsten Errungenschaften der modernen Wissenschaft. Aber es gibt Menschen, die das nicht wahrhaben wollen. Sie gefährden sich und andere. Viele lassen sich nicht impfen, weil sie Verschwörungserzählungen glauben, die sie auf dubiosen „Alternativmedien“ im Internet oder in Telegram-Chatgruppen gefunden haben. Viele dieser Verschwörungserzählungen existieren nicht, weil jemand „selbst gedacht“ hat, auch wenn sie das behaupten. Sie werden erdacht mit manipulierenden Absichten: Weil sich mit Angst Geld verdienen lässt. Oder weil Rechtsextreme versuchen, ein Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der Pandemie in Hass gegen „die da oben“ und die Demokratie zu wandeln.

Eine Untersuchung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena aus dem November 2021 zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen hohen Wahlstimmen-Anteilen für die AfD und hohen Coronavirus-Infektionszahlen. Dies ist eine neue Art, wie Rechtspopulismus Menschen gefährdet.  Deshalb ist es sinnvoll, sich mit den Formen von Manipulation, Desinformation und Verschwörungserzählungen auseinanderzusetzen. Belltower.News hat sich im letzten Jahr mehrfach der Thematik gewidmet – alle Artikel siehe hier via Link.

Dazu wollen wir noch ein paar konkrete Tipps mit auf den Weg geben:

Wie kann ich Desinformationen zum Thema Impfen erkennen?

  • Sie präsentieren Pseudo-Expert:innen in der Hoffnung, dass niemand Zeit hat, zu überprüfen, ob die Person wirklich relevantes Wissen oder Expertise hat.
  • Sie arbeiten mit logischen Trugschlüssen, setzen also Dinge in Zusammenhang, bei denen es keinen belegbaren Zusammenhang gibt (z. B. Todesfälle und Impfungen).
  • Sie arbeiten mit unerfüllbaren Erwartungen: „Die Ärzte sind sich da nicht zu 100 Prozent sicher“. So ist Medizin allerdings: Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.
  • Sie erklären Einzelfälle – etwa allergische Reaktionen – zur Regel, auch wenn ein wissenschaftlicher Konsens darüber besteht, dass es nur Einzelfälle sind.
  • Sie arbeiten mit Verschwörungsmythen, die ein politisches Ziel verfolgen, das über die Impf-Thematik hinausreicht, etwa indem sie suggerieren, dass demokratische Politiker:innen mit der Situation überfordert und autoritäre Systeme effizienter wären.

Wie erkenne ich Desinformationen im Internet?

Hier gilt als goldene Regel der doppelte Quellencheck.

  • Aus welcher Quelle stammt meine Information?
  • Hat sie ein Impressum?
  • Ist die mir als seriös bekannt(nach journalistischen oder wissenschaftlichen Kriterien arbeitend) oder als mutmaßlich tendenziös (z. B. Public Relations von Unternehmen, Parteien, Organisationen, manche staatlichen Quellen etc.)? Oder ist es Satire? Clickbait? Werbung?
  • Kommt die Meldung wenigstens von einem verifizierten Social-Media-Konto?
  • Aber auch vermeintlich seriöse Quellen können Falsches berichten. Deshalb kurz per Suchmaschine checken: Berichtet mehr als eine (seriöse) Quelle eine Nachricht über ein Thema, steigen die Chancen, dass die Information wahr ist.
  • Andererseits können Blogs oder Whistleblower auch wichtige Informationen bereitstellen. Hier können Sie auf Folgendes achten: Werden Behauptungen belegt (z. B. mit Fotos, Videos, Augenzeugenberichten etc.)? Werden Quellen oder Analysen genannt, vielleicht sogar verlinkt? Werden existierende Menschen zitiert, Expert:innen befragt?

Warum ist organisierte Impfgegnerschaft eine Gefahr für die Demokratie?

Organisierte Impfgegner:innenschaft ist mit den Prinzipien der demokratischen Wahrheits- und Meinungsfindung nicht vereinbar.

1. Die Ablehnung der modernen Medizin und wissenschaftlicher Prinzipien

  • Ist ein Türöffner in wissenschaftsfeindliche und verschwörungsideologische Ansichten, weil ich keine Belege mehr glaube.

2. Der sozialdarwinistische Fokus auf den gesunden Körper und das starke Immunsystem

  • Gesunde Ernährung und Sport sind wichtig. Aber wer sagt, dass alle Menschen lieber anderweitig ihr Immunsystem stärken sollen, statt sich impfen zu lassen, nimmt bewusst den Tod von vorerkrankten, immungeschwächten und vulnerablen Gruppen in Kauf. Das teilt Menschen in zwei Gruppen auf: solche, die leben dürfen und solche, die wir mit dieser Einstellung sterben lassen.

3. Organisierte Impfgegner:innenschaft geht mit menschenfeindlichen Verschwörungsideologien einher.

  • Wer glaubt, Impfungen seien ein Werkzeug der Eliten mit dem Zweck, die Weltbevölkerung zu kontrollieren oder ihr zu schaden, reproduziert antisemitische Narrative.

4. Organisierte Impfgegnerschaft spielt Rechtsextremen in die Karten

  • Rechtsextreme arbeiten aktiv daran, die Demokratie abzuschaffen. Verschwörungsideologische Impfgegner:innenschaft propagiert Angriffe gegen vermeintlich Schuldige, gegen Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen und den Staat und kommt Rechts – extremen damit sehr gelegen.

Fünf Strategien, um Verschwörungsmythen zum Thema Impfen zu kontern

Es ist sinnvoll, verschiedene Strategien auszuprobieren und diese auch innerhalb eines Gesprächs zu variieren.

1. Das Ziel der Diskussion im Auge haben

  • Eher nicht in einem Gespräch möglich: Überzeugte Anhänger:innen von Verschwörungsideologien von den humanistischen Zielen internationaler Gesundheitsorganisationen zu überzeugen.
  • Was aber möglich ist:
    Der Person Denkanstöße zu liefern, Irritationen über die Ideologie auszulösen, eine andere Perspektive zugänglich zu machen.
  • Vor Publikum Haltung zu zeigen, Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit zu benennen sowie diskriminierende Behauptungen zu entkräften.

2. Argumente am Weltbild des Gegenübers anknüpfen

  • Zum Beispiel ruft das Thema Impfen bei vielen Menschen die Angst hervor, etwas Unnatürliches in den Körper verabreicht zu bekommen. Das steht in scheinbarem Widerspruch zu Vielem, was wir über Gesundheit zu wissen meinen. „Ich kann verstehen, dass man sich nicht mit Chemie vollpumpen lassen will. Aber eine Impfung darfst du dir nicht als Schwächung oder Vergiftung des Körpers vorstellen – sondern als eine Art Sicherheitstraining für den Körper, denn das Immunsystem muss regelmäßig trainiert werden.“
  • Vorsicht: Diese Strategie eignet sich nicht für Diskussionen, in denen jemand andere Menschengruppen abwertet oder rechtsextreme Einstellungen vertritt – diese Weltbilder sollten natürlich nicht validiert und damit verfestigt werden.

Fragen stellen

  •  „Wer sagt denn das?“ „Warum vertraust du genau dieser Quelle, aber anderen nicht?“ „Welche politische Strömung steht hinter dieser Aussage?“ Solche Fragen können helfen, in einem Gespräch konkrete Aussagen näher zu inspizieren und Ungereimtheiten in der Argumentation offenzulegen.
  • Das setzt natürlich voraus, dass das Gegenüber überhaupt gewillt ist, sich solchen Fragen zu stellen. Dann aber kann es eine Hilfe sein, ihre Grundannahmen zu überprüfen und sie zum Beispiel zu einem reflektierten Medienkonsum anzuregen.
  • Durch gezielte Fragen kann Interesse signalisiert und gemeinsam nach Erklärungen statt nach Sündenböcken gesucht werden.

4. Nicht pauschal diffamieren, sondern sachlich argumentieren

  • Es hilft nicht, mit Häme auf das Gegenüber zu reagieren und sie:ihn z. B. pauschal als „Aluhut“ zu bezeichnen – das verhärtet die Fronten eher.
  • Lieber versuchen, das Gespräch nicht eskalieren zu lassen und möglichst nüchtern und faktenbasiert zu argumentieren.

5. Betonen, was richtig ist

  • Falschaussagen werden von vielen Menschen nicht deshalb geglaubt und verbreitet, weil sie so überzeugend sind – sondern weil sie in der Regel gezielt an ein Narrativ anknüpfen, das von der Zielgruppe geglaubt wird.
  • Ein unvorsichtiger Versuch, eine falsche Information zu widerlegen, kann durch die Wiederholung das Gerücht sogar verstärken, das man eigentlich ausräumen möchte.
  • Stattdessen: Widerlegungen sollten sich auf wesentliche Fakten statt auf das Gerücht konzentrieren.
  • Der Wiederholung des Gerüchts sollte eine eindeutige Warnung vorangestellt werden, dass die folgende Information falsch ist.

Diese und mehr Tipps erscheinen im Januar 2022 bei der Amadeu Antonio Stiftung in Form einer kleinen Broschüre – digital und im Print: “Immun gegen Fakten. Organisierte Impfgegnerschaft als Demokratiegefährdung”.

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