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10 Punkte für eine kommunale Willkommensoffensive

Die steigenden Flüchtlingszahlen stellen Politik und Gesellschaft vor neue Herausforderungen: In Teilen der Bevölkerung finden sich immer wieder rassistische Ressentiments und Vorbehalte gegen die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften. Gleichzeitig findet sich aber auch in der Gesellschaft eine Vielzahl von Menschen, die sich für eine aktive Willkommenskultur einsetzen. Wenn es um die konkrete Lebenssituation der Flüchtlinge geht, sind in ganz praktischer Weise vor allem die Kommunen gefordert. Deswegen stehen sie im Zentrum der „10 Punkte für eine kommunale Willkommensoffensive.“

Kommunen gestalten entscheidend das gesellschaftliche Klima vor Ort mit. Ein vorausschauendes Handeln der Kommunen ist daher unabdingbar. Denn politische Versäumnisse werden von der Bevölkerung oftmals nicht als Fehlentscheidungen einzelner politisch Verantwortlicher wahrgenommen, sondern führen vielmehr zu Vorurteilen und Hass und letztlich zu Angriffen auf geflüchtete Menschen. Nicht zuletzt deswegen stehen die kommunale Politik und auch die Zivilgesellschaft hier in besonderer Verantwortung.

1. Grundrecht auf Asyl
Kommunen sollten klar Haltung beziehen, dass Asylsuchende und Flüchtlinge willkommen sind. Denn Asyl zu bekommen, ist das Grundrecht eines jeden Menschen. Die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft darf nie zur Debatte stehen. Aber es darf und muss konstruktiv debattiert werden, wie und wo die Flüchtlinge untergebracht, willkommen geheißen und integriert werden.

2. Schutz vor Übergriffen
Gerade in strukturschwachen Regionen gibt es viele Engagierte, die im Falle einer Bedrohung für den Schutz von Flüchtlingsunterkünften sorgen. Sicherheit und Schutz vor Übergriffen sollten jedoch nicht auf die Zivilgesellschaft verlagert werden. Die Kommunen müssen dafür sorgen, dass die Polizei oder private Securityfirmen diese Aufgaben übernehmen. Das Sicherheitspersonal sollte weder aktuell noch in der Vergangenheit der rechtsextremen Szene nahe stehen und rassismuskritisch geschult werden.

3. Verantwortung übernehmen
Ehrenamtliches Engagement ist wichtig, darf aber nicht die professionelle Sozialarbeit ersetzen. Kommunen sollten hier – unterstützt durch die Länder und den Bund – Verantwortung übernehmen und personelle wie finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen für spezialisierte Flüchtlingsberatungen. Die Beratung sollte dabei auch rechtliche und soziale Fragen umfassen. In strukturschwachen Regionen kann eine derartige Beratung auch durch mobile Teams geleistet werden. Zusammen mit Migrantenorganisationen und anderen Initiativen können Erfahrungen geteilt und Willkommensmaterialien mit alltagspraktischen Hilfestellungen und rechtlichen Tipps erstellt werden.

4. Transparenz und langfristige Planung
Die Anwohnerschaft sollte über die Neueinrichtung von Flüchtlingsunterkünften rechtzeitig und sachlich informiert werden. Die frühzeitige Einbeziehung und Mitsprache der Bevölkerung kann Vorurteile verhindern und langfristig Akzeptanz schaffen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn antidemokratische Akteure Formen der politischen Beteiligung zur Legitimierung ihrer Ziele nutzen. Deutschland ist dauerhaft eine Einwanderungsgesellschaft. Migrationsbewegungen gehören dazu. Kommunale Einrichtungen und Angebote der Regeldienste sollten langfristig an diese Realitäten angepasst werden. Dazu gehören Integration und Inklusion, Angebote zum Spracherwerb, interkulturelle Öffnung der Behörden, z.B. Infopapiere in verschiedenen Sprachen.

5. Flüchtlinge einbeziehen
Die Kommune sollte sich für eine frühzeitige gesellschaftliche Teilhabe der Flüchtlinge einsetzen und dabei auch deren Bedürfnisse erfragen – statt die soziale und gesellschaftliche Isolation zu verstärken. Kommunen können niedrigschwellige Möglichkeiten für Flüchtlinge schaffen, sich im Gemeinwesen zu beteiligen und einzubringen. Regelmäßige Sprechzeiten der Kommunalpolitik auch für Flüchtlinge anzubieten kann dabei hilfreich sein. Integrationsbeauftragte, -beiräte und -koordinator/innen anderer Kommunen können mit ihren Erfahrungen beratend zur Seite stehen. Zudem müssen Kommunen einen barrierearmen und diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnen, Ausbildung und Arbeit schaffen.

6. Rassismus entgegentreten
Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung müssen zwar ernst genommen werden, dürfen aber nicht rassistische Argumentationen legitimieren. Bei Vereinnahmungsversuchen durch Rechtsextreme müssen Kommunen rechtzeitig intervenieren und sich offensiv gegen rechtsextreme und rassistische Aufmärsche, Aktivitäten und Parolen stellen. Hier kann auch die lokale Presse einen wichtigen Beitrag leisten. Eine Berichterstattung, die den Fokus auf Willkommensaktivitäten und konkrete Angebote für Flüchtlinge legt, kann positive Effekte haben und die öffentliche Meinung wenden: Von einer ablehnenden Haltung hin zu einer solidarisch geprägten Unterstützungskultur.

7. Willkommensbündnisse unterstützen
Kommunen sollten Willkommensbündnisse unterstützen, indem sie Einrichtungen und Menschen vernetzen, die sich bereits engagieren oder dies tun möchten. Dafür sollten ihnen kommunale Räume und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Denn die Suche nach geeigneten Räumen für gemeinsame (Freizeit-)Aktivitäten, kulturelle Veranstaltungen, Internetcafés für Flüchtlinge oder Begegnungs- und Werkstätten ist zeitraubend, kräftezehrend sowie mit finanziellen Hürden verbunden. So können Kommunen ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit stärken ohne sie zu überfordern.

8. Netzwerke ausbauen
Bereits vor Ort bestehende Infrastrukturen aus Ämtern und öffentlichen Einrichtungen, Wohlfahrtsverbänden, Migrantenorganisationen, Flüchtlingsräten und -initiativen, Bürgerstiftungen, Freiwilligenagenturen, Wohnungsbaugesellschaften, Kirchen und Gewerkschaften sollten als Schnittstellen besser vernetzt, qualitativ weiter entwickelt, ausgebaut und gestärkt werden.

9. Kooperationen mit Unternehmen
Unternehmen, die sich für eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen einsetzen, stellen wichtige Kooperationspartner für Kommunen dar. Denn diese können eine Vorreiterrolle einnehmen und das gesellschaftliche Klima positiv beeinflussen.

10. Selbstverpflichtung der Städte und Kommunen
Kommunen sollten Aktionspläne mit konkreten Handlungsschritten für eine proaktive und langfristige Willkommens- und Teilhabekultur für Flüchtlinge formulieren. So schaffen sie Transparenz und Überprüfbarkeit: Für Anwohnerinnen und Anwohner wird politisches Handeln nachvollziehbarer und transparenter.

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„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

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