Mitten unter uns – aber unsichtbar. Bis zu einer Million Menschen ohne Papiere leben in Deutschland. In der Öffentlichkeit sind sie jedoch kein Thema. Am 16. November 2010 macht der Verein „Calaca e.V.“, unterstützt von der Amadeu Antonio Stiftung, mit der Aufführung des Theaterstücks „Invisibles“ auf ihre prekäre Lebenssituation aufmerksam.
„Die Würde (je)des Menschen ist unantastbar“. Nicht für alle Menschen in Deutschland ist dieses elementare Grundrecht Wirklichkeit. Schätzungen gehen von bis zu einer Million Menschen aus, die ohne Papiere in der Bundesrepublik leben, allein in Berlin zwischen 100.000 und 250.000 – genaue Zahlen gibt es nicht. Aufgrund der Meldepflicht öffentlicher Stellen an die Ausländerbehörden vermeiden sie den Kontakt zu allen Behörden. Sie müssen sich so verhalten, als gäbe es sie nicht. Bestrebt, bloß nicht aufzufallen und geprägt von der Angst ausgewiesen zu werden, führen sie ein Leben als Unsichtbare. Ohne ausreichende medizinische Versorgung, ohne Anspruch auf rechtlichen Beistand, ohne die Möglichkeit einer regulären Arbeit nachzugehen und ohne Zugang zum Bildungssystem leben sie oftmals in menschenunwürdigen Verhältnissen. Viel über ihre konkreten Lebensbedingungen weiß man bislang nicht. Obwohl sie Teil der gesellschaftlichen Realität in Deutschland sind, nimmt die Öffentlichkeit nur vereinzelt Notiz von ihnen. Der gemeinnützige Verein „Calaca e.V.“ möchte das ändern.
Diskussion befördern und enttabuisieren
„Aktiv am internationalen kulturellen Leben Berlins teilnehmen“ und „sich konstruktiv einmischen“ – Das sind die Leitmotive des 1996 in Berlin gegründeten Vereins „Calaca e.V.“. Bekannt vor allem durch die Ausrichtung des „Mexikanischen Totenfests“ war der Verein auch als eine der ersten Gruppen beim Karneval der Kulturen dabei. Politisches Engagement spielt für seine Mitglieder von Anbeginn eine wichtige Rolle. In diesem Rahmen entstand auch das Straßentheater „Invisibles – Menschen ohne Papiere“, das inzwischen bereits im dritten Jahr aufgeführt wird. Die Diskussion über Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus in kreativer Form zu befördern und zu enttabuisieren, ist Ziel des Theaterstücks.
Aufmerksamkeit erzeugen
Ein rollender Container, Menschen, die wie Comicfiguren agieren und Berthold Brecht – wer wissen will wie das zusammenhängt, der sollte sich am 16. November 2010 um 18 Uhr in der Heilig-Kreuz-Kirche in Berlin-Kreuzberg einfinden. Erstmals im geschlossenen Raum wird dort das eigentliche Straßentheaterstück „Invisibles – Menschen ohne Papiere“ aufgeführt. Es bildet den Abschluss einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Interkulturelles Zusammenleben im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg“. Mit dem Ende der Aufführung ist der Abend aber noch lange nicht vorbei. Eine Entdeckungsreise auf der Bühne und spannende Diskussionen mit den Darstellerinnen und Darstellern erwarten das Publikum im Anschluss. Neben Informationen wird den Anwesenden so auch ein sinnlicher Eindruck vermittelt. Sensibilisierung für die Lebenssituation der Betroffenen ist das Ziel. In die Unsichtbarkeit gezwungen, werden sie zumindest an diesem Abend im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.
Sensibilisierung ein erster Schritt
Nicht für alle in Deutschland lebenden Menschen gehört die Inanspruchnahme allgemeiner Menschenrechte zur Lebenswirklichkeit. Auf dem Weg dorthin befindet man sich allenfalls in den Anfängen. Größtes Hindernis ist weiterhin die bestehende Meldepflicht öffentlicher Stellen an die Ausländerbehörden. Besonders die Mitteilungspflicht der Schulleitung hat für die Kinder von Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus fatale Folgen. Ausgeschlossen vom Schulunterricht bleibt ihnen das Grundrecht auf Bildung verwehrt. Die Bevölkerung für diese Themen zu sensibilisieren ist ein erster wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen. Deshalb unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung die Arbeit von „Calaca e.V.“
Von Christian Müller